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Australien/Kambodscha: Kein Weg nach Down Under: Bootsflüchtlinge vor der Abschiebung

Australien/Kambodscha: Kein Weg nach Down Under | Bild: Das Erste
Bootsflüchtlinge vor Australien
16.000 Bootsflüchtlinge sind im vergangenen Jahr an den Küsten Australiens angelandet.  | Bild: picture-alliance / dpa

Reichtum, Glück und vor allem Sicherheit: Australien ist für viele Menschen das Land der Träume. Doch für viele, die den langen Weg nach Australien auf sich nehmen, endet der Traum vom besseren Leben hinter Stacheldraht. Über den ganzen Kontinent verteilt gibt es Internierungslager - so etwas wie der Wassergraben um eine mittelalterliche Festung.

Flüchtlinge kanden dirket im Internierungslager

Australien will ungeliebte Einwanderer auf Abstand halten - 40.000 sind es bis jetzt und es werden immer mehr. "Ich habe in Burma um mein Leben gefürchtet, also habe ich mich nach Australien aufgemacht. Ich dachte, hier bin ich sicher", erzählt ein Flüchtling.

Anonymer Flüchtling in Australien
Die Flucht nach Australien ist lang und gefährlich. | Bild: NDR

Die Bootsflüchtlinge kommen von überall her, aus Afghanistan, Sudan oder Bangladesh. Die Reise ist lang und gefährlich. Sie führt durch Asien oder Afrika nach Indonesien und von dort mit dem Boot nach Australien - geradewegs ins Internierungslager.

Der Aktivist Mark Gillespie ist einer der wenigen, die dort hinein durften. Er ist schockiert von den Zuständen im Lager. Es ist eng, überfüllt, stickig und tropisch heiß. Auch Gewalt ist an der Tagesordnung. "Diese Abschiebeanstalten sind wie Folter. Ich habe junge Mädchen gesehen, die vollkommen traumatisiert sind. Ich habe Jungen gesehen, vielleicht zehn Jahre alt, ihr Blick verfinstert sich, wenn man sie auf das Leben im Lager anspricht.", erzählt Gillespie.

Australien setzt auf Abschreckung

Früher einmal war Australien Einwanderungsland, aber die Zeiten sind längst vorbei. Die Regierung setzt bewusst auf Abschreckung - mit deutlichen Kampagnen im Internet. Kein Bootsflüchtling soll noch kommen.

Abschiebung: Millionenschwerer Deal mit Kambodscha

Menschenrechstaktivistv Ou Virak
Menschenrechstaktivistv Ou Virak sieht die Flüchlingspolitik Australiens sehr kritisch. | Bild: NDR

Und wem es doch gelingt, der muss mit Abschiebung rechnen - in ein unsicheres und armes Land wie Kambodscha. Ausgerechnet hier sollen australische Bootsflüchtlinge bald eine neue Heimat finden. Ein heimlich abgeschlossener Deal mit der kambodschanischen Regierung macht es möglich. "Australien schickt eine starke Botschaft in die Welt - dass das Land Flüchtlinge nicht willkommen heißt. Auf ziemlich kranke Art guckt Australien nach Ländern wie Kambodscha, mit denen sie ins Geschäft kommen können. Die wollen eins deutlich machen: Bei uns sind Flüchtlinge nicht sicher und sie werden auch nicht menschlich behandelt. Und deswegen kommt gar nicht erst nach Australien", sagt der kambodschanische Menschenrechtler Ou Virak. 

Australien lässt sich den Deal viel kosten: 40 Millionen Dollar fließen nach Kambodscha. Mohammed Tayab aus Burma kann davon berichten, wie es ist, Flüchtling in Kambodscha zu sein. Ohne staatliche Hilfe versucht er seit Jahren jeden Tag aufs neue in einer fremden Welt zu überleben. "Ich habe mal angefangen kambodschanisch zu lernen. Aber dafür reicht mein Geld nicht. Ich muss mich entscheiden. Wenn ich die Sprache lernen will, bleibt kein Geld mehr übrig für etwas zu essen."

Das Abkommen zwischen Kambodscha und Australien wirft viele Fragen auf: Kritiker fürchten, die Flüchtlingskinder werden nicht zur Schule gehen können. Sie würden nicht ausreichend ärztlich versorgt. Und werden die Bootsflüchtlinge überhaupt Geld verdienen können?

"In Kambodscha zu überleben ist wirklich schwer. Die eigenen Leute können ja keine jobs finden. Wie sollen das die Flüchtlinge schaffen?", sagt Mohammed Tayab. 

"Hier ist alles korrupt"

Thach Bin, kambodschanischer Vetriebener
Thach Bin wartet auf Gelder für eine neue Hütte. | Bild: NDR

Australien zahlt Kambodscha einen Millionenbetrag. Doch wird das Geld bei den Flüchtlingen ankommen? Auch hier gibt es Zweifel. Für eine neue Bahntrasse sind schon einmal australische Hilfsgelder nach Kambodscha geflossen - eine durch und durch traurige Geschichte. Hunderte einheimische Familien wurden dafür an den Stadtrand von Phnom Penh umgesiedelt. Auf die Hilfsgelder, die sie für neue Hütten bekommen sollten, warten die Menschen noch heute. Wie Ufos in der Landschaft stehen einzig die Toilettenhäuschen und erinnern an ein vollends gescheitertes Projekt mit den Geldgebern in Australien.

"Ich glaube, unser Geld haben sich korrupte Beamte eingesteckt. Hier ist alles korrupt", erzählt Thach Bin, einer der Vertriebenen. "Deswegen werden wir wohl keine Hilfe mehr bekommen." Nicht einmal die Rechte für die eigene Bevölkerung kann Kambodscha garantieren. Das weiß wohl auch die australische Regierung. Sie beschwichtigt: Die Bootsflüchtinge sollen freiwillig nach Kambodscha gehen. Nur wie freiwillig ist die Entscheidung, wenn alternativ einzig die Abschiebehaft bleibt?

"Wir haben ein reiches Land wie Australien, das seine Verantwortung für Flüchtlinge auf eines der ärmsten Laender abwälzt. Wir finden das nicht nur illegal, sondern sehr, sehr enttäuschend", sagt Menschnrechtsaktivist Ou Virak. 

"Flüchtlinge können unsere Gesellschaft bereichern"

Aktivist Mark Gillespie
Aktivist Mark Gillespie durfte ein Internierungslager besuchen. | Bild: NDR

"Ich finde wir Australier sollten offener sein. Diese Flüchtlinge können unsere Gesellschaft bereichern. Wir sollten sie willkommen heißen. Wir sollten sie nicht abschrecken und sie nicht fernhalten von unseren Küsten", meint Mark Gillespie. 

Zurück in Brisbane: "Ich darf nicht arbeiten,ich kann meine Familie nicht sehen, ich leide. Aber nach Kambodscha zu gehen", so sagt ein Flüchtling, "würde mir im Traum nicht einfallen." Der Flüchtling aus Burma lässt sich nicht abschrecken. Er hofft doch noch auf ein glückliches Ende im gelobten Australien nach einer langen, gefährlichen Flucht.

Autor: Philipp Abresch, ARD-Studio Singapur

Stand: 05.01.2015 09:24 Uhr

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