So., 01.02.15 | 19:20 Uhr
Das Erste
Saudi-Arabien: Anti-Terrorkampf im Königreich
Stacheldraht gegen den Terror: Ein Zaun mit Radar und Kameras, 836 km lang, von Kuwait bis Jordanien. Saudi-Arabien hat seine Nordgrenze dicht gemacht. Auf der anderen Seite der Irak. Dort beherrscht die Terrormiliz Islamischer Staat große Landesteile. Anfang Januar hatten hier IS-Teroristen versucht, ins Land zu kommen.
"Kein Platz für Mitgefühl"
Aus dem Kontrollraum steuern die Grenzschützer ihre Kameras. Feindliche Annäherungen von außen können sie schnell erkennen. Die Terroristen wurden am Ende alle getötet, aber auch drei Grenzwächter kamen ums Leben. "Wir brauchen unbedingt internationale Kooperation, um die Extremisten in die Schranken zu weisen und unschädlich zu machen. Da ist kein Platz für Mitgefühl - kein Erbarmen mit dieser Gruppe , die das Blut Unschuldiger vergießt", sagt General Ali Ben Mohammed Assiri vom Grenzschutz Saudi-Arabien.
Angst vor Selbstmord-Attentätern
Saudi-Arabiens Polizei führt uns stolz ihre Anti-Terror-Einheiten vor. Sie trainieren für den Einsatz in saudischen Städten, denn die Nordgrenze ist zwar dicht, aber womöglich sind die IS-Anhänger längst im Land. Die vier, die Anfang Januar am Zaun getötet wurden, waren alles Einheimische. 2.500 Saudis sollen für den IS kämpfen. Bomben werden zum Beispiel in Geschenkkartons oder Büchern versteckt - tückische Sprengfallen.
Doch islamistische Terrorgruppen wie IS oder Al Nusra setzen vor allem auf Märtyrer-Operationen: Selbstmord-Attentäter mit Sprengstoff-Westen. "Man sieht davon praktisch gar nichts,“ erklärt uns Oberst Al-Shetry Hussam, "es trägt nur so ein bisschen auf. Es gibt Möglichkeiten, solche Westen zu entschärfen und abzunehmen, wenn der Terrorist sich ergibt, aber meist endet es mit einer Expolsion."
Westlicher Lebensstandard und ultrakonservativer Islam
Riad ist die Hauptstadt Saudi-Arabiens. Von hier aus haben Saudis Jahrezehnte Islamisten weltweit finanziert. Heute ist Saudi-Arabien Partner im Kampf gegen IS-Terror. Westlicher Lebensstandard und ein ultrakonservative Islam mit öffentlichen Enthauptungen. Seit 2014 hat Saudi-Arabien ein scharfes Anti-Terrorgesetz. Das trifft Extremisten, aber auch Bürgerrechtler, die seither nicht mehr erkannt werden wollen, wenn sie offen sprechen .
Anti-Terrorgesetz und die Folgen
"Wenn man twittert, dann kann man als Terrorist angeklagt werden. Wenn eine Frau Autofahren will, wie es zwei Aktivistinnen passiert ist, dann müssen sie sich vor einem Anti-Terror-Sondergericht verantworten. Das Gesetz ist so unklar, dass alles mögliche als Terrorismus verfolgt werden kann. Und das bedeutet für Menschenrechtsaktivisten eine Gefahr“, sagt eine Aktivistin, die sich aus Angst nur verhüllt vor der Kamera zeigt.
1.000 Stockhiebe und zehn Jahre Haft für ein Diskussionsforum im Internet - das ist das Urteil für den Blogger Raif Badawi. In Saudi-Arabien gilt die Forderung nach Meinungsfreiheit offenbar als Bedrohung der Stabilität. "Entweder die Leute dürfen reden und sich politisch betätigen - oder sie werden irgendwann Gewehre und Munition haben. Es gibt keine andere Lösung", sagt die Aktivistin.
Geistliche unterstützen Königshaus
In Saudi-Arabien sind Religion und Politik eng verbunden. Das Königshaus unterstützt eine besonders strikte Interpretation des Islam. Im Gegenzug stellen die Geistlichen die Herrschaft des Königs nicht in Frage. Ahmed Seif Al-Din gehört zu den wichtigen Rechtsgelehrten hier. Umgeben von Kriegen und Konflikten, müsse Saudi-Arabien vor allem einig sein. Terroristen, die sich gegen Herrscher auflehnen, die würden scheitern: "Sie gießen nur noch Öl ins Feuer, aber sie werden nichts erreichen. Regierungen sind stark, sie haben Macht, sie haben Waffen, man kann nicht gegen eine Regierung kämpfen. Wir werden dieses Land nicht sicher erhalten können und wir werden die Brände um uns herum nicht in den Griff kriegen, wenn wir nicht fest mit unseren Führern zusammenstehen und gemeinsam nach Lösungen suchen, statt noch mehr Unruhe zu stiften."
"Das wird hier übel enden"
Einigkeit als Bürgerpflicht, Kritik unerwünscht: "Seit Menschengedenken bestimmt in Saudi-Arabien nur einer. Das wollen viele nicht mehr. Sie wollen mitgestalten. Und wenn man dem Wunsch dieser vielen jungen Leute nach politischer Teilhabe nicht entgegenkommt, dann wird das hier übel enden", glaubt die Aktivistin.
Saudi-Arabien schottet sich ab. Gegen Extremisten von außen und Veränderung von innen. Menschenrechtler werden zu Staatsfeinden - und das alles im Namen des Kampfes gegen den Terror.
Autor: Volker Schwenck, ARD-Studio Kairo
Stand: 01.02.2015 21:35 Uhr
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