So., 12.05.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Myanmar: Kreatives Spiel mit der neuen Freiheit
Ein Wind des Wandels weht durch Myanmar. Coca Cola ist schon da. Und von den großen Plakaten lächeln Frauen mit dem Versprechen weißer Haut. Nach 50 Jahren Militärdiktatur und Abgeschiedenheit prallen Globalisierung und Alltagskultur aufeinander.
Der Wandel ist auch in Myanmars Modeszene angekommen. Jetzt ist erlaubt, was vor kurzem noch unmöglich gewesen wäre. Die Chefredakteurin eines jungen Modemagazins ist gerade mal 30 Jahre alt. In diesen Zeiten des Umbruchs werden schnelle Karrieren gemacht.
Schrittweise Öffnung
Jedes Fotoshooting ist ein kleine Revolution. Doch etwas Unsicherheit bleibt: Wie weit darf man gehen? "Im Westen hast Du mehr Freiheit, kannst viel mehr zeigen. Aber in Myanmar geht das noch nicht. Wir haben unsere eigene Tradition. Und gleichzeitig müssen wir bedenken, dass viele Leser noch nicht bereit für zu viel Offenheit. Das geht nur langsam, Schritt für Schritt", erzählt Aye Nwe Hlaing, Chefredakteurin der Asian Fame Media Group.
Der Wandel ist unübersehbar: Die Röcke werden kürzer, die Ausschnitte tiefer, die Details verspielter. Mit der neuen Freiheit geht für Designerin Thwin Su ein Traum in Erfüllung. Endlich gibt es keine Denkverbote mehr. Ihr Handwerk hat sie in Europa gelernt - durch einen glücklichen Zufall. Ihre Tante lebt in Italien und ermöglichte das Modestudium. Jetzt kann Thwin Su endlich die Mode machen, die ihr gefällt.
"Endlich frei denken"
"Vor zwei Jahren war es überhaupt nicht erlaubt knappe Outfits in Zeitschriften oder Filmen zu zeigen. Die Pressezensur der Regierung hat das verboten. Als Designer konntest Du Deine Entwürfe überhaupt nicht richtig präsentieren. Nun können wir endlich frei denken", erzählt Thwin Su.
Einflüsse aus Europa und Amerika finden sich in ihren Designs. Eine Mischung, die erst jetzt gefragt ist - für Werbespots, Anzeigen und Modestrecken. Myanmar im Wandel - und auch die globalen Supermarken wollen dabei sein. 60 Millionen potenzielle Kunden gibt es hier - ein verlockender Markt. Von den Plakatwänden lächeln nun Frauen mit makelloser weißer Haut. Das, was anderswo in Asien angesagt ist, soll auch hier zum Schönheitsideal werden!
Wickelrock und "Topmodel" Aung San Suu Kyi
Doch das Topmodel in Mynamars Modeszene bleibt vorerst eine andere: Aung San Suu Kyi. Ihr Markenzeichen: Traditioneller Longyi, ein Wickelrock für Mann und Frau, mit schlichter Bluse.
Ihre Röcke lässt Aung San Suu Kyi unter anderem im Longyi-Geschäft von Frau Ma Nwet. Seit die Ikone der Demokratiebewegung wieder die politische Bühne betreten hat, brummt der Laden. Frau Ma Nwet ist überzeugt: Solange Aung San Suu Kyi die Geschicke des Landes mitbestimmt, steht der Longyi noch lange nicht vor dem modischen Aus.
"Sobald Aung San Suu Kyi diese Designs trägt, wird das von vielen Frauen kopiert. Und sogar junge Frauen tragen den Rock und die Bluse dann genauso wie sie. Das ist sehr, sehr edel”, erzählt Ma Nwet.
Bewahrung der Tradition gewollt
Auch Nachwuchsdesignerin Thwin Su bewundert die Oppositionsführerin. Mehr allerdings für ihre Lebensleistung, weniger für ihre Mode. Trotz der neuen Freiheit hat sie Sorge, dass der Einfluss der großen Marken und Trends aus dem Westen zu stark wird. Und letztendlich das, was so typisch Myanmar ist, irgendwann verschwinden könnte.
“Als junge Designerin liebe ich es natürlich, die neuste Mode zu sehen. Aber ich will nicht, dass unsere Tradition verdrängt wird. Die Modetrends mit der eigenen Kultur mischen, sodass sich beides ergänzt, das ist es, was ich will."
Die eigene Tradition nicht verleugnen und trotzdem neue Wege gehen. Damit die Sehnsucht nach Freiheit nicht zur grossen Enttäuschung wird - ein schwieriger Spagat:
Autor: Norbert Lübbers, ARD-Studio Singapur
Stand: 15.04.2014 11:15 Uhr
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