Mo., 30.04.18 | 04:50 Uhr
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Sansibar: Schwimmen ist für alle da
"Viele sagen, Schwimmen sollen nur Männer. Frauen müssen das nicht können. Oder sie sagen, wir würden unsere Zeit verschwenden, außerdem sei Schwimmen unschicklich für Frauen und Mädchen. Aber das ist nicht wahr. Schwimmen ist für alle da", sagt die Schwimmlehrerin Siti Haji Simai.
Viele Kinder auf der Insel können nicht schwimmen
Das Meer. Nie hätte Siti Haji gedacht, dass es ihr Leben so verändern würde. "Am Anfang hatte ich Angst. Aber dann ist mein Vertrauen zu mir selbst immer größer geworden. Jetzt habe ich dieses Vertrauen auch, wenn ich nicht im Wasser bin. Ich glaube jetzt an mich. Ich glaube, dass ich viele Dinge alleine schaffe, ohne dass irgendjemand mir dabei hilft", erzählt Siti.
Die Mädchen sind schon ganz ungeduldig. Jedes will den eigenen Namen zuerst auf der Liste finden. Alle wollen von Siti lernen.
Vor zwei Jahren erst, fing Siti selbst an zu schwimmen – als Muslima auf Sansibar sehr ungewöhnlich. Das Panjee Projekt, für das die 25-Jährige jetzt selbst arbeitet, bietet Jungen, aber auch Mädchen Unterricht an. Denn sie alle leben zwar auf einer Insel, schwimmen können viele aber nicht.
"Ich möchte es auf jeden Fall lernen", sagt ein Mädchen. "Wenn ich zur Nachbarinsel Pemba fahre, und es gibt einen Unfall, dann kann ich andere retten", erzählt ein anderes Mädchen. "Ich bin glücklich, wenn ich sehe, dass es Ihnen hilft. Sie zu unterrichten, erfüllt mich", so Siti.
Zuerst müssen sie ein Gefühl für das Wasser bekommen, sagt Siti. Dass es Frauen sind, die unterrichten, macht es den muslimischen Gemeinden auf der Insel möglich, den Schwimmunterricht zu unterstützen.
Morgens schwimmen, nachmittags lernen
Wer morgens, wenn die Flut kommt, toben darf, der muss nachmittags stillsitzen und fleißig Verse üben. In den Ferien gehen die Kinder jeden Tag in die Madrassa, die Koranschule. Auch der Koranlehrer unterstützt die Mädchen in ihrem Wunsch, Schwimmen zu lernen. Denn er hat selbst erlebt, wie gefährlich das Meer sein kann. "Eines Tages sank das Schiff, und wir Lehrer kamen in Schwierigkeiten. Wir konnten schwimmen, aber viele Kinder nicht und sie ertranken", erzählt der Koranlehrer Ali Haji Ali.
So etwas dürfe nie wieder passieren. Wer am und mit dem Wasser lebt, der müsse schwimmen können, meint Ali Haji. Ganz gleich, ob Mädchen oder Junge. Außerdem mache das Schwimmen die Kinder viel gesünder. Und – plötzlich sei seine Koranschule besonders beliebt.
"Die Kinder kommen jetzt viel lieber zu unserer Koranschule. Nur wer den Unterricht besucht, darf auch schwimmen lernen. Die Kinder sind begeistert, schließlich ist das Meer die Quelle unseres Lebens", sagt Ali Haji Ali.
Kritik, dass auch Mädchen schwimmen dürfen, ist seltener geworden
Auch Siti lebt traditionell. Wenn sie auf der Insel unterwegs ist, durch die Straßen läuft oder mit dem Bus fährt, greift sie zum Hijab. Irgendwann möchte sie heiraten, eine Familie haben, aber erstmal will Siti selbstständig sein und arbeiten. Auch wenn sie ihr eigenes Geld verdient, lebt Siti noch immer im Haus ihrer Eltern. So ist es üblich in ihrer Gemeinde auf Sansibar, bis sie eine eigene Familie hat. Siti hatte Glück, ihre Eltern waren zwar überrascht über ihren Wunsch, Schwimmen zu lernen, doch sie haben ihre Tochter unterstützt. Trotz einiger Skepsis im Dorf.
"Das Leben geht vorwärts und verändert sich. Früher wäre es nicht möglich gewesen, aber die Lebensumstände ändern sich. Sicher, manche Dinge muss man ablehnen, aber es gibt auch Veränderungen, die man gut finden kann", findet ihr Vater Haji Simai Haji.
Die Familie ist stolz. Siti verdient Geld und kann so ihre Eltern unterstützen. "Jetzt haben wir eine Frau in der Familie, die mit dem Meer Geld verdient. Das ist für uns alle gut", sagt Sitis Vater. Arbeiten, sich selbst etwas zutrauen, dass wünscht sich Siti auch für ihre Schülerinnen.
"Ich möchte, dass sie an sich selbst glauben, dass sie alles sein können, was sie wollen, und alles machen können, was ich ihnen beigebracht habe und noch viel mehr. Ich möchte, dass sie noch besser werden im Schwimmen oder in etwas anderem, dass es ihnen ermöglicht, eine Arbeit zu bekommen", sagt Siti.
Und manchmal, nimmt sie sich Zeit für sich ganz allein – natürlich im Meer. Die Kritik, dass auch Mädchen schwimmen dürfen, ist seltener geworden. Und Siti nimmt sie mit Gelassenheit.
Autorin: Caroline Hoffmann / ARD Studio Nairobi
Stand: 03.08.2019 03:23 Uhr
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