So., 10.03.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
China: Wie kleine Inseln eine Großmacht stärken
Küstenwache gegen Fischerboot, japanische Staatsmacht gegen chinesische Nationalisten: Säbelrasseln im Ostchinesischen Meer um die Senkaku-Inseln.
Konflikt auf der politischen Tagesordnung
Vom Hongkonger Hafen Shau Ji Wan starteten vor gut sechs Monaten chinesische Aktivisten, um auf der umstrittenen Inselgruppe im ostchinesischen Meer zu landen. Das Schiff wurde dabei schwer beschädigt, die Teilnehmer vorübergehend festgenommen. Aber die Aktivisten Chan Miu Tak und Tsang Kin Shing sind sich sicher, dass sich Ihre Reise zu den Inseln gelohnt hat. Schließlich steht der Konflikt seitdem ganz oben auf der politischen Tagesordnung. "Unsere Mission ist vorbei. Es wäre eine Schande, wenn die Kommunistische Partei zu schwach ist und wir unser Boot noch einmal flott machen müssten, um die Inseln zu schützen", sagt Tsang Kin Shing.
Nationalstolz treibt Chinesen an
In China heißen die unbewohnten Felsen Diaoyu, in Japan Senkaku. Sie sind begehrt: Die Japaner fischen hier ihren Bonito, von Öl und Gas ist die Rede. Für die Chinesen ist es das Tor zum Pazifik. Geostrategie heißt es, aber vor allem ist es Nationalstolz, der die Chinesen antreibt. Dies ist auch das Motiv der Hongkonger Aktivisten.
Aktivisten setzen Flaggen von China und Taiwan
August 2012: Diesmal wollen sie landen - unbedingt. Die Welt soll wissen: Diese Inseln gehören zu China, obwohl sie doch seit über 100 Jahren von Japan verwaltet werden. Die Fahrt ist dramatisch mit Wasserwerfer und Kollisionskurs. Die Japaner nehmen das Schiff in die Zange und rammen es. Doch die Aktivisten befreien sich und nähern sich der Küste. Die japanischen Ordnungskräfte können nur zusehen, wie die Chinesen an Land schwimmen. Die Flaggen Chinas und Taiwans wehen kurz darauf auf den Felsen des Anstoßes - ein symbolträchtiges Bild, bejubelt in allen Teilen Chinas.
"Für die Chinesen haben die Inseln materiellen, aber auch einen hohen symbolischen Wert. Der Nationalismus in China ist auf dem Vormarsch. Es geht um Souveränität, nationale Würde und dem Verlangen nach einem Ende des 'Jahrhunderts der Schmach'. Der Durchschnittschinese denkt so - und die Kommunistische Partei benutzt diesen Nationalismus zum Machterhalt", sagt Simon Shen von der Universität in Honkong.
China schickt sein Militär
Längst sind es nicht mehr nur Fischerboote mit Aktivisten, die um die Inseln streifen. Die Großmacht China hat ihr mächtiges Militär geschickt. Wenn jetzt ihre Marine vor den Inseln patrouilliert, dann fordert sie die Japaner per Funk auf, chinesisches Hoheitsgebiet zu verlassen. Japans Regierung hatte die Inseln unlängst von einem japanischen Privatmann gekauft. Der Ton in China verschärft sich seitdem. Ende Januar sollen die Chinesen sogar ihr Zielradar auf ein japanisches Schiff gerichtet haben - ein gefährlicher und provokativer Akt.
"Das derzeitige Problem ist nicht, dass China Stärke zeigt, sondern dass Japan immer wieder seine Schiffe in chinesisches Hoheitsgebiet schickt, um dort illegale Aktivitäten durchzuführen und Chinas Souveränität zu beschädigen" sagt Hua Chunying vom chinesischen Außenministerium.
Wen Jiabao unterstreicht Ansprüche
Auch auf dem Volkskongress wird das nationalistische Feuer weiter geschürt. Ministerpräsident Wen Jiabao beschwört mit markigen Worten die Stärke Chinas. "Wir sollten die Modernisierung unser Streitkräfte vorantreiben, um Chinas Militär zu stärken. Wir müssen Chinas Souveränität, Sicherheit und territoriale Integrität entschlossen verteidigen, um die friedliche Entwicklung des Landes zu gewährleisten."
Antijapanische Stimmung in China
In Hongkong sehen die Aktivisten mit Freude, dass China endlich Patrouillenschiffe schickt und dass die regierungsnahen Zeitungen nationalistische Propaganda machen. Aber das reicht ihnen nicht. Ihr Land soll endlich Fakten schaffen. "Die Volksbefreiungsarmee hat sich schon lange darauf vorbereitet, die Diaoyu-Inseln zurückzuholen. Das Militär braucht nur eine Anweisung der Führung. Früher haben alle nur geredet, jetzt schicken sie immerhin schon Schiffe. Aber China sollte sein Militär auf den Inseln stationieren. Dafür muss doch kein Schuss fallen", sagt Aktivist Tsang Kin Shing.
So denken viele Chinesen. Der Blick in die Geschichte erklärt einen Teil der antijapanischen Stimmung: Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg wurde der Osten Chinas von Japan besetzt. Es gab Massaker und Kriegsverbrechen. Deswegen ist es für Chinas Kommunistische Partei leicht, anti-japanische Ressentiments zu schüren. Die Geschichte eignet sich auch dazu, die Rolle der KP im Widerstand zu glorifizieren. Und: Mit dem Nationalismus lassen sich viele Widersprüche in der Gesellschaft bestens übertünchen.
Streit auch mit Philippinen und Vietnam
Chinas Territorialansprüche beschränken sich nicht nur auf die Diaoyu beziehungsweise Senkaku-Inseln, auch im Südchinesischen Meer streitet die Großmacht mit den Philippinen und Vietnam. Chinas Drohgebärden werden deutlicher. "Wenn in dieser Region wirklich ein Krieg ausbrechen würde, wären auch die US-Amerikaner involviert. Ohnehin denken die Chinesen, dass der ganze Konflikt von den USA provoziert wurde und Teil einer US-Kampagne ist - um die Vorherrschaft in der Asien-Pazifik-Region", so Professor Simon Shen.
China lässt die Welt spüren, dass es sich stark fühlt. Ein bewaffneter Konflikt um die Inseln wäre aus chinesischer Sicht wohl nur eine Notlösung. Aber China erwartet, dass Japan und die anderen Länder nachgeben - und zwar bald.
Autorin: Ariane Reimers, ARD-Studio Peking
Stand: 22.04.2014 13:55 Uhr
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