Mo., 17.10.16 | 04:50 Uhr
Das Erste
Spanien: Die intelligenteste Stadt Europas
Bei schönem Wetter entfaltet Santander seinen Charme – Spanier machen hier gerne Urlaub. Doch nun kommen auch die Computer-Nerds. Santander gilt als die am besten vernetzte Stadt Europas.
Ingenieur Pablo Sotres erklärt uns in der Universität das System: täglich werden etwa 150.000 Daten aus mehr als 20.000 Sensoren verarbeitet, die überall in der Stadt verteilt sind: "Seit 2010 verwirklicht Santander diese Vernetzung und ist damit weltweit führend."
Intelligente Mülltonnen
Wozu das gut sein kann, zeigen uns Pablo und seine Kollegin Begoña erst einmal an den Müllcontainern. Die sind nämlich "intelligent" und melden sich selbstständig, wenn sie geleert werden müssen. Solche Sensoren machen es möglich – sie sind im inneren der Tonne angebracht.
Pablo Sotres von der Universität Santander: "Vom Sensor wird die Information an diese Antennen weitergeleitet, und von dort dann ins Kontrollzentrum." Wenn die Mülltonne erst einmal richtig voll ist, wird diese Meldung automatisch weitergeleitet, bis sie in der Zentrale der städtischen Müllabfuhr landet. Dort können die Routen ökonomisch geplant und nur noch die vollen Container angefahren werden. Jeder Müllwagen ist ebenfalls mit einem Sensor und einem Tablet ausgestattet.
Begoña Castaño Escalante von der Müllabfuhr Santander: "Auf diese Weise sparen wir erheblich ein, bei den Fahrzeugen, bei den Personalkosten und wir reduzieren auch die Luftverschmutzung."
Sensoren sparen Ressourcen
Santander, das ist die Stadt der schlauen Mülleimer und der klugen Bewässerung: In den Parks messen Sensoren im Boden die Feuchtigkeit. Nur wenn es zu trocken ist, geht der Rasensprenger an. Getestet werden auch Laternen, die sich abschalten, wenn niemand vorbeiläuft. Bis zu 80 Prozent der Stromkosten kann die Stadt so sparen.
Begonnen hat die Technikrevolution natürlich beim Verkehr. In den Straßen der engen Altstadt melden hunderte Sensoren, wie es um die Parkplatzsituation bestellt ist. Pablo Sotres erklärt die Funktionsweise: "Diese Sensoren erkennen das magnetische Feld eines Autos und melden, natürlich wieder über Antennen, wenn ein Parkplatz gerade belegt wird."
Das Kontrollzentrum der Universität gibt diese Information sofort an ein Leitsystem weiter. Wir stellen die Frage nach dem Datenschutz und hören, dass kein Sensor personalisierte Daten erfasse. Das schreibe das Gesetz vor, so Pablo Sotres: "In allen Experimenten und Applikationen sind die Daten anonymisiert. Und deswegen gibt es keinerlei Möglichkeit, die Identität eines Bürgers mit diesen Daten in Verbindung zu bringen."
Und der Datenschutz?
Im Rathaus treibt Bürgermeister de la Serna die Vernetzung seiner Stadt voran. Wir haben das Gefühl, dass er Fragen wie Datenschutz oder die Gefahr eines Hackerangriffs weitaus entspannter als vielleicht deutsche Amtskollegen sieht. Auch deswegen liegt Santander beim digitalen Ausbau vorne. Bürgermeister Íñigo de la Serna: "Natürlich müssen wir die persönlichen Daten schützen, aber ohne dass wir dabei den Informationsfluss einschränken. Meiner Meinung nach wird die Stadt, die sich am wenigsten restriktiv verhält, langfristig die konkurrenzfähigste sein."
Und so geben sich in Santander die Delegationen die Klinke in die Hand. Aus Singapur, aus Boston und auch aus Mecklenburg-Vorpommern kommen sie, um dieses Modell zu studieren. In Deutschland gibt es Smart Cities allenfalls als Konzept.
Erweiterte Realität und Apps für die Bürger
Etwa die Idee der "erweiterten Realität" – bei der sieht man die Stadt mit anderen Augen. Auf dem Smartphone gibt es Zusatzinfos, je nachdem, vor welchem Gebäude man steht, etwa dem Museum oder einem Geschäft. Über eine App kann man dann Öffnungszeiten, Waren und Sonderangebote abrufen. 1500 Läden bieten diesen Service – die digitale Begeisterung zeichnet Santander aus.
Andere Apps schaffen Bürgernähe: Wer sich im Rathaus über Probleme in der Stadt beschweren will, etwa eine Baustelle, die den Fußgängerweg blockiert, kann dies per Smartphone mitsamt Foto tun und dann online verfolgen, wie diese Beschwerde behandelt wird.
Pablo Sotres von der Universität Santander: "Solche Applikationen schaffen mehr Transparenz: der Bürger kann Probleme melden und dann überprüfen, ob die Verwaltung wirklich etwas tut." Das beschauliche Santander hat sich erstaunlich verändert – es ist zum Labor einer intelligenten Stadt der Zukunft geworden.
Autor: Stefan Schaaf, ARD Madrid
Stand: 13.07.2019 00:39 Uhr
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