So., 01.03.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Russland: Orthodoxes Dating
"Ich war überall, hab die ganze Welt abgesucht, aber ich habe die Frau meines Lebens nicht gefunden. Wahrscheinlich klappt es einfach nicht ohne Gottes Hilfe," das sagt Dimitij in Moskau beim orthodoxen Speeddating ganz freimütig. Wenn du gläubig bist ist es nicht leicht einen gleichgesinnten Partner zu finden, meinen alle hier.
Und deshalb hilft der Priester Aleksij Gomonow ein bisschen nach. Einmal die Woche lädt er junge Menschen zum Tanztee in einen Nebenraum der Kirche ein. Unverbindlich, sagt er mit einem Augenzwinkern. Ein Kuppler sei er nicht, eher ein Ermöglicher.
Heiratsvermittlung auf Russisch-Orthodox
Der Blick – perfekt. Die Schritte – na ja. Sie lernen Walzer, Quadrille, Polonaise und Polka. Alles, was früher am Hofe des Zaren so getanzt wurde. Sie sind – ein christlicher Tanzclub. Ein russisch-orthodoxer, genaugenommen. "Das sind historische Tänze, die sind ein Teil der Weltkultur", sagt Alexander. "Das ist doch interessant." Alexander ist seit ein paar Monaten dabei. Aber allein ums Tanzen geht es hier natürlich nicht. Fast alle hier sind Singles, fast alle sind auf der Suche. Und die kann ganz schön kompliziert sein, wenn man orthodox ist. "Ich war mit einem jungen Mann zusammen, der war nicht gläubig", erzählt Olga. "Das ist ein großes Problem, wenn einer in die Kirche geht und der andere nicht." Und Irina meint: "Man kann im Internet suchen – aber besser ist es hier. Weil hier alle gläubig sind. Orthodoxe haben die richtige Weltanschauung".
Knapp 13 Millionen Einwohner hat Moskau. Eigentlich eine Riesen-Auswahl, sagt Alexander. Aber – wie die Richtige finden? Die kleine Mariä Himmelfahrts-Kirche liegt mitten im Moskauer Zentrum. Eine ziemlich junge Gemeinde hat sie. Sie kommen wegen Vater Aleksij, der ist hier sehr beliebt. Und wegen des Klubs der heiligen Peter und Fevronija – benannt nach den Schutzheiligen der Ehe. Der Klub organisiert nicht nur den Tanzkurs. Nebenan in der Pfarrküche wird geschnippelt und geschmiert, für’s Klubtreffen. Denn immer sonntagsabends nach der Messe lässt Vater Aleksij einen völlig neuen Geist in die alte Kirche. Ein bisschen nachhelfen, sagt er. Denn: Vater Aleksij organisiert hier eine Art Heiratsvermittlung. "Ich hab mal einem jungen Mann geholfen, der wollte eigentlich Mönch werden, hat aber gemerkt dass das nichts ist für ihn. Ich hab' gesagt: du bist rothaarig – guck mal, dahinten steht auch eine Rote. Geh mal hin und mach dich bekannt. Und es hat funktioniert."
Speed-Dating mit Gottes Hilfe
Speed Dating auf Russisch-Orthodox. Manchmal kommen zweihundert Leute her. Die Damen meist leicht in der Überzahl – und mit Kopftuch oder Mütze, wie sich das in einer orthodoxen Kirche gehört. Auch Alexander ist hier. Beim Tee ein wenig plaudern – vielleicht wird ja mehr draus. "Natürlich sind hier alle auf der Suche", sagt Irina. "Alle suchen ihre zweite Hälfte. Der Mensch soll nicht allein sein." "Ich setze jetzt alles auf Gott", sagt Dimitrij. "Ich war überall, ich hab die ganze Welt abgesucht aber – ich habe sie nicht gefunden. Wahrscheinlich klappt es einfach nicht ohne Gottes Hilfe. Meine letzte Hoffnung!" Und Viktorija ergänzt: "Für mich wichtig, dass der Mann moralisch gefestigt ist, nicht leichtfertig. Hier haben alle ernste Absichten. Wenn du einen im Restaurant oder so triffst, dann weißt du doch nie, mit welchem Ziel er dich anspricht."
Alexander bleibt nur kurz heute – für später haben wir uns noch verabredet. Er kommt jetzt seit einem halben Jahr in den Klub, erzählt er. "Ich will das nicht verheimlichen – klar ist das jedes Mal spannend. Du suchst jeden Sonntag sofort nach den neuen Gesichtern. Vielleicht sitzt da dein Schicksal! Vielleicht ist da genau der Mensch, auf den du wartest. Natürlich hab' ich so Vorstellungen, wie sie aussehen sollte. Aber vor allem soll sie vernünftig sein." Noch bis in den März hinein hängt Moskaus Neujahrsbeleuchtung, manche Touristen kommen nur deswegen. Total romantisch. Vielleicht kommt ja auch Alexander demnächst zu zweit hierher. Mit ein bisschen Glück und mit Gottes Hilfe.
Autorin: Ina Ruck, ARD-Studio Moskau
Stand: 02.03.2020 10:26 Uhr
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