So., 13.12.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Russland: Was macht eigentlich Putin?
Das erste Eis ist da. Im Winter ist Moskau besonders schön. Doch über die Sorgen, die der Kreml gerade hat, hilft das kaum hinweg. Corona trifft auch Russland hart, täglich gibt es neue Höchstwerte, die wirtschaftlichen Sorgen sind groß. Und obendrein muss sich Präsident Putin schon wieder auf einen neuen amerikanischen Präsidenten einstellen. Der fünfte, mit dem er es zu tun bekommt. Noch eine Runde Trump, mutmaßen viele, wäre ihm lieber gewesen.
Biden hat Erfahrung mit Russland
Dabei ist Joe Biden für Putin ein alter Bekannter. 2011 traf man sich: Biden behauptete später, er habe Putin ins Gesicht gesagt, dass er glaube, dass er keine Seele habe. Putin habe erwidert: ich sehe, wir verstehen uns. Viel Sympathie ist da nicht zwischen den beiden, sagt der regierungsnahe Politikberater Andrej Kortunow und ergänzt: "Aber da kommt jetzt wenigstens einer ans Ruder, der Erfahrung hat und weiß was er tut. Das gibt uns Grund zu hoffen, dass die amerikanische Russland-Politik ein wenig rationaler und vorhersagbarer wird."
Biden ist ein alter Hase in Sachen Russland. Als Senator war er schon zu Sowjetzeiten mehrfach hier, verhandelte auch über Abrüstung. Dem Sowjetfernsehen war Bidens Besuch in den Achtzigern eine Nachricht wert. Zwanzig Jahre später stieg Washington unter Trump aus der Abrüstung so gut wie aus. In Moskau hofft man jetzt auf neue Gespräche – trotz aller Differenzen. "Biden nimmt Abrüstung viel ernster als sein Vorgänger, da bestehen also vielleicht Möglichkeiten. Dafür wird es in Sachen Menschenrechte sehr viel schwieriger werden. Er fährt eine harte Linie, er wird die russische Führung viel schärfer kritisieren. Da war die Zusammenarbeit mit Trump einfacher", sagt Andrej Kortunow.
Wo ist Putin?
Putin kürzlich in St. Petersburg. Er hat Joe Biden noch immer nicht gratuliert –gleichzeitig hat sein Kreml mit Gerüchten zu kämpfen. Die blühen gewöhnlich in unsicheren Zeiten und hier in Russland betreffen sie vor allem den Chef. Putin sei krank, sagen die einen, er sei amtsmüde, sagen die anderen. Und immer öfter fragen sie: Wo ist er eigentlich? Er reist nur selten, sitzt meist im Home-Office, konferiert per Videoschalte.
Aber: sitzt er wirklich im Büro seiner Residenz bei Moskau? Investigativ-Reportern fiel jetzt auf, dass Putins Flugzeug zur Reise nach St. Petersburg gar nicht in Moskau startete, sondern in Sotschi am Schwarzen Meer, auch dort hat er eine Residenz. Mit einem, so behaupten die Reporter, zweiten Büro, fast identisch mit dem Moskauer. Es gebe nur winzige Unterschiede – ein Schalter zum Beispiel sei im einen Büro weiter links platziert, im anderen aber mittig.
Alles Quatsch, entgegnet der Kreml: Putin sei in Moskau. Das müssen sie ja auch behaupten, sagt der Politologe Andrej Kolesnikow:
"Ein Staatschef in der Nähe der Hauptstadt ist auch nah bei den Leuten, ist im selben kalten Wetter wie der Großteil der Bevölkerung. Aber wenn er im warmen komfortablen Süden sitzt, dann zeigt das eine große Entfernung vom Volk."
Neue Gesetze zugunsten Putins
Dabei hat ihm das Volk gerade erst eine Verfassungsänderung genehmigt: Putin darf auch weiterhin als Präsident kandidieren, wenn er will. Und noch eine Lex Putin wird demnächst verabschiedet: Er und seine Familie sollen bis ans Lebensende immun sein gegen Strafverfolgung. Unantastbar. In der Duma begründet das der Abgeordnete Adalbi Schchagoschew so: "Die Leute stehen hinter ihm. Deshalb machen wir dieses Gesetz. Es wäre doch absurd, ihm irgendeinen Diebstahl zuzutrauen, im Supermarkt oder so. Er hat viel für das Land getan, die Rede ist vom höchste Staatsmann, vom Präsidenten der Russischen Föderation."
Eine Videokonferenz nach der anderen. Zumindest in dieser Hinsicht ähnelt Putins Alltag dem vieler Landsleute. Meist sieht man ihn in dem Büro, in dem der Schalter nicht mittig sitzt – und das, behaupten die Investigativ-Reporter, sei das in Sotschi. Dem US-Präsidenten werde Putin erst dann gratulieren, wenn die Wahl offiziell bestätigt ist, sagt der Kremlsprecher. Aus welchem Büro der Glückwunsch kommt, dürfte Biden egal sein.
Autorin: Ina Ruck/ARD Studio Moskau
Stand: 13.12.2020 20:48 Uhr
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