So., 07.02.21 | 19:20 Uhr
Das Erste
Namibia: Elefanten zum Verkauf
Namibia will 170 wild lebende Elefanten verkaufen. Der Grund sind zunehmende Konflikte zwischen Tieren und Menschen. Tierschützer kritisieren die Aktion und fordern langfristige Lösungen für das Problem.
Zerstörte Zäune und Wasserspeicher
Ja, man wird schon etwas nervös, wenn so eine Gruppe ganz nah an einem vorbeiläuft. Unsere Anwesenheit – für diese Herde zum Glück nur ein kleines Ärgernis. Wir sind im sandig-felsigen Norden Namibias. Im kleinen Dorf Anigab hat die Grundschullehrerin Roushally Pietersen erlebt, was passieren kann, wenn die Elefanten kommen. "Sie sind hier durch, die Elefanten haben den Zaun runtergedrückt, sind rauf auf unseren Schulhof – schaut euch das an. Die wollten wohl an unseren Wasserhahn."
Kein Einzelfall, eher ein Trend. Der deutsch-namibische Rinderfarmer Brüdi Koch und seine Frau haben uns zu sich nach Hause eingeladen. Wintergebäck bei 30 Grad und doch auch große Sorgen. Der von Elefanten zerstörte Wasserspeicher – Sinnbild der neuen Krise. "Ich hab' das jetzt nur notdürftig hochgehoben, das ich zumindest noch 'nen bisschen Notwasser hab für die paar Rinder, die noch hier sind. Das ist so ein verdammtes Problem mit den Elefanten." Schäden von mehreren tausend Euro – immer wieder. Niedergetrampelte Zäune, davongelaufenes Vieh. Brüdi ist hier aufgewachsen, er spricht fließend Herero. Früher, erzählt er, hätten sich alle hier über die damals noch seltenen Besuche der Dickhäuter gefreut – jetzt nicht mehr. "Heutzutage verachten wir eigentlich die Elefanten. Wir können einfach nicht farmen, können nicht farmen mit den Elefanten."
Afrikas graue Riesen – in den Augen vieler Namibier eine Plage. In manchen Regionen gebe es tatsächlich zu viele Elefanten, sagt auch Namibias Regierung. Ihr neuer Plan sieht vor, dass Tiere eingefangen und dann unter strengen Vorgaben meistbietend verkauft werden sollen – an Safariparks etwa. Wenn nötig, weltweit. "Wir haben diese Entscheidung getroffen, weil wir eine große Lösung brauchen", sagt Colgar Sikopo vom Umweltministerium. "Zwei, drei Elefanten im Jahr zur Trophäenjagd freigeben, das reicht nicht. Um die Konflikte zwischen unserer Bevölkerung und den Tieren zu verringern, müssen wir Elefanten abgeben. Deswegen müssen wir sie versteigern."
Elefanten brauchen ihren eigenen Lebensraum
Reise durch leeres Land. Namibia gehört zu den am dünnsten besiedelten Staaten der Welt – müsste hier nicht eigentlich genug Platz für Menschen und Tiere sein? So einfach ist es nicht, sagt Touristenführer und Tierschützer Hendrick Munembome. Der ausgewiesene Fährtenleser wirbt für Koexistenz und dafür, Elefanten in ihrem Lebensraum zu unterstützen. Es gehe vor allem um Wasser. Dramatische Dürren haben Namibia in den letzten Jahren zugesetzt. "Es ist doch so, dass den Elefanten heute nichts anderes übrigbleibt als in die Gärten der Menschen zu gehen. Um zu überleben, müssen sie in immer neue, fremde Gebiete wandern." Elefanten bräuchten eigene Quellen, eigene Grundwasser-Brunnen. Gleichzeitig müssten die Beziehungen zwischen Elefanten und Menschen verbessert werden. Auch die Deutsche Christin Winter arbeitet im Projekt, engagiert sich seit Jahren in Namibia. "Das hier ist eine Wasserstelle, die speziell für die Elefanten gebaut wurde. Das heißt, die Elefanten können kommen durch das Flussbett, hier trinken, müssen nicht in die Dörfer oder durch die Dörfer ziehen, sondern bleiben im Flussbett – und das minimiert die Konflikte maximal."
Seine Lieblingstiere seien sehr soziale Wesen, sagt Fährtenleser Hendrick. Elefanten werden depressiv oder gewalttätig, wenn sie von ihren Familien getrennt werden. Bei den Versteigerungen sollen Herden zusammenbleiben, verspricht die Regierung. Was aber wenn es anders kommt. "Innerhalb der Herden gehen die Tiere oft getrennte Wege, um mehr Nahrung zu finden – sollten die Elefanten also im falschen Moment eingefangen werden, würden sie für immer getrennt werden. Ja, das wäre sehr traurig." Aber werden sich die Tierschützer mit ihren Vorbehalten und Argumenten durchsetzen können? Der Grundschule von Frau Pietersen konnten sie helfen. Um das Hauptgebäude haben Christin, Hendrick und die anderen eine elefantensichere Mauer gebaut. Zumindest hier also jetzt weniger Angst – vor großen Tieren.
Autor: Simon Riesche
Stand: 08.02.2021 11:19 Uhr
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