Mo., 22.10.18 | 04:50 Uhr
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Uruguay: Wenn Haschisch legal wird – ein Jahr nach der Cannabis-Legalisierung
Kanada hat erst vor einigen Tagen den staatlichen Verkauf und Konsum vom Cannabis per Gesetz erlaubt. Aber schon vor gut einem Jahr hat Uruguay als weltweit erstes Land die Droge legalisiert.
Wir sind irgendwo in Uruguay. Martín Colazo will nicht, dass wir sagen, wo genau. Sein Ziel ist geschützt mit einer Starkstromanlage. Sicherheit für seinen Garten ist Martín wichtig. Es gehe schließlich um eine wertvolle Ernte: Cannabis.Noch sind es zarte Pflänzchen, die Martín hier mit seinem Cannabis-Klub anbaut. In Uruguay ist das mittlerweile völlig legal. "Cannabis wird in Uruguay allmählich anerkannt. Wir Konsumenten haben jetzt die gleichen Rechte wie die restlichen Bürger, die andere Drogen wie Alkohol und Tabak zu sich nehmen", erklärt Martín Colazo vom Cannabisklub.
Ebenso gesichert im Container des Cannabis-Klubs: Die letzte Ernte. Mehr als 120 Kilo Marihuana für Martín und die 44 Klubmitglieder. Einige Sorten mit mehr berauschender Wirkung, andere mit weniger – je nach Geschmack.
Martín bringt heute die neue Lieferung zu den anderen. Gras aus Eigenanbau. Die Inhaltsstoffe wurden von einem Institut geprüft. Martín weiß, was er hier erntet. "Für uns ist es ein radikaler Wandel, seit wir legal anbauen dürfen. Früher mussten wir vom Schwarzmarkt Cannabis aus Paraguay kaufen. Das war extrem ungesundes Marihuana von ganz schlechter Qualität."
Staatlich kontrollierter Cannabis aus der Apotheke
Neben dem traditionellen Mate-Tee ist Cannabis seit der Legalisierung 2017 in Uruguays Hauptstadt Montevideo allgegenwärtig. Wer es nicht selbst anbauen will, so wie Martín, kauft Cannabis in einer Apotheke. Hier gibt es sowohl Medikamente für "normale" Kunden – als auch Zubehör für Kiffer: Wasserpfeifen und Zigarettenpapier. Und: staatlich kontrolliertes Cannabis. Für manchen die Erlösung am Ende eines Tages: "Ich kaufe zum ersten Mal in der Apotheke Gras. Ganz ehrlich: Ich werde das jetzt echt genießen. Ich rauche sogar die Verpackung", sagt Kunde Juan Calabria.
Der Apotheken-Besitzer muss kontrollieren, wer Cannabis kauft - per Daumen. Der Abdruck wird mit der offiziellen Datenbank abgeglichen. Wer registriert ist, bekommt das Staats-Gras – es sei denn, er hat sein Wochenkontingent schon ausgeschöpft. Patienten und Kiffer – zwei Klientel in einer Apotheke. "Immer mehr Leute akzeptieren das. Auch die Konservativsten. Klar gab es anfangs auch Gegner dieser Praxis. Doch Uruguay ist diesen Weg konsequent gegangen", sagt Apothekenbesitzer Sergio Redin.
Politischer Pragmatismus
Uruguay ist ein kleines, aber vergleichsweise stabiles Land in Südamerika. Und mit ungewöhnlichem politischem Pragmatismus, der aber nicht jedem gefällt. "Die Kiffer sind immer zugedröhnt. Die können Leute umbringen, die klauen, die vergewaltigen. Das läuft aus dem Ruder." Oder: "Sie haben das Gesetz geändert. Ich sehe nicht, was daran gut sein soll."
Laut Umfragen ist eine knappe Mehrheit für die Legalisierung, sagt der Leiter der Cannabisbehörde, die direkt dem Präsidenten untersteht. Doch ist jetzt nicht der Staat eine Art Dealer? „"Diese Entscheidung ist absolut demokratisch gefällt worden. Schwarzmarkt-Drogenhandel bleibt weiterhin illegal. Legal ist aber, dass wir als Staat Cannabiskonsum erlauben, mithilfe registrierter Produzenten und Konsumenten, die wir streng kontrollieren – übrigens auch bezüglich Geldwäsche", sagt Diego Oliveira, Präsident Cannabisbehörde. So will Uruguay allmählich den Schwarzmarkt austrocknen.
Wachstumspotenzial im medizinischen Cannabis
Jetzt kommen immer mehr Cannabis-Touristen nach Uruguay – auch wenn sie laut Gesetz nicht selbst Marihuana kaufen dürfen. Für Eduardo Blasina sind es in jedem Fall goldene Zeiten. Der Agrarökonom züchtet gerade die medizinischen Pflanzen. Cannabis als Mittel für Schmerzpatienten. Ein neuer Wirtschaftszweig in Uruguay: "Cannabis zum Kiffen ist wirtschaftlich kaum interessant. Klar: Viele Kiffer fühlen sich jetzt freier. Aber das wahre Wachstumspotenzial liegt für mich im medizinischen Cannabis", sagt Eduardo Blasina.
Eduardo will bald schon auf zehn Hektar medizinisches Cannabis anbauen und so von der Legalisierung profitieren: "Mein Traum ist, dass Uruguay ein bedeutender Exporteur von medizinischem Cannabis wird. Vor allem nach Deutschland. Denn wir sind ein Land, das als vertrauenswürdig angesehen wird."
Uruguay – eine kleine Nation geht ihren Sonderweg. Ob es immer mehr Länder nachmachen? Abwarten.
Autor: Matthias Ebert, ARD Studio Buenos Aires
Stand: 29.08.2019 02:02 Uhr
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