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Niederlande: Das coole Altenheim

Niederlande: Das coole Altenheim | Bild: WDR

Was Joel hier aus seinem Kofferraum fischt, verrät nicht wirklich seinen Beruf. Irgendwas zwischen Basteln, Clown und Kindergeburtstag? Klar ist nur: Damit verführt er die stursten Sesselhocker zur Bewegung. Seine Kundschaft weiß jedenfalls sofort Bescheid, wenn er anrollt: "Der Rollator ist für die Bewohner sehr erkennbar. Wenn ich hier mit meinen Sachen komme, dann sehen sie sofort: Da ist wieder der Joel. So sind wir mit dem ganzen Zeug auch sehr mobil."

Die Bewohner:innen in diesem Pflegeheim in Rotterdam sind in vielerlei Hinsicht eingeschränkt. Die meisten können sich bewegen, wollen es aber nicht. Sandra ist da eine Ausnahme. Brav tritt sie in die Pedale, vor niederländischem Fahrradleben. Sehr gesund und auch ein wenig öde. Währenddessen baut Joel für sie eine einfach improvisierte Minigolfanlage auf. Denn sowas liebt Sandra tatsächlich. "Die Physiotherapie behandelt Leute heilend, nämlich dann, wenn sie ein Problem mit ihrem Bewegungsapparat haben. Wir hingegen arbeiten präventiv, indem wir Menschen bewegen. Die Physio ist für sie ein Muss, also Fitness als Pflicht. Doch das funktioniert oft nicht. Ich hingegen bin für den Spaß zuständig, damit sie immer wieder gerne kommen", erklärt der Bewegungsanimator. "Ja, gut. Golfball haben wir nicht. PingPong tut’s auch."

Bewegungsanimator mit Leib und Seele

Niederlande: Joel Kruesselbrink hat pfiffige Ideen, um Leute auf Trapp zu bringen.
Niederlande: Joel Kruesselbrink hat pfiffige Ideen, um Leute auf Trapp zu bringen. | Bild: WDR

Joel hat immer gute Laune, vor allem aber hat er Geduld und Zeit. Genau dafür hat ihn die Heimleitung engagiert. Bücken, Konzentrieren, Zielen. So einfach ist das alles nicht. Die Röte in Sandras Gesicht ist nicht nur Zeichen der Aufregung. "Ja, der Joel ist eine Ausnahmeerscheinung in der Krankenpflege. Das liegt daran, dass er immer engagiert ist, ganz bei sich. In der Regel rennt er mit seinen Sachen hier rum und benutzt sie, um Leute in Bewegung zu bringen. Und er hat sehr viele Ideen! Es ist wirklich schön, mit ihm zu arbeiten", sagt Heim-Gesundheitspsychologe Erik Oudman.

Rob nimmt uns mit auf sein Zimmer. Der ehemalige Lastwagenfahrer pflegt auch eine große Liebe zu Modelleisenbahnen und zum Dartspielen. "Es gibt Bewohner, die nicht zu mir oder in den Fitnessraum kommen. Dann gehe ich einfach zu ihnen. Oft werden sie etwas zugänglicher und machen einfach mit. Manchmal ist es schwieriger. Dann muss ich erst zehn Mal zu ihnen und es versuchen. Und beim elften Mal funktioniert es auf einmal", erzählt Joel. "Das hilft dir aber auch, sie kennenzulernen." "Ja, sicher. Wenn ich hier reinkomme, sehe ich all das, was er liebt. Ich sehe den Fußballverein, Züge und die Darts. Da hab ich sofort Ideen, was ihm Spaß machen könnte."

Niederlande: Der Freizeitraum als Spielplatz – ein Altenheim in Rotterdam.
Niederlande: Der Freizeitraum als Spielplatz – ein Altenheim in Rotterdam. | Bild: WDR

Zu den schwierigen Fällen gehört Henk. Der liegt oft tagelang im Bett. "Hallo Henk, ich habe dir meinen Sockenwerfer mitgebracht, ok?" So lassen sich Schränke auch einräumen. "Wenn Henk im Bett liegt und ich zu ihm komme, dann passiert etwas in seinem Gehirn. Dann wird er wacher, und wenn ich in seiner Nähe bleibe, wird er auch aktiv. Oft steigt er sogar aus seinem Bett und hilft zum Beispiel beim Kochen, beim Haushalt", erzählt Joel.

Mit Joel auf dem Fahrrad, draußen an der frischen Luft. Für Lydia ist das schon ein kleines Glück. Denn sonst sitzt sie oft traurig und apathisch im Heim. "Das kommt natürlich auch dem Team zugute, weil wir müssen ja viel mit den Menschen arbeiten. Wir müssen sie aus dem Bett holen, ihnen einen guten Tagesablauf geben. Wenn sie gesünder sind, wenn sie weniger wiegen, dann fühlen sie sich auch besser. Es macht sie glücklicher, und dann nehmen sie die Pflege besser an. Das verbessert das gesamte Arbeitsklima", sagt Pflegedienstleiter Timo Erkelens.

Während Joel noch radelt, hat seine Assistentin Femke übernommen. Als lebender Ballfänger für Joop. Femkes Tochter Tess ist häufig dabei und verstärkt das Team Lebensfreude: "Ja, ich finde es einfach cool, das Kind in dir wieder ein bisschen rauskommen zu lassen. Wenn ich zum Beispiel mit meiner Tochter rausgehe zu einem Spielplatz: Wie viele Eltern warten tatsächlich an der Rutsche unten auf die Kinder? Denkt man da nicht manchmal heimlich, oh, ich würde gerne mitrutschen. Also, ich denke, jeder will spielen und jeder hat immer noch das Kind in sich."

Dieses innere Kind, das Krankheit und Alter für einen Moment leichter werden lässt.

Autorin: Cornelia Kolden / ARD Brüssel

Stand: 27.08.2023 19:50 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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