Mo., 09.05.16 | 04:50 Uhr
Das Erste
Nordkorea: Der fröhliche Schein
Mit dem Bus durch Pyongyang, Nordkoreas Hauptstadt – eine Rundfahrt durch und durch zum Staunen. Das abgeschottete Land gibt Journalisten nur selten die Gelegenheit zum Besuch. Und auch jetzt sehen wir nur, was wir sehen dürfen. Trotzdem, seit meinem letzten Besuch vor drei Jahren, hat sich viel getan. Ein Hauch von Wandel weht durchs Land.
Besuch in der Geburtsklinik von Pyongyang
In der Eingangshalle werden wir schon erwartet. Von Schwestern und Ärzten. Und überlebensgroß in Oel: von Kim Il Sung, Nordkoreas Staatsgründer. Mun Chang Un, Abteilungsleiter der Klinik erzählt: "Er war oft bei uns. Sie hat uns angewiesen, wie wir Medikamente zu geben haben. Und wie wir den schwangeren Frauen ihre Schmerzen nehmen."
Die Ärzte versichern, die Geburtenrate steige stetig. 50 bis 60 Kinder kämen hier täglich zur Welt. 20.000 im Jahr. Ein Zeichen für den Aufschwung im Land. Vor zwei Tagen hat Ton Youn Mi einen Jungen zur Welt gebracht. Ferngespräch mit der jungen Mutter. Wie war denn die Geburt? "Bevor sie hierhergekommen ist, hatte sie große Angst wegen der Schmerzen. Aber die Geburt tat überhaupt nicht weh, weil wir sie richtig behandelt haben. Außerdem hat sie die Liebe von Generalissimo Marschall Kim Jong Un gespürt."
Die Behandlung in Nordkorea ist angeblich kostenlos. In den Provinzen dürfte die medizinische Versorgung jedoch deutlich schlechter sein als hier in Pyongyang, wo die Familien der Eliten versorgt werden. 2000 Betten hat das Vorzeigekrankenhaus. Und eine Intensivstation, in der sich die Schwestern um Frühgeburten kümmern.
Und es kommt noch schöner: 163 Drillinge hätten hier in den vergangenen Jahren das Licht der Welt erblickt. Eine echte Geburtsfabrik. "Der geliebte Führer hat immer gesagt: Drillinge und Vierlinge sind Symbol für Wohlstand und für eine glückliche Zukunft“, sagt Chung Yong Ok, Ärztin im Mutterkrankenhaus.
Eine Kulisse des Wohlstands
Wohlstand – das klingt wie ein Zauberwort, in einem Land, das sich mit seinen Atom- und Raketentests international isoliert, das unter Sanktionen und bitterer Armut leidet. Aber in der Hauptstadt Pyongyang gibt es sowas wie neuen Wohlstand. Die Straßen blitzblank und frischgeteert. Busse, Taxis, Ampeln, manchmal sogar Stau.
Neue Hochhäuser ragen in den Himmel, gebaut von privaten Investoren. Ein bisschen Kapitalismus. Es sind Wohnanlagen, Funktionäre, Soldaten, Wissenschaftler. Alle, die den Staat auf ihren Schultern tragen. In dieser Wohnung leben fünf Menschen, sagt die Dame. Der Ehemann, ihr Sohn mit seiner Frau und ein Enkelkind. Die Familie zahle keine Miete, wie überall in Nordkorea. Und nur wenig für Strom und Wasser.
Eine Wohnung wie aus dem Bilderbuch des Sozialismus.
"Wir sind Kim Jong Un sehr dankbar", sagt eine Bewohnerin. "Er hat uns diese Wohnung geschenkt. Man hat uns hergerufen und gesagt: sie bekommen diese Wohnung. Das war alles."
Fünf Zimmer, Küche, Diele, Bad. Ein Fernseher, ein DVD-Player. Hoch oben, über dem Sofa hängen Kim Il Sung und Kim Jong Il. Schöner Wohnen in Pyongyang. Nur alles wirkt so aufgeräumt. So picobello wie ein Showroom. Wohnt hier wirklich wer? "Mein Ehemann soll erfolgreich sein bei seinen wissenschaftlichen Arbeiten. Und für meine Kinder wünsche ich, dass sie etwas leisten für unser Land. Dass sie den Genossen Kim Jong Un als unseren Führer unterstützen."
Am Abend fauchen die Schornsteine ihren Qualm in den Himmel von Pyongyang. Den Qualm mal weggedacht: Die Skyline hat sich allein im letzten Jahr stark verändert. Der Staat muss die Eliten des Landes bei Laune halten. Denn die braucht Kim Jong Un genauso zum Machterhalt wie seine Bomben.
Ein Beitrag von Philipp Abresch
Stand: 11.07.2019 18:57 Uhr
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