Mo., 14.11.16 | 04:50 Uhr
Das Erste
USA: "Trumpeln" auf den Rechten der Indianer
"Es geht um unser Wasser, unsere Rechte und unsere Menschenwürde", sagt der Stammesführer der Standing Rock Sioux – und meint eine Pipeline. Die Dakota Access Pipeline soll Rohöl von North Dakota zur Raffinerie in Illinois transportieren. Sie verläuft unter dem Missouri River, gefährdet also in hohem Maße das Trinkwasser, sagen Umweltschützer. Außerdem wird Land durchkreuzt, das den Sioux heilig ist.
Seit Monaten läuft der Protest – niedergeschlagen mit Tränengas und Gummigeschossen. Nun haben die USA einen neuen Präsidenten und dem gehören Anteile an der Firma, die die Pipeline baut. Sandra Ratzow (ARD-Studio Washington) hat Indianer und Umweltaktivisten gefragt, wie eine Zukunft mit Donald Trump aussehen wird.
Die Morgenluft ist eisig hier im Gebiet des Sioux-Stammes in Nord-Dakota. Wasserritual am Fluss. Wasser ist Leben, sagen die die Ureinwohner. Washington und die große Politik sind mehr als 2.000 km weit entfernt. "Die USA haben einen neuen Präsidenten gewählt", meint Tony Sorci. "Nicht wir. Wir haben hier Häuptlinge und Großmütter. Die haben das Sagen."
80.000.000 Liter Öl täglich
Noch im Morgengrauen machen sich Aktivisten auf den Weg zur Baustelle. Hier wird die Pipeline verlegt, durch die ab nächstem Jahr täglich 80 Millionen Liter Öl fließen sollen. Doch die Sioux wehren sich. Dies ist heiliges Land, sagen Candy, Andre und ihre Freunde. Man kann doch keine Pipeline unter einem Friedhof verlegen. "Wir beschwören hier die Geister unserer Väter und auch derjenigen, die hier auf den Gräbern unser Vorfahren herumbaggern", sagt Candi Brings Plenty. "Wir hoffen, sie kommen zur Besinnung."
Die Schwarze Schlange nennen sie die Ölleitung. Es ist ein Kampf wie David gegen Goliath. Mit Singen und Beten gegen den Energiekonzern Energy Transfer, an dem auch der künftige Präsident Donald Trump Anteile hat. Der Konzern hat keine Zeit für ein Interview, aber sagt, die Leitung sei absolut sicher. "Wenn die Leitung so sicher ist, warum geht sie dann nicht wie ursprünglich geplant durch die Viertel der Weissen weiter nördlich", fragt sich Andre Red Bow. "Die dachten, wir wehren uns nicht. Irgendwann wird es ein Leck geben. Eines Tages wird das passieren."
Hoffen auf Obama
Die Polizei rückt an und ein Sondereinsatzkommando. Die Stimmung kann jederzeit eskalieren. Aber für ein paar Stunden ruhen die Bauarbeiten. Ein paar Kilometer weiter. Das Protestcamp Oceti Sakowin. Im April standen hier drei Zelte. Tausende haben sich inzwischen dem Protest der Sioux angeschlossen. Aus dem ganzen Land sind Stämme und Umweltaktivisten angereist. Keytha und seine Freunde sind gerade aus Arizona angekommen. Er ist Navajo. Wir Ureinwohner müssen jetzt zueinander halten, sagt der 27jährige. Präsident Obama hat versprochen, eine Verlegung der Pipeline prüfen zu lassen. Doch nun drängt die Zeit."Meine einzige Hoffnung ist, dass Präsident Obama noch eine Lösung findet, bevor er aus dem Amt scheidet", sagt Keytha Fixico. "Aber wir warten nun schon Wochen. Denken: Heute ist der Tag. Gestern war der Tag, vor zwei Wochen war der Tag."
Wir treffen David Archambault, den Stammesführer der Sioux Standing Rock. Vom Hügel hinter seinem Haus kann er die Baustelle sehen. Da drüben unter dem Missouri-Fluss soll die Pipeline entlang gehen. Wenn es ein Leck gibt, sind wir sofort betroffen. Wasser ist keine Ressource, Wasser ist unser Verwandter, sagt er und hofft, dass dies auch der künftige Präsident und Geschäftsmann Donald Trump versteht. "Ich weiß, wie Kapitalismus funktioniert. Ich verstehe, was für Menschen wichtig ist, die versuchen, Geld zu machen. Und ich glaube, dass es Kapitalismus geben kann. Aber nur solange wir uns auch um unsere Mutter Erde kümmern, wird sie immer für uns da sein."
Narben, die nie verheilt sind
Zurück im Camp. Aus dem Protest gegen eine Öl-Pipeline ist längst eine Bewegung geworden. Es geht um viel mehr, es geht um Narben, die nie verheilt sind. Auch bei Vonda Eagle Horse. Die Weißen haben unsere Vorfahren niedergemetzelt sagt sie. Und uns unser Land weggenommen, wann immer es ihnen passte. Sie haben sich nie wirklich dafür entschuldigt. "Vielleicht belächeln uns manche Leute, weil wir hier sind und weil sie das für Zeitverschwendung halten. Aber das ist es nicht. Hier werden wir Spuren hinterlassen. Trotz all des Widerstands gegen uns."
Manches hier erinnert an einen Bürgerkrieg. Polizei und Sicherheitskräfte sperren die wichtigste Zufahrtsstrasse zwischen Camp und Baustelle ab. Sie haben uns hier schon mit Tränengas besprüht und Schäferhunde auf uns gehetzt, erzählt Vonda. Aber wir werden nicht aufgeben. Die Vereinigten Staaten gehören uns, sagt sie und das wird immer so bleiben. "The United States is ours and it always will be."
Eine Welle der Solidarität mit dem Camp. Eine kanadische Firma hat Jurten für den Winter geschickt. Jeden Tage neue Spenden: Öfen, Medikamente, Schneeschaufeln. Bald wird es hier bitterkalt werden. Das wird uns nicht aufhalten, sagt Candi, eine der Anführerinnen. Als Donald Trump gewonnen hatte, gäbe es hier einen Moment der Schockstarre. Aber sie habe den anderen gesagt: Lasst uns auf unseren Mut konzentrieren nicht auf unsere Angst. "Unser Camp und unsere Gebete werden jetzt noch stärker werden. Und die demütige Seite in mir sagt definitiv: Danke Trump, dass Sie das ausgelöst haben." Es ist Abend geworden im Camp Oceti Sakowi. Wir werden nicht aufgeben, sagen die Sioux. Wir haben viel ausgehalten über die Jahrhunderte. Viel zu viel.
Ein Film von Sandra Ratzow (ARD-Studio Washington).
Stand: 13.07.2019 05:58 Uhr
Kommentare