So., 16.02.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Nepal: Weniger Müll am Mount Everest
Nur diese Hängebrücke führt ans Ziel, zum höchsten Berg der Welt, dem Mount Everest. Jahr für Jahr lockt dieses Naturparadies immer mehr Menschen an. Bis zu 500 neue Touristen pro Tag tummeln sich auf der Trekkingroute.
Mehr Touristen bedeutet gleichzeitig auch mehr Müll
"Schon faszinierend, die Faszination Berge auf jeden Fall, dann natürlich der höchste Berg der Welt", sagt Patrick Laudien, Tourist. Es ist eine Bergregion ohne Straßen und ohne große Infrastruktur. Nur zu Fuß geht es voran. Fast alles, was man oben benötigt, muss hochgetragen werden: Lebensmittel, Dosenbier, Chips und Toilettenpapier, sogar das Gas für die heiße Dusche.
Und mehr Touristen bedeutet gleichzeitig auch mehr Müll. Der muss zu Fuß aus den Dörfern getragen werden – geschätzt etwa 400 Tonnen jährlich. Der Schwede Tommy Gustafsson lebt seit mehreren Jahren hier, ist fest verwurzelt in der Gemeinschaft. Und kennt die Schwierigkeiten.
"Der Tourismus war Segen für das Tal, für die Menschen, die hier leben. Es hat ihr Leben verbessert, den Lebensstandard erhöht. Sie haben jetzt Schulen und Krankenstationen. Aber natürlich hat der Tourismus auch Nachteile. Und Müll ist einer davon", ezählt Tommy Gustafsson.
Ein gewaltiges Problem sind Plastikflaschen
Seit einigen Jahren stehen überall Mülleimer am Wegesrand, eine lokale Müllorganisation hat bisher mehr als 100 davon aufgestellt. Sie werden auch regelmäßig geleert, aber hier auf über 2.800 Metern landen Dosen und Plastikflaschen am Ende hier – auf offenen Müllkippen. "Aber die Frage ist, was machen sie dann damit. Und im Moment passiert nichts weiter damit, es bleibt einfach hier liegen und fängt natürlich durch Regen und Schnee irgendwann an zu rosten", so Tommy Gustafsson.
Metall und Bierdosen bleiben oft liegen, Papier und Plastik werden hier verbrannt. "Das ist definitiv nicht gut für die Umwelt. Das ist Luftverschmutzung, und alles was davon übrigbleibt, verunreinigt auch den Boden", sagt Tommy Gustafsson.
Ein gewaltiges Problem sind Plastikflaschen. Touristen sollen in der Höhe viel trinken, um nicht höhenkrank zu werden. Pro Tour und Tourist ca. 40 Flaschen macht jährlich geschätzt 2 Millionen. Lhakpa Sherpa bietet deshalb in seiner Touristenunterkunft gereinigtes Trinkwasser an. Und er trennt den Müll, im Gemeinschaftsraum und in seiner Küche.
Weniger Müll dank einer pfiffigen Idee
Anschließend landet der Müll getrennt dann hier. Bierdosen und alles nicht-brennbare werden ab und zu von der lokalen Müllorganisation abgeholt. Der Rest wird auch hier verbrannt. "Das ist nicht gut für die Umwelt, aber wir haben keine Möglichkeiten, wir können Plastik und Papier nicht wiederverwenden oder recyclen, das ist unmöglich in dieser Höhe", erzählt Lhakpa Sherpa, Lodgebesitzer.
Vor Jahren gab es schon mal die Idee, in diesem Gebäude Plastik- und Papiermüll umweltverträglich zu verbrennen. Heute passiert hier nichts mehr, zeigt uns Tommy Gustafsson. "Okay, es ist halbvoll, Müll bis hier hin, überall."
Hier drin war ein moderner Müllverbrenner, aber der Plan ging schief. "Das Problem war, dass man sehr viel Diesel brauchte, um den Müllverbrenner auf knapp 1.000 Grad, 950 Grad aufzuheizen. Und Diesel hier hochzubringen, ist eine große Herausforderung", erzählt Tommy Gustafsson.
Gemeinsam mit der lokalen Müllorganisation will der Schwede es mit einem neuen Projekt diesmal besser machen. "Das ist der Beutel, den wir Bring-mich-zurück-Beutel nennen und er enthält 20 zerkleinerte Plastik-Wasserflaschen. Anstatt die Plastikflaschen tatsächlich hier zu behalten und zu verbrennen, schreddern wir sie in kleine Flocken und verpacken sie dann in diesen Beutel.Und wir fragen die Leute, ob sie Lust haben, einen Beutel mitzunehmen. Das ist keine Pflicht, aber wenn ihr wollt, können ihr ihn runter zum Flughafen nach Lukla bringen", erzählt Tommy Gustafsson.
Geschreddertes Plastik kommt in einen Beutel
Von dort wird der Müll nach Kathmandu geflogen und recycelt. Maximal ein Kilo sauberes Plastik steckt in jedem dieser Beutel. "Du nimmst drei? Bist du sicher? Oh mamamia", sagt Tommy Gustafsson. "Ich habe zwei Trekkingkunden und sie haben keinen Müll mitgenommen, deswegen nehme ich drei mit. Es gibt hier sehr viel Müll, deswegen ist sowas hier sehr wichtig", erzählt Sonam Sherpa, Trekkingguide.
Gustafsson rechnet: Wenn jeder Tourist und Guide einen einzigen Beutel mitnimmt, könnten rund 80 Tonnen Plastik (pro Jahr) rausgebracht werden.
"Ich denke das wird einige Jahre in Anspruch nehmen, bis sich das System etabliert. Ich hoffe, sollte ich in 10 Jahren hier sein, dass man hier keine Müllkippe mehr sieht", hofft Patrick Laudien, Tourist.
"Wenn sich jeder einzelne den Konsequenzen seines Handelns bewusst ist, kann er auch Teil der Lösung sein. Und wir glauben, dass das ein Ansatz ist, der wahrscheinlich mehr bewirken wird, als einfach eine Regierung oder einen Politiker zu bitten, das Problem zu lösen", so Tommy Gustafsson.
Bisher wurden mehr als 5.000 Beutel zu Fuß aus dem Naturparadies getragen, das sind rund 5 Tonnen Müll. Ein Anfang ist also gemacht – am höchsten Berg der Welt.
Autorin: Lisa Seemann
Stand: 16.02.2020 20:26 Uhr
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