Mo., 19.03.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
Irkutsk: Zukunftsschmiede Sibirien
Irgendwo in den Hinterhöfen von Irkutsk mitten in Sibirien steht einer der bekanntesten Bitcoin Rechnerparks Russlands. Den Ort dürfen wir nicht preisgeben, denn die Computer sind ein Vermögen wert. Und er ist der Betreiber: Juri Dramaschko.
Bitcoin – Währung der Zukunft?
Seine Rechner berechnen zusammen mit unzählbaren anderen in einem weltweiten Netz die digitale Währung Bitcoin, quasi dezentral, ohne die Mitwirkung von Banken. Juris Rechner laufen Tag und Nacht, um Transaktionen im Netz zu entschlüsseln, berechnen und wieder zu verschlüsseln. Alleine das verschlingt Unmengen an Strom. Ausserdem müssen die Rechner permanent gekühlt werden.
"Wir haben sehr viel Strom. Und der Preis hier in Sibirien ist einer der niedrigsten in Russland und auf der ganzen Welt. Die Erstellung von Bitcoins, das sogenannte Mining zahlt sich schon nach etwas 6 bis 8 Monaten aus. Nach 8 Monaten fängt man an, Gewinne zu machen", so Juri Dramaschko.
Wie hoch seine Gewinne sind, will er uns nicht verraten. Nur soviel – seine Anlage, seine sogenannte Farm, produziert am Tag einen Bitcoin, dessen Marktpreis im Augenblick bei etwa 8230 Euro liegt.
Virtuelles Geld als ein Stückchen Sicherheit
Und hier in diesem Cafe können die Stammkunden in Bitcoins bezahlen. Eine eingeschworene Gemeinde, die davon überzeugt ist, dass der Bitcoin, die Währung der Zukunft ist. Marina Sergejewna ist Pensionärin und hat auch in Bitcoins investiert – obwohl die digitale Währung noch immer bei vielen als instabil gilt. Der Kurs geht zwar auf und ab, erklärt sie mir, aber trotzdem lohnt es sich. "Mir geben die Bitcoins gerade ein Stückchen Sicherheit. Wenn sie wüssten, wie klein die Pensionen in Russland sind, meine liegt bei 9000 Rubeln pro Monat und da helfen die Bitcoins. Und selbst Leute, denen ich geraten habe zu investieren, sind sehr zufrieden."
Konstantin ist überzeugt, die digitalen Währungen, von denen der Bitcoin nur eine ist, werden immer populärer werden – vor allem in Russland. Die Tatsache, dass weder Regierungen noch Banken das virtuelle Geld verwalten, kommt bei vielen Russen, vor allem hier in Sibirien, gut an.
"Hier passiert ständig etwas Neues und wir greifen das gerne auf. Irkutsk ist weit von Moskau entfernt und wir nehmen immer gerne eine oppositionelle Haltung gegenüber Moskau ein. Und wenn etwas Oppositionelles zu Regierungspolitik entsteht, dann übernehmen wir das schnell und gerne. Deshalb sind die Leute enthusiastisch wenn es um Bitcoins geht", erklärt der Wissenschaftler Konstantin Lidin.
Für einige natürliche Evolution des Geldes
Immer mehr Zulauf hat mittlerweile auch ein wöchentliches Forum für Bitcoin, oder Krypto- Enthusiasten in Irkutsk. Wird sich der Bitcoin als globales Geldsystem für eine globale Welt durchsetzen, auch wenn die Banken dagegen Sturm laufen, wollen einige wissen. Juri ist überzeugt, man kann den Vormarsch der digitalen Währungen nicht mehr aufhalten.
"Es ist die natürliche Evolution des Geldes. Erinnert ihr Euch, zuerst haben wir Waren ausgetauscht, dann haben wir angefangen Münzen herzustellen, das war eine Verbesserung. Sehr bequem. Dann ist jemand auf die Idee gekommen, Papiergeld herauszugeben, auf der Seidenstraße entstanden Banken. Das hat den Handel entwickelt. Natürlich gab es Betrüger, die Falschgeld gedruckt haben, aber trotzdem nahm die Evolution des Geldes ihren Lauf", sagt Juri Dramaschko.
In Irkutsk, weit weg von Moskau, gab es immer schon Freidenker und man ist offen für neue Ideen und Technologien, meint er. Früher bestand fast die ganze Stadt aus Holzhäusern, und darauf besinnen sich nun einige Geschäftsleute wieder.
Modernes Heizsystem nutzt Wärme der Rechner
Sie stellen Fertigholzhäuser her und bauen dort ein modernes Heizsystem ein, das die Abwärme von den Bitcoin-Farmen nutzt. Eine Technik, die zwar noch in den Anfängen steckt, aber schon jetzt ganze Häuser mit der die überschüssige Wärme von den Rechnern heizt.
So könnte man eines Tages ganz Sibirien heizen, so die Hoffnung des Unternehmers, selbst am Baikalsee, dem tiefsten Süßwassersee der Erde, der jetzt zugefroren ist. Er hat große Pläne, auch wenn der Bitcoin gerne angegriffen wird als die Währung für kriminelle Machenschaften, Waffen- und Drogengeschäfte sowie den Handel mit Kinderpornographie.
"Was die dunkle Seite angeht, kann ich meinerseits fragen, in welchen Währungen der Welt wurden in den letzten Jahren die meisten kriminellen Geschäfte der Welt abgerechnet? Ich glaube, es gibt keine Zweifel daran, dass es der amerikanische Dollar ist. Aber es ist kein Grund zu sagen, dass man den Dollar nicht braucht", so Juri Dramschko.
Einige Länder, darunter auch Deutschland haben mittlerweile die digitalen Währungen als offizielle Zahlungsmittel anerkannt. In Sibirien herrscht Goldrauschstimmung.
Bericht: Birgit Virnich/ARD Studio Moskau
Stand: 01.08.2019 10:10 Uhr
Kommentare