So., 28.04.24 | 18:30 Uhr
Das Erste
Russische Angriffe auf die Ukraine
Die Kinder, die in diesem Kinderkrankenhaus in Kiew versorgt wurden, leiden unter chronischen Erkrankungen. Am Freitag werden sie eilig weggebracht. Aus Sorge, das Krankenhaus könnte Ziel eines russischen Angriffs werden. "Es ist schrecklich, weil die Kinder immer unter ärztlicher Aufsicht sein müssen. Sie müssten dann in ein anderes Krankenhaus verlegt werden", erzählt Myroslava Tymchenko, Mutter eines Kindes.
Der Krieg ist allgegenwärtig. Auch hier. Russische Sicherheitsdienste hatten behauptetet, in diesem Krankenhaus wurden auch Soldaten versorgt. Drohten mit einem Angriff. Für Militärexperten ein weiteres Zeichen für Russlands rücksichtlose Strategie: "Auch, wenn dort Zivilisten liegen mit den Soldaten, ist laut Internationalem Völkerrecht ein Angriff auf derartige Infrastruktur verboten. Es heißt, man muss es eigentlich so einschätzen, als sei das eine ganz klare Drohung von Russland, diesen Krieg hier weiter zu eskalieren und neue Schwellen zu überschreiten", sagt Fabian Hoffmann von der Universität Oslo.
Ukrainischen Truppen fehlen Artillerie, Luftabwehr, Munition
Hier in Charkiw im Osten der Ukraine ist in der Nacht zu Samstag genau das passiert: Bei einem russischen Angriff wurde eine Klinik teilweise zerstört, Menschen wurden verletzt. Auch hier können Patienten nicht mehr versorgt werden. Und nicht nur in Charkiw gibt es derzeit vermehrt Meldungen über russische Angriffe. Auch Horliwka, Kostjantyniwka und Nikopol sind zum Ziel geworden. Aktuell besonders umkämpft ist der Ort Tschassiw Yar. Von Tschassiw Yar ist es nicht mehr weit bis nach Kramatorsk – dem Hauptquartier der ukrainischen Donbass-Truppen. Deshalb geht es hier um viel.
Doch noch immer fehlt es den ukrainischen Truppen an Artillerie, Luftabwehr und Munition. "Im Moment ist die Verteidigungslinie um Tschassiw Jar sehr dynamisch, wir können sagen, dass alles in Flammen steht. Wir halten unsere Verteidigungslinie und wehren täglich die Angriffsversuche ab – und das ohne den Einsatz von gepanzerten Fahrzeugen oder Panzern, und leiden rund um die Uhr unter Artilleriebeschuss aus allen Kalibern der russischen Besatzungstruppen", sagt Oberst Serhij Osatschuk vom Staatlichen Grenzschutzdienst.
Hoffnung: Das neue milliardenschwere Hilfspaket der USA
Für diejenigen, die in der Ukraine kämpfen, wie hier in der Region Charkiw, gibt es ein wenig Hoffnung: Das neue milliardenschwere Hilfspaket der USA – und die damit verbundenen dringend benötigten Waffensysteme. "Das ist eine gute Nachricht. Es wird Waffen geben, es wird Munition geben, es wird Granaten geben. Wir haben jetzt einen katastrophalen Mangel an Geschossen. Wenn wir Hilfe bekommen, wird alles gut", sagt Soldat Dmytro. Aber noch ist die Hilfe nicht da und noch ist gar nichts gut – und je länger es dauert bis sie ankommt, umso gefährlicher werde die Lage für die Ukraine. "Von daher nutzen die Russen natürlich die Zeit, bis das eingetroffen ist und das wird Wochen, vielleicht sogar Monate dauern können, insbesondere weil die Russen auch die Transportwege bekämpfen, um zu verhindern, dass das ganze Zeug überhaupt nach vorne kommt. Und in dieser Zeit ist eben ihre Chance, überdurchschnittliche Gewinne zu erzielen", sagt Ralph Thiele, Oberst a.D..
Wenn die US-amerikanischen Waffen dann da sind, könnte der russische Geländegewinn zumindest eingedämmt werden. "Die Waffensysteme sind jetzt erstmal enorm wichtig dafür, dass die Ukraine die Verteidigungsfähigkeit für das Jahr 2024 erhalten kann. Und dann eben für die nächsten Kriegsjahre müssen wir schauen, was die Ukraine benötigt, um auch wieder eine offensive Fähigkeit zu erlangen", erklärt Fabian Hoffmann von der Universität Oslo.
Ob russische Einheiten das Kinderkrankenhaus in Kiew wirklich bombardiert hätten, ist ungewiss. Doch eines hat Russland erreicht: Angst zu schüren. In Zeiten eines Krieges, der an der Front – und in den Köpfen – geführt wird.
Autorin: Victoria Reith
Stand: 28.04.2024 19:36 Uhr
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