So., 10.03.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Mekong im Stau - Irrsinn oder Fortschritt?
Der Mekong ist noch ein großer Strom im Naturzustand - wild und unreguliert. Noch - denn es gibt erste Anzeichen dafür, dass sich etwas ändert: Zum Beispiel ein Brückenbau flussabwärts von Luang Prabang in Laos. Hier wird die Infrastruktur für eines der umstrittensten Staudammprojekte Asiens geschaffen: der Xayaburi-Damms. Es ist der erste Staudamm im Hauptstrom des mächtigen Mekongs.
"Die Landschaft hat sich schon verändert"
Wie nahe wir an die Baustelle herankommen, wissen wir nicht. Wir haben keine Genehmigung, dort zu filmen. Was wissen die Leute hier? Gebaut wird seit zwei Jahren, sagt man uns. Hauptsächlich Straßen zur Baustelle, heißt es. "Ja", sagt Herr Dao, der mit seiner Familie auf dem Fluss unterwegs ist, "die Landschaft hat sich schon sehr verändert."
Laos will die "Batterie Asiens" werden
1.400 Kilometer flussabwärts stürzt der Mekong in viele Arme verzweigt, zwanzig Meter in die Tiefe. Gemessen an der Wassermenge ist es der größte Wasserfall der Welt. Oberhalb der Fälle sind wir unterwegs zu einem weiteren Staudamm-Projekt. Laos setzt auf Wasserkraft, den Export von damit gewonnener Elektrizität. Das Land will die "Batterie Asiens" werden.
Fischer fürchten um ihre Existenz
Einen Seitenarm der Fälle will Laos für ein Wasserkraftwerk aufstauen. Noch stehen hier die hölzernen Konstruktionen der Reusenfischer. Viele Fische des Mekong wandern über Tausende Kilometer von der Mündung bis in den Oberlauf und überwinden dabei selbst den Wasserfall in beiden Richtungen.
Fischer Phet Manivan weiß, wie wichtig die ungehinderte Wanderung für den Fischbestand im Fluss ist. Was passiert, wenn Dämme den Strom versperren? "Ich weiß, dass meine Reusen dann überschwemmt sind. Wenn der Damm hier gebaut wird, ist es vorbei mit dem Fischen." Noch ist der Mekong das fischreichste Binnengewässer der Welt.
Kambodscha und Vietnam laufen Sturm gegen Staudamm-Projekt
50 Kilometer weiter südlich fließt der Mekong durch Kambodscha. Zur Regenzeit ist der Fluss hier mehrere Kilometer breit. Das Wasser reicht dann über die Baumkronen und verbiegt sie mit seiner Gewalt. Ein faszinierendes Naturphänomen.
Der kambodschanische Naturschützer Yen Run sorgt sich vor allem um das große Staudammprojekt in Laos: "Der Xayaburi-Damm wird das ganze Ökosystem verändern - weniger Wasser, weniger Fische", sagt er. Die flussabwärts von Laos gelegenen Staaten, vor allem Kambodscha und Vietnam, laufen Sturm gegen den großen Damm von Xayaburi.
Delfine vom Aussterben bedroht
Ortwechsel. Wir sind in Kratie in Kambodscha. Hier sind Touristen auf der Suche nach den selten gewordenen Delfinen des Mekong. Der Delfin wurde jahrzehntelang gejagt. Das reduzierte seinen Bestand. Wenn in Zukunft Staudämme den Fluss regulieren, wäre das eine noch größere Bedrohung für die Art.
Gerard Ryan ist Delfinforscher in Kambodscha. Mit seiner Spezialkamera macht er Bestandsaufnahmen der Delfin-Population. Der Australier fürchtet einen Domino-Effekt, wenn der große Damm in Laos gebaut wird. Weitere Dämme würden dann folgen, glaubt er. Auch in Kambodscha gibt es Pläne für zehn weitere Dämme im Hauptstrom. Zwei geplante Dämme liegen laut Ryan in Delfin-Revieren. Jeder dieser Dämme hätte gravierende Auswirkungen für die Delfine und würde sie schließlich vernichten.
Kambodscha sorgt sich um Fischbestand
Nahe der Haupstadt von Kambodscha herrscht reger Flussverkehr. Der Mekongist die Lebensader des Landes. Dessen Bewohner decken 80 Prozent ihre Proteinbedarfs mit Fisch. Darum sorgt sich Kambodscha so sehr um die Auswirkungen eines Staudamms auf den Fischbestand im Mekong.
Chum Hang Tong ist Chef eines staatlichen Fischereibetriebes in Phnom Penh. Seine Regierung hatte für einen zehnjährigen Aufschub des Baus von Xayaburi plädiert, um zuvor die Auswirkungen auf den Fischbestand zu klären - ohne Erfolg. "Wenn der Xayaburi-Damm gebaut wird, können die Fische nicht mehr ihre notwendigen Wanderungen machen. Wir haben dann hier nicht mehr genug Fisch“, sagt Chum Hang Tong.
Die Stadt My Tho liegt im Delta des Mekong in Vietnam. Über 2.000 Kilometer unterhalb des Staudamm-Projekts in Laos. Aber auch hier fürchtet man dessen Auswirkungen. Le Than Bac ist Wissenschaftler des vietnamesischen Mekong-Komitees. Auch er sorgt sich um die Fischbestände. Und er klagt, dass Laos mit den Ländern unterhalb am Fluss nicht zusammenarbeite: "Wir bräuchten mehr Studien über die Auswirkungen. Aber ich fürchte, Laos will Wirtschaftentwicklung und nimmt dabei keine Rücksicht auf die Nachbarländer."
Spannungen zwischen den Ländern wachsen
Laos folgt dem Beispiel Chinas. Das Reich der Mitte baute schon vor Jahren mehrere Dämme im Oberlauf des Mekong. Mit Konsequenzen für den Wasserstand im Delta, sagt Le Than Bac. Er formuliert seine Kritik stets vorsichtig. "China und Laos sind ja kommunistische Bruderstaaten. Details über die Dämme hat uns auch China nie mitgeteilt."
Das ist die politische Brisanz der Damm-Projekte: Der Mekong fließt durch sechs Länder. Schon heute wachsen die Spannungen zwischen den Staaten am unteren Ende des Flusses mit denen weiter oben.
Laos hatte jahrelang beteuert, dass der Damm noch nicht im Bau sei. Aber eine Nachrichtenagentur hat Bilder machen können. Diese zeigen, dass schon lange intensiv gebaut wird. Inzwischen hat der Bau auch offiziell begonnen. Studien sollen angeblich die Unbedenklichkeit bescheinigt haben. Umweltschützer bezweifeln das. Schon in wenigen Jahren wird der Fluss eine natürliche Würde verloren haben.
Autor: Robert Hetkämper, ARD-Studio Singapur
Stand: 22.04.2014 13:56 Uhr
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