So., 13.12.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
USA: New York den New Yorkern
Es ist leerer geworden in New York, und leiser. Der Blick geht nach innen, die New Yorker sind unter sich. Aber sie machen weiter, immer weiter. New Yorker sind widerstandsfähig, kreativ und nicht so leicht unterzukriegen. "Es ist erstaunlich, ich habe den ganzen Platz für mich selbst. Vorher war es hier immer supervoll", erzählt ein New Yorker.
Die Großstadt so leer wie nie
Eislaufen im Bryantpark in Midtown , das war bisher ein Massenvergnügen. Jetzt sind nur noch 200 statt 500 Menschen zugelassen. Wir stoppen Elsa und bitten sie, für uns ausnahmsweise kurz die Maske abzunehmen. "Ich lebe hier seit 28 Jahren. Ich komme meistens hierher zum Eislaufen, aber es war immer voll. Es ist wirklich schön, die Stadt zurückzuhaben. Ich war im Begriff wegzuziehen, denn es hat hier keinen Spaß mehr gemacht. Es ist anders, aber mir gefällt es", erzählt sie.
Die Infektionszahlen sind in New York weit geringer als in den meisten Teilen des Landes. Seit Monaten ist es für New Yorker selbstverständlich, Maske zu tragen. Drinnen und draußen."Uns hat es zuerst und am härtesten getroffen. Jeder trägt sie jetzt und es hilft wohl", sagt ein Passant und ein anderer ergänzt: "Du trägst Maske oder du bist dumm. Wenn du der Wissenschaft nicht glaubst, selbst schuld."
Auch wegen dieser Haltung sind die Museen wieder geöffnet. Nur ein Viertel der Besucher dürfen kommen. Und sie müssen ein Zeitfenster im Voraus buchen. Aber dann hat man viel Platz, mehr als je zuvor, denn Touristen kommen höchstens aus New Jersey. Ein Besucher erzählt: "Niemand ist auf den Straßen. Superschön. Es ist wie ein Vorort, aber es ist eine der größten Städte der Welt." Ein weiterer fügt hinzu: "Man kann New York mal erfahren und genießen, aber es nimmt auch die Energie raus."
New Yorker sind kreativ
New York ohne Touristen. Der Central Park ist zum Treffpunkt und Sportzentrum geworden. Joggen, Yoga, Gottesdienste – alles findet jetzt draußen statt. Und auch hier tragen alle wenn möglich die Maske. Sean hat sein Keyboard einfach mit in den Park gebracht. Der vielfach ausgezeichnete Broadway Komponist hat derzeit keinen Job, deshalb hilft er seiner Freundin Kat bei ihren Ballettstunden. "Ich hatte Glück. Viele meiner Musiktheater-Freunde, besonders meine Broadway-Kollegen haben es derzeit sehr schwer, es ist eine harte Zeit für Musiker", sagt Sean.
Die Tänzerinnen der Ballettgruppe von Kat Wildish haben sich schon lange ins Freie verlegt, die Studios sind seit Monaten geschlossen. Alle in New York versuchen, die Situation so gut es geht zu bewältigen. "Wir haben das noch nie gemacht, obwohl alle es wollten. Jetzt geht das. Wundervoll", erählt sie.
"Manche meiner Freunde am Broadway machen sonst acht Shows in der Woche. Jetzt nutzen sie die Zeit an Projekten zu arbeiten, die ihnen wichtig sind. Ihren Alben, Ideen, ihrer Musik. Die Leute finden neue Wege", sagt der Komponist, Sean Pallatroni. An den Broadwaytheatern hängen 100.000 Arbeitsplätze, solange die Theater geschlossen sind und die Touristen wegbleiben, ist die Mitte der Stadt nichts als eine unbelebte Kulisse.
Unterstützung in schweren Zeiten
Und auch einen anderen Broadway hat es hart getroffen. Hier mitten in Brooklyn sind fast alle kleinen Geschäft geschlossen, seit Corona sind Arbeitslosigkeit und Armut angestiegen, ganz besonders unter den Latinos und Schwarzen. Wie sie sind mittlerweile rund zwei Millionen New Yorker auf Lebensmittelverteilungen angewiesen. "Für mich ist das wirklich wichtig, denn ich habe schon seit Beginn der Krise keine Arbeit. Das hilft mir", erzählt ein Passant.
Jeden Montag versorgt eine Gruppe junger Künstler die Armen im Viertel. Sie selbst haben auch wenig zum Leben, aber dafür Zeit und Energie. Cal Fish ist einer von ihnen: "Bevor wir die Sachen von der Foodbank bekommen haben, waren wir nur ein Netzwerk von Künstlern, die sich über Social Media getroffen haben. Ich glaube wir haben so eine große Reichweite, weil wir im Viertel so bekannt waren und es hier vorher so viele Kunstshows gab."
Draußen vor der Tür der Galerie steht ein Kühlschrank der besonderen Art. Hier darf jeder zugreifen und nehmen, was er möchte. Es werden keine Fragen gestellt. "Für mich ist das sehr wichtig. Ich bin Rentner, da reicht das Geld fürs Essen nie", sagt ein Kunde.
Der Kühlschrank wird täglich gereinigt und befüllt, oft auch von den reicheren Nachbarn, erklärt uns Naz Leshinskaya, eine der freiwilligen Helferinnen: "Wir betreiben ihn seit Juni oder Juli, niemand hat ihn verwüstet oder etwas draufgemalt. Wir haben sie überall." In ganz New York City stehen 56 solcher Kühlschränke, die sollen es den Menschen ermöglichen, ohne Scham an Lebensmittel zu kommen.
Zum Glück sind ein paar der besten Dinge im Leben der New Yorker kostenlos: Die bunten Schaufenster in Manhattan sind auch in diesem Jahr trotz oder gerade wegen der düsteren Corona-Zeit dekoriert und bringen etwas Glanz in die traumatisierte Stadt und der Weihnachtsbaum am Rockefeller Center leuchtet wie eh und je. Es ist der 88. "Eine merkwürdige Art New York zu erleben. Aber wir schaffen das. Es ist ja New York – daran glauben wir", erzählt ein New Yorker. Typisch New Yorker Optimismus, das können hier schon die Kleinsten.
Autorin: Christian Meier/ARD Studio New York
Stand: 13.12.2020 20:49 Uhr
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