So., 26.01.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Zentralafrikanische Republik: EU-Mission impossible?
Im Stadtteil Kilimotre 5 in der Zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui lebt vor allem die muslimische Minderheit. Bis vor Kurzem war das noch in friedlicher Nachbarschaft mit den Christen möglich. Nahe der Moschee stehen vier Kirchen. Heute liegen in der Moschee vier Leichen.
294 Tote, erzählt uns Leichenwäscher Wassiri Yaya, hätte er in den letzten zwei Monaten gewaschen. Einige seien erschossen, die meisten mit Macheten niedergemetzelt worden.
"Wir können hier nicht mehr leben"
Ein paar Schritte von der Moschee entfernt treffen wir Amar Beniassiri Er ist Geschäftsmann, hatte auf dem Markt von Kilometre 5 einen kleinen Elektro-Laden. Jetzt verkauft er hastig sein ganzes Hab und Gut. Seinen Onkel hätten christlichen Milizen schon umgebracht. Jetzt müssten er und seine Familie schnellstens das Land verlassen, damit ihnen nicht das Gleiche passiert. Sein Nachbar, ein Christ, mit dem Amar Beniassiri aufgewachsen ist, kauft ihm das Kinderfahrrad und den Fernseher für einen Spottpreis ab.
"Ich bin hier geboren, meine ganze Familie. Das ist unsere Heimat. Wir sind Zentralafrikaner. Aber wir können nicht mehr hier leben. Einen Mann, den Du heute noch Deinen Bruder nennen würdest, könnte Dich morgen umbringen", sagt Beniassiri.
Hunderte Muslime hier im Viertel sind bereits geflohen. Die meisten ins muslimische Nachbarland Tschad.
"Muslime haben es verdient"
Wir finden das Haus von Amar Beniassiris getötetem Onkel. Es ist zerstört und geplündert. Die Muslime hätten es nicht anders verdient, empört sich Falvie Evelyne, eine christliche Bewohnerin des Viertels.
Flavie hat selbst alles verloren, erzählt sie. Sie führt uns zu ihrem Haus. Schreckliche Erinnerungen kommen hoch. "Die muslimischen Rebellen sind hierher gekommen, haben die Tür eingebrochen und das Geld, das ich im Koffer versteckt hatte, gestohlen. Dann sind sie erst mal gegangen. Aber sie kamen wieder und haben meinen Mann umgebracht. Vor meinen Augen. Jetzt habe nichts mehr. Ich weiß nicht, wie ich mich und meine Kinder durchbringen soll."
Angestachelter Kampf von alten und neuen Machthabern
Die "muslimischen Rebellen", das sind die sogenannten "Seleka". Im März letzten Jahres haben sie mit Michel Djotodia an der Spitze die Regierung gestürzt und die Macht übernommen. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes wurde ein Muslim Präsident.
Djotodias Seleka-Rebellen plündern und morden, rächen sich, wie sie sagen, für die "jahrelange Unterdrückung" durch die Christen. Djotodia muss schließlich abdanken. Der Kampf heute ist deshalb auch angestachelt von alten und neuen Machthabern.
Show-Einlage für die Kamera
Als Gegenwehr zu den muslimischen Seleka-Rebellen hat sich eine christliche Bürgerwehr gebildet, die "Anti-Balaka". Die Milizen sind abenteuerlich bewaffnet und wirken zugedröhnt - eine ungute Kombination. Bei der Ansprache des Anführers sind wir dabei: Er gibt die neue Marschrichtung vor: "Wir haben jetzt eine neue Präsidentin, wir müssen sie respektieren und unsere Waffen abgeben." Das ist ganz klar eine kleine Show-Einlage für unsere Kamera.
Draußen frage ich die Milizen, was sie wirklich von einer Entwaffnung halten. "Das ist die Waffe mit der ich die Seleka-Typen umgebracht habe. Mehr brauche ich nicht. Alle Muslime sind Anhänger der Seleka. Sie sind alle Kriminelle. Sie müssen alle weg, das schwöre ich bei meinem Namen: Ich bin Apache", sagt einer von ihnen. Keine weitere Nachfrage wird gestattet.
Muslime fühlen sich schutzlos ausgeliefert
Die französischen Soldaten haben bisher vor allem die muslimische Seleka entwaffnet. Mit der Christen-Miliz wird bislang vor allem der Dialog gesucht. Viele Muslime fühlen sich schutzlos. Tag für Tag kommt es zu Lynchjustiz an ihnen. Und dann wieder zu Racheakten an Christen. Die Franzosen geben zu, sie hätten den Hass unterschätzt.
Vereint im Leid
Das Krankenhaus ist voller Kriegsverletzter. Hier liegen sie dann wieder nebeneinander, Christen und Muslime. Barbara ist 18, Schülerin im letzten Jahr und Christin. Trotzdem wurde sie von christlichen Milizen angeschossen – und hat ein Bein verloren. "Ich habe doch nur meine zwei Beine, die mich zur Schule tragen. Jetzt hab ich nur noch eins. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich hab doch bald Prüfungen", sagt sie weinend.
Karl Eiter von Ärzte ohne Grenzen ist besorgt. "Ich denke, es ist vergleichbar, mit dem was sich damals in Ruanda abgespielt hat. Also für mich ist das ein Genozid, der hier stattfindet." Leiden tun die ganz normalen Männer, Frauen und Kinder - egal welcher Religion sie angehören.
Autorin: Shafagh Laghai, ARD-Studio Nairobi
Stand: 27.01.2015 09:31 Uhr
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