So., 15.06.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Syrien: Rückkehr nach Homs - Leben in Ruinen
Kirchenläuten im Handbetrieb, die Originalglocke ist in Tausende Stücke zersprungen. Der Junge aus der kleinen Gemeinde der Georgskirche im Viertel al-Hamidiyeh ruft zum Gebet. Es ist einer der ersten Gottesdienste der orthodoxen Christen nach dem Abzug der Rebellen.
"Wer hat gewonnen? Niemand!"
Lange Zeit hatten Familien wie die Rabahiyehs das brutal umkämpfte Homs verlassen, zunächst ein Symbol für die heldenhafte Opposition, schließlich ein Symbol für ihre Niederlage. Vor einem Monat sind Mutter, Tochter und Sohn schließlich wieder hierher zurückgekommen. Zurück nach Homs. Zurück in die ehemalige Hauptstadt der Rebellen. Zurück in die Hölle.
"Mehr als drei Jahre Krieg liegen hinter uns. Und wer hat gewonnen? Niemand! Die Muslime haben verloren, und die Christen. Und Syrien hat sein geschichtliches Erbe verloren", sagt Thenasis Makour von der christlich-orthodoxe Kirche Homs. Der Priester Thenasis Makhour wurde in Homs geboren und in den orthodoxen Klöstern Griechenlands ausgebildet.
2.000 christliche Familien haben vor dem Bürgerkrieg allein im Viertel al-Hamidiyeh gewohnt, die Kirche des Heiligen Georg war ihre Heimat. Der Wiederaufbau wird Jahre dauern, die uralten Holzschnitzereien sind verloren.
Christen stehen hinter Machthaber Bashar al-Assad
Ganz unbeteiligt sind die syrischen Christen nicht, an dem, was mit Homs und anderen Städten in Syrien geschehen ist, denn sie sind Teil des Konflikts. Wie alle religiösen Minderheiten stehen auch die Christen hinter der Regierung und dem Machtsystem von Bashar al-Assad.
Familien wie die Rabahiyehs stellten sich gegen die syrischen Oppositionellen, die vor gut drei Jahren der Regierung den Kampf ansagten. Als die Kämpfe zu brutal wurden, flüchteten sie ins Umland. Dort blieben sie über zwei Jahre.
Vor vier Wochen ließ die Armee die letzten Oppositionellen aus den Ruinen abziehen - ein großer Triumph für das Regime Assad. Kurz danach kam die Familie zurück. Ihre letzten Geldreserven sind für den Generator, den Diesel und ein wenig Essen drauf gegangen.
"Wir können schon einen Tee kochen"
Eigentlich haben die Rabahiyes noch Glück gehabt, wenn man ihr Schicksal mit dem von anderen Familien vergleicht, die mehrere Verwandte und ihre Wohnung verloren haben. Doch wegen des Krieges konnte der Vater medizinisch nicht angemessen betreut werden, sodass er starb.
"Ich habe immer daran geglaubt, dass wir zurückkehren werden in unsere Wohnung. Wie schlimm es jetzt auch sein mag, ich werde bleiben, für immer. Wir können schon einen Tee kochen, und sogar ein wenig duschen. Ich habe sofort die ganze Straße vom Schutt befreit und überall gefegt. Wenn jetzt auch noch unsere Nachbarn zurückkommen, dann werden wir es schaffen, hier wieder zu leben", sagt die Witwe Diana Rabahiyeh.
Leben kehrt zurück
Homs ist in Teilen dem Erdboden gleich gemacht. Aleppo ist zerstört. Über 150.000 Menschen sind gestorben. Das ist der Preis des Bürgerkriegs. Doch im Christenviertel von Homs glaubt man, nun das Schlimmste hinter sich zu haben. Die Armee hat die drittgrößte Stadt wieder unter Kontrolle, nicht zuletzt dank der Schützenhilfe durch die libanesische Hisbollah.
Noch sind nicht viele Christen in ihre Heimatstadt zurückgekommen - vielleicht 500 Menschen. Solche, die sich ein Leben außerhalb von Homs nicht vorstellen können. Oder solche, für die ein Sieg von Bashar al-Assad Hoffnung bedeutet.
Das Leben kehrt zurück in die Gassen von Homs, in denen man 30 Monate nur Detonationen und Gewehrschüsse gehört hat. Von Tag zu Tag kommen mehr Heimkehrer. Auch wenn andernorts weiter gekämpft wird - jetzt, da ihr Schutzpatron Assad ihre Heimatstadt zurückerobert hat, kehren die Christen zurück nach Homs. Für sie ist der syrische Bürgerkrieg zuende.
Autor: Thomas Aders, ARD-Studio Kairo
Stand: 05.01.2015 09:28 Uhr
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