Mo., 19.03.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
Moskau: Smart City
Ich habe den leichten Verdacht, dass alle Russen auf Kufen geboren werden. Die können es einfach.
WLAN in Bussen, an Haltestellen und Theatern
Flanieren am Wochenende im Gorki Park – natürlich auf Schlittschuhen. Die können es einfach. Und die Handys sind vielen fast an der Hand festgewachsen. Lassen wir das mit dem Eis. 80 Meter unter der Erde. Hier haben alle Netz, erklärt mir die Mitreisende Tatjana. Freies WLAN auch tief unten. "Seit zwei Jahren ist das so. Ich mag das natürlich, das ist eine erfolgreiche Errungenschaft für unser Leben", sagt Tatjana.
Aufladen geht hier auch, sagt Tatjana und verschwindet. Überall im öffentlichen Raum kleine Handytankstellen und WLAN. In immer mehr Bussen, an Haltestellen, Theatern.
"Kontrolle wäre es ja, wenn ich einen Chip implantiert hätte."
Alexej, Sportfreak, gerade auf dem Weg zum Spiel von Spartak Moskau, ist bereits richtig smarter Bürger. Das heißt: Er nutzt die staatliche App Gos u slugi. Etliche seiner Daten sind hier gebündelt. "Ich bin völlig gläsern. Hier steht alles über mich. Ich kann damit Steuern zahlen, Miete, Strom, Wasser, und Strafen auch. Mit dem Handy. Ohne aus der Metro rauszugehen." Zack – da haben sie ihn. Es blinkt. Ein Auto-Knöllchen. Etwa 35 Euro. Kann er gleich bezahlen, findet er praktisch.
"Kontrolle wäre es ja, wenn ich einen Chip implantiert hätte. Aber das Handy kann ich doch einfach wegwerfen. Und dann ist Schluss mit Kontrolle", findet Alexej.
Mit dieser staatlichen App kann man noch viel mehr über die Bürger erfahren. Und mit den 160.000 Überwachungskameras in Moskau übrigens auch. Das Leben soll sicher und einfacher werden. Das will der Bürgermeister.
Noten über staatliche App
Die Schule Nummer 627. Sobald ein Schüler die Schranke mit elektronischer Karte passiert, kriegen seine Eltern eine Meldung. Über die staatliche App. Bio in der 10. Klasse. Stifte oder Hefte entdecke ich nicht. Die Schüler recherchieren parallel im Netz Informationen zum Unterricht. Mit der russischen Suchmaschine Yandex.
"Die können nicht 45 Minuten zuhören. Diese Kinder denken in Clips. Die schalten alle 2-3 Minuten um. Also wechsele ich in meinen Stunden ständig die Aktionen", erklärt Alexander, Biologie-Lehrer, Schule 627.
Die Eltern können online das Unterrichtsmaterial einsehen. Mit der staatlichen App, natürlich. Die Schüler können die Stunde bewerten. Auch Ivan.
"Ich mag es, hier in diesem Umfeld zu sein. Das ist sehr interessant und unterhaltsam", sagt der Schüler Ivan. Smart hin oder her. Die Kids haben Hunger. Mit der elektronischen Karte sind die Eltern auch hier fast dabei. "Hier sehen sie, was du gekauft hast und was das kostet", erklärt Ivan.
Smarte Schule für ein digitales Russland
Big mother is watching you. Sergej ist fasziniert von dem Informationsfluss. Er kann die Daten aller Schüler einsehen. "Die Kinder wissen, dass die Eltern jederzeit sehen wie sie in der Schule sind. Es motiviert sie nicht, aber es stimuliert sie. Der Lehrer beurteilt jede Unterrichtsstunde. Wenn sie zu Ende ist, gibt er eine Note. Und das kann man sofort in der App sehen", erzählt Sergej, IT-Experte der Schule 627.
Schlechte Noten verheimlichen? Geht nicht mehr. Ivan wollte auf diese smarte Schule. Er hat extra schwere Tests bestanden.
"Ich glaube, es ist eine gute Taktik, die totale Kontrolle über das Kind zu haben. Das System ist ziemlich einmalig. Man kann einfach schneller lernen. Wir können nicht tricksen, es bleibt uns nur, gute Noten zu haben."
Ivans Schule – Vorbild für 800 Moskauer Schulen. Und das smarte Moskau – Vorreiter für das digitale Russland. Das ist der Plan der Politiker. Daten sind alles, haben sie mir hier erklärt. Für Kontrolle und für Fortschritt.
Bericht: Isabel Schayani
Stand: 01.08.2019 10:10 Uhr
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