So., 16.11.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Südafrika: Raus aus dem Ghetto - Balletttänzer aus den Townships
Zweimal pro Woche eisernes Training: Mahlatsi Dikgale ist erst zehn, aber seit mehr als einem Jahr trainiert er klassisches Ballett. Er ist der einzige Junge in der Klasse. "Ballett hilft mir dabei, mich besser zu konzentrieren, besser zuzuhören bei den ganz normalen Dingen. Ich lerne Disziplin", sagt der Junge.
Kostenlos trainieren Lehrer des Profi-Balletts von Johannesburg die Kinder aus dem Township - seit mehr als zehn Jahren. Mahlatsi kam eher zufällig dazu.
"Ich möchte noch weit kommen"
In der Enge von Mahlatsis Haus war es einfach unvorstellbar, dass jemand von hier etwas macht, dass so eindeutig zur weißen Kultur gehört. Ihre Welt ist eine andere. Sieben Menschen in zwei winzigen Zimmern, Pirouetten und Pliérs gehören nicht zu dem, was wichtig ist. Trotzdem erlaubte die Mutter Mahlatsi das Training und er blieb auch dabei. Jetzt träumt er von einer Tänzer-Karriere: "Ich möchte noch weit kommen. Uns aus diesem kleinen Haus hier bringen. Ich möchte reisen, andere Kontinente sehen, nach Amerika, Frankreich und Deutschland.
"Natürlich kritisieren sie ihn, aber er steckt das weg", meint seine Mutter Mbeki Dikgale. "Sie sagen er sei schwul, weil er Strumpfhosen trägt und das Mädchenkleider sind. Aber ihm ist das egal."
"Warum ist dein Freund so komisch"
Die Welt ist rau im Township und das Männerbild traditionell. Mahlatsi und sein Tanztrainer Lorato sind die Ausnahmen. Denn auch wenn Tanzen hier zum Leben gehört, Ballett tut es ganz sicher nicht. Männer trinken in Kneipen und schrauben an Autos herum. Klischeehaft ist das, was von einem Mann in Alexandra erwartet wird: "Ich hab mich immer auf Fußball konzentriert", sagt eine Freund Mahlatsis, "es war komisch als er Ballett machte. Meine Nachbarn fragen mich immer: 'Warum ist dein Freund so komisch. Ist er schwul oder was?' Die beurteilen ihn nach dem was er anzieht."
"Früher haben sie hier in Alexandra Jungs verprügelt, weil sie Ballett tanzten. Aber jetzt wird es besser, langsam wird es besser. Die Menschen beginnen nach und nach zu verstehen", erzählt Tänzer Lorato Letlape.
Ein großes Tabu
Erste Ballett-Stars hat das Training in den Townships schon hervorgebracht. Thabang Mabaso vom Jobzrg Ballett tanzt ganz vorne mit, musste viel Spott ertragen, blieb aber bei seiner Leidenschaft: "Viele wissen einfach nichts damit anzufangen, sie kennen Ballett einfach nicht. Deshalb ist es wohl ein so großes Tabu. Und dann tanzen wir auch noch in Strumpfhosen. Für Menschen aus unserer Kultur ist das sehr komisch. Es ist sehr fremd. Aber wir tun unser Bestes, um die Leute aufzuklären und zu zeigen, was wir machen."
Dazu gehören auch Meisterklassen für den Nachwuchs. Und es geht bei weitem um mehr als um Tanzschritte. Es geht darum, dass das, was früher einer weißen Elite vorbehalten war, einer breiten Mehrheit in Südafrika zugänglich zu machen. Und um das Lebensgefühl, dass es okay ist, die so verunglimpften Strumpfhosen zu tragen.
"Ich tanze gerne", meint Mahlatsi selbstbewusst. "Hier ist es richtig ernst, beeindruckend." Selbstbewusstsein braucht er, denn am Abend nach seinem Training kehrt er wieder ins Township zurück, wo er wieder einer der wenigen Jungen ist, der Pirouetten übt.
Autor: Ulli Neuhoff, ARD-Studio Johannesburg
Stand: 05.01.2015 09:24 Uhr
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