So., 06.02.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
Russland: Mit dem Unimoto über’s Eis
Es sind die ersten Tests mit seinem Unimoto. Der 35-jährige Wladimir Kirejew will in zwei Wochen an einem Rennen teilnehmen. Mit einem einrädrigen Motorrad übers Eis. Doch noch läuft nicht alles glatt. "Sowas ist ganz normal während der Tests. Wir müssen hier jetzt alle Probleme lösen! Und die nächste Testfahrt besser vorbereiten. Aber wir haben nicht mehr viel Zeit!", sagt der Motorradfahrer. Schon von außen ist sichtbar, dass hier ein Motorradfreak wohnt. In seiner Werkstatt baut Wladimir Kirejew jedes Jahr außergewöhnliche Unimotos. Mal mit vier kleinen Motoren oder besonders leistungsstark wie dieses Jahr. Das Rennen hat Regeln. "Es gibt bestimmte Abmessungen, Breite, Länge, die nicht überschritten werden dürfen – und Regeln für den Motor", erzählt Wladimir.
Motorräder sind sein Leben
Wladimir Kirejew ist der Star unter seinen Freunden. Ein genialer Mechaniker, den sie bewundern. Seine Frau hat die Motorrad-Leidenschaft nicht mitgetragen – und sich von ihm getrennt. Kirejew wohnt wieder bei seiner Mutter, selbst im Schlafzimmer steht eines seiner acht Motorräder. "Eins ist auseinandergebaut für das Unimoto, eins fährt meine Tochter, ein robusteres habe ich vor kurzem gekauft für Reisen. Ein bewährtes Motorrad mit Beiwagen für Rennen. Und zwei weitere, die ich restauriere, von denen eines schon fertig ist."
Pokrow, eine Kleinstadt nicht weit von Moskau. Die Löhne niedriger als in der Hauptstadt, auch Kirejew arbeitet in Moskau. Doch Pokrow hat kürzlich ungewohnte Bekanntheit erlangt – aus politischen Gründen. Und bei solchen Themen ist Wladimir Kirejews Mutter viel engagierter als er. "Man lebt hier wie überall. Aber wissen Sie, unsere Stadt ist doch jetzt berühmt. Bei uns sitzt Kremlkritiker Nawalny im Gefängnis. Ich bin da hingegangen und habe verlangt, dass man einen Arzt zu ihm lässt. Ich habe 20 Stunden gemeinnützige Arbeit aufgebrummt bekommen", erzählt Olga Iwanowna Kirejewa.
Der Sohn sagt: Politik sei etwas für die, die sich auskennen würden. Da zähle er nicht dazu. Und schweigt lieber. Ein paar Wochen später. Das Rennwochenende in Toljatti an der Wolga. Doch Organisator Dmitrij Gorbunow stößt plötzlich auf ein Problem: "Unter dem Schnee ist Wasser. Die Unimotos können einsinken oder umkippen. Das wollen wir nicht bei den vielen Zuschauern. Ich habe deshalb zwei Rennklassen abgesagt." Auch Wladimir Kirejews Rennklasse ist betroffen. Er wird deshalb mit seinem langsameren Unimoto aus dem letzten Jahr antreten. Doch wird das nach einem Jahr rumstehen wieder anspringen? "Hmm, vielleicht ist die Batterie nicht stark genug. Oder es liegt am Öl im Zylinder, das dickflüssig geworden ist. Oder die Batterie ist einfach hinüber", sagt der Motorradliebhaber. Doch dann läuft das ungewöhnliche Unimoto wieder. Aus ganz Russland sind die Motorrad-Freaks angereist – wegen Corona niemand aus dem Ausland.
Das große Rennen
Manche Unimotos sind mit Dampf betrieben, andere elektrisch, viele normal mit Benzin. Es ist Volksfeststimmung beim Snowdogs-Festival. Die eigentliche Rennstrecke ist nur 31 Meter lang, die Zeit wird millisekundengenau gemessen. Wladimir Kirejew gefällt besonders, dass sich hier nur hartgesottene Motorrad-Freaks treffen: "Jeder hier ist Ingenieur, Rennfahrer. Dann der Winter! Hier sind keine Motorradfahrer, die ihr Motorrad in die Garage stellen, sobald es anfängt zu regnen, das sind Motorradfahrer, die ihre eigenen Unimotos mitgebracht haben, die sie selber vorbereitet und gebaut haben. Das geht an die Seele!"
Dann tritt Wladimir an. Drei Versuche hat er. Wird sein Unimoto aus dem letzten Jahr durchhalten? Der erste und der zweite Versuch laufen gut, dann kommt der dritte. Und da bleibt sein Unimoto plötzlich stehen. "Vom Gefühl her hätte ich am Anfang ein bisschen schneller fahren können. Und dann ist etwas kaputt gegangen, das ich nicht erwartet hatte. Ein Kabel", sagt Wladimir. Kirejew erhält trotzdem eine Auszeichnung. Doch für ihn das Wichtigste: Dabei zu sein, bei Gleichgesinnten auf diesem winterlichen Festival. Fernab von den Alltagssorgen oder den politischen Spannungen mit dem Westen.
Autor: Demian von Osten /ARD Studio Moskau
Stand: 06.02.2022 19:44 Uhr
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