Mo., 12.12.16 | 04:50 Uhr
Das Erste
Myanmar: Sterne, die vom Himmel fallen
Warm tanzen unterm Feuerwerk. Für Thura Maung und seine Freunde soll sich gleich ein kleiner Traum erfüllen. Vor tausenden Zuschauern wollen sie ihren selbst entworfenen Heißluft-Ballon in den Himmel schicken. "Alles ist fertig. Jetzt warten wir nur noch, dass es losgeht." Immer im November, wenn der Mond rund und voll zu werden beginnt, dann startet hier in Taunggyi im Nordosten Myanmars das Festival des Lichts. Eine Woche lang steigen jede Nacht festliche Ballons in den Himmel. Bestaunt, bejubelt und beklatscht von tausenden Besuchern. Familien, Liebespaare und fröhliche Lebensmüde – die sich berauschen an der tausendfachen Feuersglut. Ein einmaliges Erlebnis.
"Das ist hier keine Disco wie bei Euch im Westen", meint ein Zuschauer. "Sondern Disco wie bei uns. So feiern wir hier Parties." Eine Frau ergänzt: "Ich habe schon ein bisschen Angst. Aber das ist doch aufregend. Ich bin jedes Jahr hier, mir ist noch nie was passiert. Du musst halt gucken, wie der Wind steht." Und eine Zuschauerin sagt: "Die Ballons machen mich einfach glücklich. Aber du musst immer auf dem Sprung sein."
Wunderschön und saugefährlich. Tropfendes Öl, hohe Flammen. Dazu jede Menge Feuerwerk. 60 Kilo Schwarzpulver. Nicht immer geht das gut. Vorletztes Jahr: 4 Tote, 20 Verletzte. Ein Ballon war explodierend in die Menge gestürzt. Die Feuerwehr hat sich in Stellung gebracht. Dank deutscher Feuerlöscher soll diesmal keinem was passieren. Der erste Einsatz lässt nicht lange auf sich warten: Ein Ballon explodiert zu früh, ein anderer kracht brennend in die Zuschauerränge. Und alle haben irgendwie Spaß dabei. "Wenn der Ballon aufsteigt, dann gibt es manchmal einen Windstoß", erzählt Feuerwehr-Chef U Tin Min. "Oder die Hülle hat ein Loch und der Ballon steigt gar nicht erst auf. Dann gibt’s das Feuerwerk statt am Himmel, hier auf dem Boden. Aber das ist Tradition. Kein Selbstmord."
So würd’s wohl aussehen, könnte man mal mitfliegen im Ballon. Taunggyy – eine Stadt wie aus dem Bilderbuch. Die meisten Besucher kommen zum Inle-See, drüben hinter den Hügeln. Aber einmal im Jahr stiehlt das Ballon-Festival allen anderen Attraktionen die Show. Thura Maung und seine Freunde haben zwei Monate an ihrem Ballon gearbeitet. Im letzten Jahr haben sie den ersten Platz geholt mit ihrem Feuerwerk. Dieses Jahr wollen sie auf Knaller verzichten. "Wir haben hunderte Kerzen an der Gondel befestigt. Mit Fallschirmen. Später werden sie daran zu Boden schweben."
Im Kloster auf dem Berg haben die Freunde die Ballon-Hülle gefertigt: Geklebt aus Papier, verziert mit traditionellen Mustern. Den Ballon kriegen wir aber erst am Abend zu sehen. Im Haus von Thura Maung haben die Frauen gekocht. Es gibt Nudeln. Mit Hühnchen, Sesam, Koriander. Frittierten Tofu. Traditionelle Shan-Küche. "Hier in Myanmar gibt es so viele unterschiedliche Kulturen. Wir wollen unsere Shan Kultur lebendig halten. Wir müssen aber unser ganzes Land im Blick haben. Die nationale Versöhnung ist wichtig. Wir haben gerade Kämpfe in Rhakine. Ich würde mir wünschen, dass es dort friedlicher wäre."
Zwei Wirklichkeiten in einem Land: In Rhakine im Westen Myanmars fliehen tausende muslimische Rohingya vor dem burmesischen Militär. Hier im Shan State im Nordosten dagegen steigen bald wunderschöne Ballons in den Himmel. In Taunggyi wird es langsam Abend. Zehntausende sind jetzt unterwegs zum Festgelände.
Ein einziges Chaos aus Fußgängern, Mopeds, Autos. Kurz nach Sonnenuntergang steigen die ersten Ballons in den Abendhimmel. Ein Feuerwerk, als würden die Sterne vom Himmel fallen. Im Pulverdampf auf den Hügeln ringsum haben es sich die Besucher bequem gemacht. Es wird eine erlebnisreiche Nacht. Im glühenden Konfettiregen. "Ich habe sowas noch nie in meinem Leben gesehen", schwärmt Kay Thi Win. "Voll schön. Aber ich habe auch ein bisschen Schiss. Vor allem um meine Tochter."
Für Thura Maung und seine Freunde schlägt jetzt die große Stunde. Mit ihren Pick-ups bahnen sich die Männer ihren Weg durch die Feiernden. Die Truppe hat 30 Minuten Zeit, für Aufbau und den Start ihres Ballons. Jeder hat seine Rolle: einer macht die Hülle heiß, die anderen entzünden die vielen kleinen Kerzen. "Ich werde langsam aufgeregt.
Es sind so viele Leute hier und alle gucken zu." Der heikelste Moment: Der Ballon von Thura Maung steigt kerzengerade in den Himmel über Taunggyi. Die Ballon-Bauer feiern ihren Erfolg. "Ich bin unendlich erleichtert. Alle Kerzen brennen. Alles hat toll geklappt. Es sieht schöner aus, als wir uns alle vorgestellt haben." Und dann schnappen sich die Besucher ein Stück vom Himmel. Die vielen hundert Kerzen lösen sich von der Gondel und segeln durch die Nacht. Eine Stimmung, wie man sie allen Menschen in Myanmar wünschen will: Fröhlich und friedlich. Ein Erlebnis, das keiner hier so schnell vergisst.
Stand: 13.07.2019 11:11 Uhr
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