So., 20.07.14 | 19:20 Uhr
Italien: Abgeschleppt - Das schwierige Erbe der "Costa Concordia"
Zum ersten Mal sehen wir an diesem Morgen den Bug des Wracks aus dem Wasser ragen. Über sechs Meter ist die Costa Concordia bis jetzt wieder aufgetaucht - die Hälfte ist geschafft. Aus dem Schiffinneren sind neue Bilder aufgetaucht. Sie zeigen eine gespenstische Atmosphäre - wie auf einem Geisterschiff. Wenn das Wrack endlich weg ist, wartet schon der nächste Knochenjob auf die Bergungsspezialisten. Tief unten liegt noch ein weiterer tonnenschwerer Stahlkoloss. Eine gigantische Plattform, die aufwändig errichtet wurde, um das auf den Felsen gestrandete Schiff zu bergen. Nun soll auch sie wieder weg.
Unterschriften gegen den Abriss
Doch ausgerechnet bei den Bewohnern der Urlaubsinsel wächst der Widerstand gegen den Abriss der Unterwasserplattform vor Giglo. In den Hafenbars sammelt eine Bürgerbewegung bereits Unterschriften. Im Mittelpunkt steht Franka Melis. Sie und ihre Mitstreiter wollen die spektakulären Relikte der Katastrophe unbedingt erhalten und künftig für den Tourismus nutzen, als Attraktion für Taucher. Franca Melis erklrät: "Tut mir leid, aber wir müssen auch an den wirtschaftlichen Aspekt denken, weil unsere Insel sehr gelitten hat. Aber wenn diese Plattform bleibt, dann könnte dashier das Disneyland unter Wasser werden.
Ein Freizeitpark dort, wo die Schiffskatastrophe passierte? Es klingt bizarr. Bevor das Stahlgerüst errichtet wurde, war das Riff ein beliebtes Ausflugsziel für Taucher - treue Stammurlauber im Naturschutzgebiet rund um die Insel. Doch nach der Havarie kamen nur noch tauchende Bauarbeiter, hämmerten Dutzende Stahlpfeiler in den Granitfelsen und versenkten so viele Zementsäcke als Stütze für das Wrack, dass man eine Kleinstadt damit hätte bauen können. Das alles wieder abzureißen - ein erneuter Eingriff in die Unterwasserwelt. Für Franca Melis ist klar: "Das wäre ein enormer Schaden, die Plattform zu entfernen. Denn Flora und Fauna dort unten haben sich gerade wieder erholt, nachdem die Costa Concordia die Unterwasserwelt zerstört hatte.
Auch deshalb sammelt sie Unterschriften gegen die geplanten Abrissarbeiten der Plattform. Doch nicht jeder ist davon begeistert zu sein. Es gibt auch Gegenwind - wie dieser Gigliese unmissverständlich deutlich macht.
Die Plattform spaltet die Insel, genau wie das Schiff
Mit der Bergung wurde im Hafen von Giglio Profit und auf der anderen Seite der Insel Verlust gemacht wurde wie hier in Campese. Seit die Costa Concordia vor Giglio liegt, sind viele Gäste der Tauchschulen ferngeblieben. Heute hat Tauchlehrer Aldo Bafigi wenigstens ein bisschen Kundschaft an Board. Die Plattform als Tauchattraktion - für Aldo auch eine existentielle Frage: "Die Plattform ist die letzte Chance, wieder ein bisschen Geld reinzuholen, was wir verloren haben. das ist der Punkt."
Wie denken Überlebende der Havarie über diese Pläne? Wir treffen Pablo Lazaro. Er ist extra aus Spanien angereist, will den Abtransport der Costa Concordia beobachten - um sein eigenes Trauma zu verarbeiten. In der langen Unglücksnacht war er als einer der letzten gerettet worden. Noch heute hat er schlaflose Nächte: "Ich hätte auch sterben können, ich war dort. Ich fühle mit den Angehörigen der Toten, denn ich habe denselben Horror durchlebt. Wenn mit der Plattform jemand Geld verdient, ist das morbide."
Auch der Umweltminister macht bei seinem Besuch auf der Insel deutlich: Wie mit der Rederei vereinbart, muss alles wieder weg - auch die Plattform. Und auch Giglios Bürgermeister schwenkt auf die Seite der Plattformgegner ein. Sergio Ortelli sagt: "Dem Minister jetzt eine Petition vorzuglegen ist unhöflich und eine Zeitverschwendung." Dazu meint Franca Melis: "Wenn sich Bürgermeister als Hausherr nicht gegen den Minister durchsetzen kann, dann kann ja jeder kommen und Schaden anrichten."
Auch Frankas Partner ist vom Tauchtourismus abhängig und sicher, dass die Mehrheit auf Giglio hinter ihren Plänen steht. Ihre Wut wächst. Mit jedem Meter, den das Wrack wieder emporsteigt. Für sie geht das Drama um das schwierige Erbe der Costa Concordia weiter.
Autor: Mike Lingenfelser, ARD-Studio Rom
Stand: 01.09.2014 10:21 Uhr
Kommentare