So., 18.08.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Japan: Badespaß am Strahlenstrand
In dieser Saison hat rund 40 Kilometer von Fukushima entfernt erstmals wieder der Strand von Yotsukura geöffnet. Jeden Tag kommen um die 1.000 Menschen zum Baden. 300 Tonnen radioaktiv kontaminiertes Wasser strömen täglich in den Ozean. Fischen darf man entlang der Küste nicht, Schwimmen aber sehr wohl. Die Behörden werben sogar für den Strand.
"Früher vor dem Unglück war hier natürlich viel mehr los. Aber wann komme ich mit meinen Kindern schon mal raus an die Luft? Hier können sie mit den Wellen spielen. Das ist doch Natur pur", sagt ein Besucher und ein anderer ergänzt: "Ich finde, die Kinder sollen lachen. Und wo könnte das Lachen größer sein als hier am Strand."
Verstrahltes Wasser läuft in den Ozean
Badespass in Fukushima - dabei fließt schon seit zwei Jahren massenhaft radioaktiv verstrahltes Wasser in den Ozean. Atomkraftwerkbetreiber Tepco hat es bis jetzt verheimlicht. Caesium, Tritium und neuerdings auch Strontium - ein Knochenkiller, wie Experten sagen. In Yotsukura, beteuert Tepco, seien die Werte unbedenklich. Ein Mitarbeiter nehme regelmäßig Proben - verkleidet, wie ein Urlauber, heißt es, um die anderen nicht zu verschrecken.
Wir dürfen Tepco bei den Messungen nicht begleiten. Dafür treffen wir Kyoya Sat. Er ist gerade 24 Jahre alt und arbeitet seit einem halben Jahr in der Atomruine. "In Fukushima ist noch immer alles kaputt. Man sieht bis heute wie gewaltig der Tsunami war. Klar habe ich Angst, sagt Kyoya. Aber ich bin auch stolz, dass ich einen guten Job habe und beim Wiederaufbau helfen kann."
"Wir wissen nicht, was die Strahlung mit uns anrichtet"
Acht Meter hoch war der Tsunami am 11. März 2011 in Yotsukura. Zwischen Handtüchern und Sandburgen sucht die Polizei bis heute nach den vielen Vermissten.
Täglich um 12 Uhr macht auch Herr Kohei seinen Rundgang über den Strand. Er misst die radioaktive Belastung der Luft. Die Werte sind erhöht. Nicht erschreckend, aber eine deutliche Kontaminierung.
Hiroyuki Igari wohnt am Strand. Er ist einer der wenigen, der seine Bedenken laut äußert: "Meine Sorge wird immer größer, je mehr kontaminiertes Wasser ins Meer fließt. Und wir wissen überhaupt nicht, was die Strahlung mit uns anrichtet. Gucken sie mal auf die unschuldigen Kinder. Die haben Spaß beim Baden und dann schlucken sie das Wasser. Ich finde das absolut unverantwortlich von uns Erwachsenen."
Sondermüll in den Gärten
Fukushima ist ein schöne Gegend: Der weiße Strand lang und breit, das Hinterland idyllisch - vor allem im Sommer. Aber vor jedem Haus sind weiße Plastikplanen. Die Anwohner selbst haben teils hoch verstrahlte Erdschichten abgetragen. Jetzt weiß keiner wohin damit. "Do-it yourself-Dekontaminierung" - in jedem Garten eine kleine Sondermülldeponie.
Auch Igari hat sein Haus von Strahlung säubern wollen. Aber die Werte bleiben erhöht. Nicht erschreckend, aber eine deutliche Kontaminierung. "Einen total verstrahlten Baum habe ich abgesägt. Aber man kann nicht überall dekontaminieren. Und Wind und Regen schaffen immer neue radioaktive Hotspots. So rosig wie Tepco und die Behörden immer sagen, ist es hier noch lange nicht", sagt Igari.
Autor: Philipp Abresch, ARD-Studio Tokio
Stand: 15.04.2014 11:04 Uhr
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