Mo., 09.11.15 | 04:50 Uhr
Das Erste
Aung San Suu Kyi – verehrt wie eine Heilige
Der Lautsprecherwagen holpert durch den Wolkenbruch. Die Fans von Aung San Suu Kyi sind unterwegs zur großen Wahlparty in Yangon. "Ich bin für Aung San Suu Kyi. Für die Armen wird sie Gutes tun. Die Wirtschaft, die Bildung – sie wird alles umkrempeln. Und deswegen unterstütze ich sie", sagt einer der Teilnehmer auf dem Wagen.
Myanmars Superstar
Keine Partei kann mehr Menschen mobilisieren als Suu Kyis Partei, die Nationale Liga für Demokratie. Fast 50.000 Menschen sind gekommen. Und mit ihnen die vielen Erwartungen an Myanmars Superstar. Thu Zar ist freiwilige Helferin. Sie ist das erste Mal in ihrem Leben auf einer so großen politischen Kundgebung: "Ich liebe Suu Kyi wie meine eigene Mutter. Meine ganze Hoffnung steckt in Aung San Suu Kyi."
Empfangen wird sie wie eine Königin. Suu Kyi ist die Tochter von Aung San, Myanmars Freiheitskämpfer und Nationalheld. Und als solche ist "die Lady" selbst eine moralische Autorität. Mama Su, rufen sie die Menschen. Ihr Leben steht für das, was viele in Myanmar jahrzehntelang ertragen mussten: Willkür, Angst und Unterdrückung durch das Militär.
15 Jahre unter Hausarrest
Ein halbes Jahrhundert haben die Generäle geherrscht, sagt Suu Kiy. Jetzt sei die Zeit gekommen für echte Demokratie. Auf diesen Moment hat sie lange gewartet: Vor 25 Jahren hatte sie schon einmal haushoch eine Wahl gewonnen. Das Militär ignorierte das Ergebnis und stellte Suu Kyi 15 Jahre unter Hausarrest – und mit ihr ein ganzes Land. Jetzt träumen die Menschen vom Wandel.
Ein Hemd mit dem Aufdruck "Time for change" sei der Bestseller, erzählt ein Verkäufer. Alles im Land müsse sich ändern. Dass eine riesige Wahlparty überhaupt möglich ist, zeigt, wie sehr sich Myanmar schon verändert hat. Vor fünf Jahren haben die Generäle das Land überraschend geöffnet. Beinahe über Nacht haben sie weitgehende Reformen verordnet. Nur die Verfassung ist noch unverändert. Sie verhindert im Moment, dass Suu Kyi Präsidentin werden kann.
"Wir wollen 100 Prozent aller Sitze"
"Wenn ihr wirklichen Wandel wollt", ruft sie ihre Anhänger auf, "dann nur mit uns. Wir wollen 100 Prozent aller wählbaren Sitze." Suu Kyi will an die Macht – unbedingt. Das Militär hat sich ein Viertel der Sitze im Parlament vorab gesichert. Schon deshalb muss Suu Kyi haushoch gewinnen. Zu brisanten Fragen schweigt sie deshalb lieber. Zum Beispiel zu den ungeliebten muslimischen Minderheiten. Die Friedensnobelpreisträgerin ist jetzt Machtpolitikerin.
"Wenn Suu Ky gewinnt", sagt Thu Zar, "und vielleicht doch irgendwann Präsidentin wird, dann hoffe ich, wird sie vor allem für uns junge Menschen etwas tun." Suu Kyi schwebt durch die Massen, schon jetzt gefeiert wie eine Siegerin. "Wenn wir an die Macht kommen", hat Suu Kyi angekündigt, werde ich über dem Präsidenten stehen. Noch mächtiger als der Mächtigste im Land: Suu Kyi hat einiges vor, um die vielen Erwartungen ihrer Fans zu erfüllen.
Autor: Philipp Abresch, ARD-Studio Singapur
Stand: 10.07.2019 01:16 Uhr
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