So., 01.03.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Paraguay: Goldgräberstimmung dank Krypto-Währung
Elektrizität ist günstig und es gibt auch kaum Einfuhrzölle auf Computer, deshalb schürfen Bauern überall im Land Kryptowährung. Die billigen Strompreise machen das Land zu einem der Hauptproduzenten der Internet-Währung. Aber wie funktioniert diese Kryptowährung überhaupt? Thomas Aders berichtet über die modernen Goldgräber.
Von Beruf: Bitcoin-Schürfer
Direkt am Flussufer des Paraná: ein Villenviertel in der Stadt Ciudad del Este in Paraguay. Hier wohnt auch Antônio Li. Mit seinen Eltern war er aus Taiwan hierhergezogen, nach seinem Informatikstudium kam dann bald Li’s Quantensprung: er spezialisierte er sich auf Kryptowährungen – wie den Bitcoin.
Ein paar Mitarbeiter warten seine Computer, mit denen Li sein Geld verdient. Sie laufen rund um die Uhr. Ohne Kühlung würden sie in der Hitze Paraguays sofort durchbrennen. Die Folge: ein Höllenlärm. "Heute gibt es praktisch nur noch solche Hightech-Computer, die ausschließlich Bitcoins schürfen. Das zuhause mit seinem PC zu versuchen, ergibt keinen Sinn." Natürlich kann man Bitcoins oder eine andere Kryptowährung kaufen und hoffen, dass der Kurs steigt. Doch Li hofft nicht. Er erschafft neue Bitcoins.
Bitcoins: "Wie Gold schürfen, nur besser!"
Der Bitcoin ist eine digitale Währung, die man nicht greifen kann, die aber im Blockchain-System sicher hinterlegt ist und die man zum Beispiel in Dollar oder Euro wechseln kann. Es gibt Dutzende anderer Kryptowährungen, aber der Bitcoin ist die bekannteste und verbreitetste. Der Bitcoin ist nur deshalb etwas "wert", weil Millionen Nutzer ihn anerkannt und gekauft haben, genau wie bei Geldscheinen oder Aktien. Er wird an den Börsen gehandelt. Sein Wert schwankt stark, vom Bruchteil eines Cents im Jahre 2009, als er erfunden wurde, über sein Börsenhoch Ende 2017 von knapp 20.000 Dollar bis hin zum jetzigen Kurs: gut 9.000 Dollar.
Li schürft neue Bitcoins für sich selbst, stellt aber im Auftrag auch Maschinen für seine Kunden auf. Der Gewinn wird geteilt. "Ich mache hier sozusagen die Drecksarbeit, die die Leute nicht machen wollen, denn die Maschinen produzieren jede Menge Hitze und Lärm. Stell dir einen Hühnerstall vor: Wenn du Hühner züchten willst, okay. Ich kümmere mich um den Stall."
Das südamerikanische Epizentrum der digitalen Währungen: die Stadt Ciudad del Este. Ein Paradies für Schmuggler, Raubkopierer und Fälscher. Rein ins halbseidene Getümmel. "Es ist wie Gold schürfen, nur besser!" Der Wahlspruch von Antônia da Silva, einem Giganten im digitalen Geldgeschäft. Alles ist größer bei ihm, angefangen mit seiner Familie: 16 Kinder, alle arbeiten in seinen Firmen. Begonnen hat der Brasilianer im Jahre 2016 als einer der ersten. Seitdem revolutioniert sich das Business dauernd, sagt er. Wer nicht ständig aufrüstet, hat schon verloren. "Am Anfang musstest du nur auf den Preis der Maschine achten, den Wert eines Bitcoins und die Energiekosten. Heute musst du 63 Dinge im Blick haben: welche Kabel? Wie dick? Die Lüftung, die Kühlung, nicht nur welche Maschinen du kaufst ist wichtig, sondern auch wie du sie aufstellst."
Billiger Strom dank Wasserkraft
Vier Generationen von Schürfmaschinen liegen in Antônios Labor: immer schneller, und immer hungriger nach Energie. "Unsere Schürfmaschinen verbrauchen zusammen so viel Energie wie eine Stadt mit 50.000 Einwohnern", erklärt der Informatiker Maicon Frohlich. "Deshalb sind wir nach Paraguay gekommen, weil es hier sehr viel überschüssigen und billigen Strom gibt." Und das liegt am Rio Paraná – mit seinen spektakulären Wasserfällen, vor allem aber an den Turbinen des Itaipú-Kraftwerks. Die liefern so viel Strom, dass das eher landwirtschaftlich geprägte Paraguay gar nicht weiß, wohin damit. Preis für eine Kilowattstunde, etwas über drei Eurocent, freut sich Antônio. Ein Zehntel des Preises in Deutschland, konkurrenzlos billig.
Wir besuchen seine ‚Fabrik‘. Der Begriff ist nicht übertrieben, mehr als 30.000 Hochleistungs-Schürf-Computer röhren und rattern den ganzen Tag. Damit verdient er zehn Bitcoins, derzeit also 90.000 Dollar – am Tag! Antonio da Silva: Immer schneller, immer professioneller. Eine einzige Erfolgsgeschichte? Fast. "Im Jahre 2015 hat mir jemand 250 Bitcoins angeboten - für 25.000 Euro. Ich hab‘ damals nicht an diesen virtuellen Quatsch geglaubt und nein gesagt. Heute wären die fast zwei Millionen Euro wert. Das ärgert mich bis heute." Hätte, wäre, könnte. So ist das mit dem Geld – und mit dem Bitcoin.
Autor: Thomas Aders, ARD-Studio Rio de Janeiro.
Stand: 02.03.2020 10:23 Uhr
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