So., 27.01.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Tunesien: Besuch beim Diktator-Schlussverkauf
Luxuskarossen, Juwelen und Pelze kommen in Tunis unter den Hammer. Diktator Ben Ali und sein Clan hatten all das zusammengerafft, bis sie vor zwei Jahren verjagt wurden. Für die teuren Objekte werden diskret stille Gebote im Umschlag abgegeben, die Interessenten bleiben anonym. Alles unter einem Wert von 5.000 Euro kann sofort gekauft werden.
Gerade Ehefrau Leila Ben Ali war für ihre Verschwendungssucht verrufen. Zine el-Abidine Ben Ali führte Tunesien wie einen Privatbesitz. In 23 Jahren Herrschaft sammelte er ein Vermögen von sagenhaften 13 Milliarden Dollar an. Nach der Revolution fand man zudem große Mengen Bargeld, versteckt in seinen Privathäusern. Ben Ali war ein besonders raffgieriger Diktator.
Besuch in einer anderen Welt
Für Reda Maizi und seine Frau Khamssa ist es ein Besuch in einer anderen Welt - sie wurden vom Regime Ben Alis brutal verfolgt, und sehen nun fassungslos, welche Reichtümer das Diktatoren-Paar angehäuft hatte.
Der 51-jährige Reda saß unter Ben Ali drei Jahre im Gefängnis, weil er die islamische Ennahda-Partei unterstützte. Das Leben unter Ben Ali war für die Familie ein Alptraum. Ständig wurde ihre Wohnung von brutalen Polizisten durchsucht, die Kinder sind noch heute traumatisiert.
Die Revolution war eine Befreiung für sie, aber die Lebensverhältnisse haben sich für die meisten Tunesier nicht wirklich verbessert. "Ich persönlich bin zufrieden, weil ich meine Freiheit wieder bekommen habe, aber noch gibt es viel zu viele politische Auseinandersetzungen bei uns im Land", sagt Reda Maizi.
Unzufriedenheit nimmt zu
Demonstrationen gehören fast schon zum Alltag. Die Unzufriedenheit über Arbeits- und Perspektivlosigkeit steigt bei vielen Menschen. Sie warten immer noch auf die Revolutionsdividende.
Das weiß man auch bei der islamischen Enahda-Partei, die die Regierung stellt. Das Ministerium für staatliche Liegenschaften organisiert den Verkauf von Ben Alis Reichtümern - hier wehrt man sich gegen den Vorwurf, man wolle mit der Versteigerungsschau von den Alltagssorgen ablenken. "Die Ausstellung will aufklären. Sie will den Luxus vorführen, in dem die Ben Ali-Dynastie lebte, während das Volk gelitten hat", erklärt Slim Ben Hmidane, Minister für Staatliche Liegenschaften.
Bilder von der Revolution im Januar 2011 stehen als Erinnerung zwischen rund 40 Luxuskarossen - vom Lamborghini bis zum Ferrari ist alles dabei. Mohamed Hamated vom Finanzministerium erklärt, dass der Aston Martin ein Lieblingsgefährt von Ehefrau Leila war, schon wegen des ganz besonderen Sounds. Dann geht es zu einem Maybach, eine halbe Million Euro ist der geschätzte Wert. Die Limousine mit eingebauten Massagesitzen war ein Geschenk des ehemaligen libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi - ihm hatte es, so heißt es, Ben Alis Gattin Leila, besonders angetan.
"Das ist staatlich organisierter Raum"
Wir treffen noch zwei andere fassungslose Besucher, die sich die teuren Gefährte aus der Nähe anschauen. Früher ist der Diktator in solchen Nobelkarossen an ihnen vorbeigefahren. "Das ist unerhört, was man hier zusammengetragen hat, das ist doch staatlich organisierter Raub gewesen", sagt Ridha Mami.
Der Mann weiß, wovon er spricht: Sein Grundstück, direkt am Mittelmeer gelegen, hat ihm und seiner Familie Anfang der 90er-Jahre der Ben Ali-Clan einfach weggenommen. Für einen der Söhne Ben Alis wurde dort eine Villa errichtet. Wütende Menschen habe diese nach der Revolution niedergebrannt. Nun hoffen Rida Mami und seine Familie darauf, dass sie ihr Grundstück zurückbekommen. "Seit über 20 Jahren warten wir auf Gerechtigkeit. Immer wieder wird man auf den nächsten Tag vertröstet. Das tut sehr weh", sagt Ridha Mami.
Die jetzige Regierung will die Reichtümer des Ben Ali möglichst schnell zurückgeben oder verkaufen.
Autor: Stefan Schaaf, ARD-Studio Madrid
Stand: 22.04.2014 14:11 Uhr
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