So., 15.06.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Brasilien: Kinderprostitution in Fortaleza
Warten - so lange bis der nächste Freier kommt. Auf dem Straßenstrich von Fortaleza ging auch die 13-jährige Leila anschaffen. Leilas Mutter Tatiana Maya Farias hat davon erfahren. Seitdem fehlt jede Spur von Leila.
"Ich weine jedes Mal"
Tatiana will wissen, wo ihre Leila steckt. Ob sie in Sicherheit ist. Gemeinsam mit ihrer jüngsten Tochter stellt sie uns Aline vor. Auch Aline hat den Kontakt zu Leila verloren - dabei ist die 13-Jährige Leilas beste Freundin. "Beim ersten Mal sind Leila und ich an die Strandpromenade gegangen und die Männer gaben uns drei Euro für den Sex. Ich habe bis heute Angst und weine jedes Mal. Leila auch. Oft kaufen uns die Freier Kokain, damit wir die ganze Nacht durchhalten", erzählt Aline.
Fortaleza - eine Stadt mit großem sozialem Ungleichgewicht
Die Strandpromenade von Fortaleza ist Ziel für Touristen und Vorzeigemeile der Fußball-WM-Stadt. Es ist der Ort an dem für Leila und Aline das Leben als Kinderprostituierte begann. Fortaleza ist eine der Städte mit der größten sozialen Ungleichheit weltweit. Auf der einen Seite der wirtschaftliche Aufschwung. Er ist ablesbar an den abgeschirmte Luxuswohnungen der Reichen.
Auf der anderen Seite die Favelas, in denen die Armen der Stadt hausen. Tatiana war sogar obdachlos, lebte mit ihren fünf Kindern bis vor wenigen Monaten auf einem Platz - am Rande der Gesellschaft.Ihre Bleibe, die ihr die Kirche vorübergehend ermöglicht hat, muss sie bald verlassen. "Ich bekomme keine Hilfe vom Staat, keine Sozialwohnung", erzählt Tatiana Maya Farias.
Tatiana kann ihrer Familie keine Perspektive bieten. Das hat Leila auf die Straße getrieben. Mädchen wie sie - aus den Favelas - gehen auf den Strich, weil sie das schnelle Geld suchen. Oder einfach nur, weil sie hungern. Pro Nacht machen sie rund 70 Euro. Dafür lassen sie sich vieles gefallen.
"Oft den Tod vor Augen"
Wir treffen Lana. Sie erzählt uns von der Macho-Kultur der Brasilianer. Davon, wie aggressiv die Freier mit ihr umgehen. Immer öfter. "Es gibt viele Männer, die schlimme Dinge machen. Ich wurde schon aus dem Auto geworfen und hatte einen Revolver am Kopf. Einmal da hat mir ein Freier ein Messer an den Hals gedrückt. Wir alle hier haben so oft den Tod vor Augen." Lana ist 20. Auch sie hat als Minderjährige angefangen. Zu Hause wartet ihre fünfjährige Tochter.
Eine bessere Zukunft für Leila?
Tatiana hat Leila endlich gefunden. In einem Heim für Kinder-Prostituierte. Bei ihrem ersten Besuch ist Sozialarbeiter Antonio dabei. Er hat das Treffen zwischen Mutter und Tochter vermittelt und steht Tatiana bei. "Wir brauchen mehr Heime wie dieses. Denn so viele junge Mädchen sind in der gleichen Situation. Wir brauchen mehr Plätze", sagt Antonio da Silva von der Hilfsorganisation "Pequeno Nazareno".
Ein Leben ohne Prostitution - für Leila zum Greifen nahe. Sie sitzt am Fenster - auf dem Weg zu einem Handarbeitskurs, den das Heim ihr ermöglicht. Tatiana ist erleichtert: Leila kann hier bleiben. Tatiana weiß: Leila hat eine bessere Zukunft ohne ihre Familie, die wohl bald wieder auf der Straße lebt.
Ins Heim will auch Aline - doch für sie gibt es noch keinen Platz. "Ich möchte Sängerin werden, zur Schule gehen. Und Essen nach Hause bringen ohne dafür anschaffen gehen zu müssen."
Autor: Matthias Ebert, ARD-Studio Rio de Janeiro
Stand: 18.04.2016 03:42 Uhr
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