So., 07.02.21 | 19:20 Uhr
Das Erste
China: Verstopfte Häfen
Rund läuft es nicht, dabei sind die Zahlen äußerst vielversprechend: Chinas Wirtschaft boomt. Steigerungsraten, mit denen niemand gerechnet hätte. Aber jetzt hängen viele Waren in den Häfen fest, weil es keine Schiffe mehr gibt, die die Container in die USA und nach Europa bringen könnten. Ausgebucht seit Wochen. Dabei sind alle verfügbaren Schiffe auf den Weltmeeren unterwegs. Aber irgendwie läuft das ausgeklügelte System nicht mehr rund. Container sind Mangelware, die Transportkosten steigen.
In China fehlen die Container
Endlich ist ein Container da. Viel Ware hat sich angestaut, die schon lange von China in die Welt verschifft werden soll. Qu Hongtao ist im Dauereinsatz. Er arbeitet für die Hamburger Transport Firma Hartrodt. Doch alles was sonst automatisiert und wie am Schnürchen läuft, hat die Pandemie durcheinandergewirbelt. "Manchmal finden wir noch Container, die gerade repariert werden. Wir fahren dann dorthin, warten und bringen ihn direkt zu unserem Kunden." Das Problem: die Container sind zur falschen Zeit am falschen Ort.
Insgesamt schippern etwa 25 Millionen Container ständig um die Welt. Doch als im Frühsommer vergangenen Jahres Europa und Nordamerika in den Lockdown gingen, blieben die Container im Westen, erstmal wurde nichts bestellt. "Plötzlich aber brauchten die Leute dann Sachen für ihr Zuhause, wie Möbel", erklärt Lars Jensen von SeaIntelligence Consulting. "Als der Bestell-Boom begann waren es vor allem Waren, die gebraucht wurden, um sich sein Home-Office einzurichten. Bürotische, Bürostühle und technische Ausrüstung, was man eben für’s Arbeiten von Zuhause braucht." Und die meisten dieser Bestellungen landen in China. Doch hier sind zu wenig Container. Die Nachfrage explodiert, die Kosten entsprechend auch. "Ich bin seit 10 Jahren in dem Geschäft" sagt Qu Hongtao "und es ist das erste Mal, dass die Preise so rapide in die Höhe gegangen sind."
Die chinesische Wirtschaft boomt – der Transport stockt
Während im Jahr 2020 die Wirtschaft in Europa und den USA schrumpft, boomt sie in China. Spätestens im Mai laufen schon wieder alle Fabriken auf Normalbetrieb. Hier schrauben sie auf fünf Etagen Kaffeemaschinen von Melitta zusammen. Der Kunde soll nicht warten, ist dem Manager hier wichtig. Dafür zahlt das Unternehmen auch Premium Lieferung – zu entsprechend hohen Preisen. "Vor einem Jahr hatten wir noch ungefähr 1.000 US-Dollar für einen Container bezahlt", sagt Guido Maune von Melitta. "Jetzt sind es in Spitzenzeiten bis zu 10.000 Dollar." Bei hochpreisigen Waren fallen die Extra-Kosten nicht so sehr ins Gewicht. Anders ist das bei Melitta. "Wenn wir in der Vergangenheit – wenn ich als Beispiel eine Kaffeemaschine nehme – zwei Prozent der Gesamtkosten für Logistik aufgewendet haben, sind es jetzt teilweise bis zu 20 Prozent. "Hier zahlt den Aufpreis Melitta. Woanders aber auch mal der Kunde oder der Logistiker. Verlierer gibt es viele Gewinner kaum.
"Ich mache oft den Vergleich mit einem Restaurant", erklärt Lars Jensen von SeaIntelligence Consulting. "Stellen Sie sich vor, sie führen ein Restaurant und normalerweise ist es sowohl mittags als auch abends ausgebucht. Jetzt sagen aber plötzlich die Gesundheitsämter, dass sie mittags nicht geöffnet sein dürfen und alle Mittags-Gäste kommen jetzt stattdessen abends. Das funktioniert einfach nicht." Jedes Cargo-Schiff sei derzeit auf dem Wasser, sagen Experten. Aber der Stau ist nicht allein durch mehr Schiffe und Container zu lösen. Corona-Ausbrüche unter Hafenarbeitern haben mancherorts alles zum Stillstand gebracht. In Los Angeles zum Beispiel. Inzwischen bildet sich dort schon vor dem Hafen eine Warteschlange von bis zu 45 Cargo-Schiffen. Die Docks sind besetzt. Auch alle Lager im Umkreis von 100 km voll. Ein Flaschenhals, der blockiert ist.
Ändern könnte sich die Lage, wenn in Europa und den USA die Menschen nicht mehr nur zuhause, im Homeoffice sind. "Irgendwann im Jahr 2021 werden die Menschen erkennen, dass Licht am Ende des Tunnels ist", sagt Lars Jensen von SeaIntelligence Consulting. "Sie werden dann mehr Geld wieder in Dienstleistungen stecken, so wie wir es sonst auch immer getan haben." Das würde dann auch bedeuten, dass die Wirtschaft in den USA und Europa wieder stärker an Fahrt aufnimmt, denn anders als in China sind es dort vor allem Dienstleistungen, die die Wirtschaft antreiben.
Autoren: Daniel Satra und Tamara Anthony, ARD-Studio Peking
Stand: 08.02.2021 10:55 Uhr
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