So., 16.03.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Referendum auf der Krim
Auf der Krim haben die Bewohner am Sonntag über einen Anschluss der ukrainischen Halbinsel an Russland abgestimmt.
Es ist eine Wahl, die im Westen niemand anerkennt, die Menschen in Simferopol aber stehen Schlange, jeder, den man fragt, will den Beitritt der Krim zu Russland. "Wir haben für Russland gestimmt, mein lieber Freund, denn außer Russland gibt es nichts auf der Welt. Wir sind wieder oben, wir sind wieder stark, verstehen Sie das oder nicht?", sagt eine Wählerin.
Es ist genau diese Stimmung, die man hier bei den Krimtataren fürchtet, ein Vertrauensmann führt uns über einen Hintereingang ins Dorf, Misstrauen gegenüber jedermann, die Minderheit hier fühlt sich bedroht. Die meisten Tataren fühlen sich vollständig überrollt und lehnen das Referendum ab.
"Opfer der imperialen Gelüste Russlands"
Familie Chaibulajew ist auch am Tag der Volksabstimmung zu Hause. Zu Hause, das bedeutet Sicherheit, wenn man bei ihnen sitzt, bekommt man zum ersten Mal das Gefühl vermittelt, draußen auf der Krim herrsche wirklich schon Krieg. "Was soll ich Ihnen sagen, die Situation ist vollständig unberechenbar. Wissen Sie, hier ist alles aufgeheizt. Hier steht Militär auf den Straßen. Das ist eine Bedrohung für uns, wir sind die Opfer der imperialen Gelüste Russlands", sagt Djemalledin Chaibulajew.
Mit Kindern und Enkeln lebten die Chaibulajews in Abchasien. Dort haben sie eine Besetzung durch russische Truppen erlebt. Sie kommen sich jetzt vor wie in einer Zeitschleife.
"Wir mussten aus Abchasien fliehen, wegen des Konflikts, den auch Herr Putin angezettelt hat. Wir sind ohne irgendwetwas in der Hand hierher geflohen, in die Ukraine, nach Hause. Und jetzt kommt er wieder um die Ecke, jetzt, wo wir endlich ein Dach über dem Kopf haben", erklärt Remzija Chaibulajewa. Glaubt die Familie, dass sich die Geschichte wiederholt? "Ja, die wiederholt sich" - ist die Antwort.
"Die sind schon wieder da"
Belek Jalkuvedew, ein weiterer Dorfbewohner erinnert sich: "Ich war 15 Jahre alt, als die Russen 1944 kamen. Die haben uns alle deportiert - da war ich 15. Meine Mutter, meine Schwester und mich haben sie mit den anderen auf dem Friedhof zusammengetrieben und mit riesigen Messern in der Hand wie ein Stück Vieh vor sich hergeschoben und einfach in den Zug geworfen. Das ist das zweite Mal jetzt, das zweite Mal, die sind schon wieder da."
Auf den Straßen von Simferopol beginnen bereits die großen Feiern. Die russische Bevölkerung fühlt sich schon als Sieger. Wie diese Sieger dann mit den anderen Völkern auf der Krim umgehen, das ist eine Frage, die hier noch niemand beantworten kann.
Autor: Stefan Stuchlik, ARD-Studio Moskau
Stand: 06.11.2015 13:58 Uhr
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