So., 19.10.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
China: Mit dem Rad an Tibets Grenzen
Moscheen in jedem Dorf in jeder Stadt - meist traditionell mit Kuppel und Minarett. Die Männer haben weiße Kopfbedeckungen, die Frauen tragen Schleier. Das moderne China der Ostküste ist weit weg. Unsere Fahrradtour führt uns zu den Hui-Chinesen in der Provinz Gansu, deren Vorfahren Händler an der Seidenstraße waren. Der Islam ist hier toleriert - anders als im Westen Chinas, in Xinjiang, wo die Zentralregierung sich in Kleidung und Gebräuche der Muslime massiv einmischt. Es entstehen in Gansu sogar neue Moscheen.
Wie kamen die islamischen Hui nach China?
Anfangs begegnen uns die Bewohner mit Misstrauen, aber als der Besitzer unseres Hotels unseren Kameramann in die Moschee mitnimmt, dürfen wir drehen. Der Hotelbesitzer lädt Kameramann Ronald und mich ein, nach Hause zu kommen.
Ma Zhanyun und seine Freunde begrüßen uns herzlich. Der Imam des Dorfes erweist ihm die Ehre, er besucht die wichtigen Familien. Zu meiner großen Überraschung dürfen wir uns zum Imam setzen. Er erklärt uns, wie sich der Islam in China verbreitet hat: Ein chinesischer Herrscher in der Tang-Dynastie träumte von Turbanen, die ein Monster vertrieben. Seine Berater waren sich sicher, damit seien die muslimischen Hui gemeint, die der Herrscher nach China im Kampf gegen böse Geister einladen solle. So wurden die ersten Hui in China willkommen geheißen.
Islam und Buddhismus nah beieinander
Nur wenige Kilometer südlich des Hui-Dorfes durchqueren wir das Tor zu einer ganz anderen Welt: Labrang - Kloster und Universität für tibetische Mönche. Für mich ist es eine Überraschung, wie nah Islam und Buddhismus in dieser Region beieinander liegen.Die Anlage ist riesig, die Runde entlang der Gebetsmühlen dauert 40 Minuten. Viele Pilger gibt es hier, aber nur wenig Touristen. Für Ausländer ist Labrang manchmal gesperrt, etwa wenn es Proteste gegen die Zentralregierung gegeben hat.
Tangka-Malerei: Schüler lernen zehn Jahre
Neben der Tempelanlage ist eine Schule für Tangka-Malerei. Hier lernen Schüler aus allen Teilen Tibets die Kunst der heiligen Bilder. Zehn Jahre dauert die Ausbildung. Früher waren es nur Mönche und Nonnen, die die Tangkas malten - heute ist die Kunst für alle offen. Die meisten Bilder werden für die Mönche gebraucht. In einigen großen Tempeln sind die Sitzpolster aus Tangka-Bildern. Außerden haben die meisten tibetischen Familien Tangkas zu Hause.
Hinter Labrang beginnt das Grasland von Gansu. Zelte sind in die Landschaft getupft. Auch wenn die chinesische Regierung versucht, alle Nomaden sesshaft zu machen, sind uns auf unserer Reise doch noch viele begegnet, die mit ihren Yak- und Schafherden umherziehen.
Ein Arzt in einem "Museumsdorf"
In der benachbarten Provinz Sichuan merken wir langsam wieder, dass wir in China sind - die Tibeter sprechen auch chinesisch, über den Dörfern weht die Fahne der Volksrepublik. Hier treffe ich einen tibetischen Doktor. Bis zu seiner Pensionierung war er der Leiter des lokalen Krankenhauses. In seinem Studierzimmer zeigt er mir stolz seinen Doktortitel, seine medizinischen Aufsätze - und die kleine Apotheke, denn ein paar Patienten empfängt er immer noch.
Wie das Dorf ist auch das Haus des Arztes mehrere Hundert Jahre alt - die Geschichte der Tibeter ist in dieser Region noch älter. "Wir kommen ursprünglich aus Tibet, vor mehr als Tausend Jahren wurden tibetische Soldaten zur Grenzverteidigung in diese Region geschickt, wir sind deren Nachfahren", erzählt der Arzt. Doch die Tage der Siedlung sind gezählt. Die Hälfte der Bewohner ist in ein bequemeres Leben gezogen. Zurück bleibt ein tibetisches Museumsdorf.
Autorin: Ariane Reimers, ARD-Studio Peking
Stand: 05.01.2015 09:22 Uhr
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