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Dagestan: Das Terrornest - Wie der Hass auf Moskau den Kaukasus regiert

Dagestan: Das Terrornest - Wie der Hass auf Moskau den Kaukasus regiert  | Bild: Das Erste
Mohammad Khaduschkaev
Mohammad Khaduschkaev hat im Untergrund gekämpft. | Bild: NDR

Sie wähnen sich auf dem Weg ins Paradies: Junge Männer des Kaukasus-Emirats, einer Terrorbewegung. Sie sind unter Beschuss, sie legen Sprengfallen oder sie filmen sich beim Fastenbrechen im Wald.

 Einer von ihnen war Mohammad Khaduschkaev: "Man geht in den Untergrund, um das Wort Allahs zu verbreiten. Damit meine ich die Scharia. Die Scharia steht über allen Gesetzen, die von Menschen geschrieben wurden - in jedem Land."

"Putin für immer mein Feind"

Mohammad sah einmal ganz anders aus. Er trank gerne Wein. Und er leistete seinen Wehrdienst  - in Russlands Armee. Die Opfer des Tschetschenien-Kriegs und die Islamfeindlichkeit überall habe ihn radikalisiert, versucht er zu erklären. "Wladimir Putin wird für immer mein Feind sein. Er hat die Hälfte meines Volkes vernichtet. Er ist kein guter Präsident. Ich persönlich empfinde für ihn nur Hass."

Olympische Winterspiele verstärken Gewalt

Kämpfe in einem Dorf in Dagestan.
Kämpfe in einem Dorf in Dagestan. | Bild: NDR

Seit einem halben Jahr hat Mohammad die Waffen niedergelegt. Eine Wendung. Mit Waffen könne man nichts lösen, sagt er nun. Am liebsten würde er sein Haus für die Familie  weiterbauen. Aber jetzt müsse er erst mal weg von hier. Der Geheimdienst und seine alten Waffenbrüder ließen ihn nicht in Ruhe.

Ist Sotschi, Austragungsort der Olympischen Winterspiele im Februra, im Visier seiner Ex-Gefährten? "Ich fürchte, dass der russische Geheimdienst selbst einen Anschlag inszenieren wird. Und danach werden sie sagen, dass man alle Salafisten töten muss, um den Terror zu bekämpfen", sagt Khaduschkaev.

Im Nord-Kaukasus schwelt ein Krieg. Ein Bürgerkrieg, der auf beiden Seiten Opfer fordert. Und Olympia treibt die Gewalt noch weiter an.

"Jeden Tag Schießereien"

 Im Dorf Taschkapur besuchen Osman Magomeedov und seine Söhne den Friedhof.  Hier liegt das Grab des dritten Sohnes - getötet im Dienst. Er war Polizist wie sein Vater. "Jemand hat meinem Sohn genau ins Gesicht geschossen. Wie kann man den, der so was tut, einen Menschen nennen?", sagt Magomeedov.

Zaur Magomeedov stirbt mit 26 . nach einem Überfall auf seinen Checkpoint. "Acht Tage lag mein Sohn im Koma, und in dieser Zeit gab es an seinem Kontrollpunkt jeden Tag Schießereien. Drei seiner Kollegen wurden auch ins Krankenhaus gebracht. Wie das alles hier weitergehen soll, weiß ich nicht", erklärt Magomeedov.

Notlage der Menschen nutzen Radikale aus

Osman Magomeedov
Osman Magomeedov trauert um seinen Sohn. | Bild: NDR

Die Magomeedovs waren schon immer Polizisten. Der jüngste Sohn wird diese Tradition brechen - auch wenn es im Dorf eigentlich keine andere Arbeit gibt für die Männer. "Wir Dagestaner verehren Putin. Er hat uns Brüder genannt. Aber hier sind einfach so viele junge Leute arbeitslos. Die brauchen Geld um zu überleben, um ihre Familien zu ernähren. Diese Notlage nutzen die Radikalen aus. Sie locken die Jungen mit Geld." sagt Magomeedov.

Der beste Freund des getöteten Sohnes, erzählt der Vater, sei zu den Terroristen gegangen. Auch er ist nun tot, liquidiert von einem Sonderkommando der Polizei. Der Krieg zerreißt Familien und er zerstört Freundschaften.

Entführung am hellichten Tag

Vor den Winterspiele häufen sich Durchsuchungen, Verhaftungen und gesprengte Wohnungen in Dagestan, Die Menschenrechtlerin Jelena Denisenko berät die Opfer dieser Repressionswelle.

Sie ist Anwältin. Doch an Recht und Gesetz in Dagestan glaubt sie nicht mehr. "Die Polizei sucht sich gezielt junge verschleierte Frauen aus und junge Männer mit Bart. Die werden entführt, festgehalten, man nimmt DNA-Proben. Sie sagen, sie wollen eine DNA-Datenbank anlegen für alle Salafisten."

So entführte der Geheimdienst am hellichten Tag einen jungen Mann. Ein 23-jähriger Bäcker, auf dem Weg zu einem Fußballspiel, erklärt Yelena. Er galt als strenggläubig, radikal sei er aber nicht gewesen. "Man geht sehr hart vor gegen die Entführten. Sie werden zusammengeschlagen, erpresst, bedroht, damit sie sich selbst belasten. Sie halten das nicht aus und werden deshalb oft selbst zu Terroristen", sagt Jelena Denisenko.

Land der verlorenen Söhne

Mutter und Ehefrau des entführten Sokhrab Abakar Gajiev
Mutter und Ehefrau des entführten Sokhrab Abakar Gajiev warten verzweifelt auf eine Nachricht. | Bild: NDR

"Polizei von Dagestan, gib uns unseren Sohn zurück" - mit diesen Plakaten geht die Mutter von Sokhrab Abakar Gajiev manchmal demonstrieren. Ganz allein. Seit Monaten wartet die Familie auf ein Lebenszeichen. Sokhrabs Frau erwartet bald ihr erstes Kind. Sie alle fühlen sich wie gelähmt, erzählen sie. "Die müssen uns doch mal sagen wie die Ermittlungen laufen, für welches Verbrechen sie unseren Sohn eigentlich verhaftet haben und wo er steckt. Ob er tot ist. Ist denen das komplett egal?" Über ihre Gefühle mag seine Frau nicht reden, sie könne es auch gar nicht.

Dagestan, Land der verlorenen Söhne. Hier lernen die Kinder früh, die zu hassen, die ihre Väter töten.

Autorin: Golineh Atai, ARD-Studio Moskau

Stand: 15.04.2014 10:47 Uhr

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