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Schweiz: Wintersport im Klimawandel

Schweiz: Wintersport im Klimawandel | Bild: WDR

Kein Schnee – nirgends. Keine guten Aussichten für Peter Schwitter. Der Januar – extrem warm. Der Februar geht genauso weiter. Peter Schwitter, der Naturgefahrenbeauftragte der Region, erlebt, wie sich der Klimawandel beschleunigt: "Man merkt einfach, die Temperaturen steigen auch in der Höhe kontinuierlich an. Wir hatten vor einer Woche sogar fünf Grad plus am Morgen um sechs Uhr auf 3000."

Mittlerweile liegt Schnee erst deutlich über 1.500 Meter Höhe. Doch das ist nicht Peters größte Sorge. Sondern er: Der Aletsch. Der größte Gletscher der Alpen. Er bringt den gesamten Berg, auf dem dieses Skigebiet steht, in Bewegung. "Auf dem Teil, auf dem wir jetzt stehen, der hat sich komplett abgesenkt. Zum Teil in einem Wahnsinnstempo. Dazumal 2016 im Herbst ist das losgegangen, im September. Und dann Oktober, November waren die schnellsten Bewegungen im Hang drin", erzählt er. Die gesamte Bergflanke rutscht damals weg. "Das hat so getönt wie ein Schuss, wie ein Knall von einer Pistole."

Die Auswirkungen des Klimawandels sind deutlich zu spüren

Schweiz: Peter Schwitter ist Naturgefahrenbeobachter im Wallis.
Schweiz: Peter Schwitter ist Naturgefahrenbeobachter im Wallis. | Bild: WDR

Risse von mehr als 40 Metern tun sich auf. Ein Sicherheitsrisiko – auch für das Skigebiet. Peter nimmt uns mit zu seinem Kontrollgang in der Gefahrenzone, die für Tourist:innen tabu ist. Dorthin, wo der gesamte Berg auseinandergerissen wurde. Für Peter keine anstrengende Tour. Er hat alle Viertausender bestiegen – allein das Matterhorn 70 Mal. Für uns dagegen: mühsam. Nach drei Stunden Wanderung kommen wir an. Auf halber Höhe zum Gletscher, an der größten Abbruchkante – in Sichtweite der Gletscherzunge, die sich immer weiter zurückzieht.

"Vor 40 Jahren bin ich mit meinem Vater dort hinten, wo die große Schlucht runterkommt – noch weiter vorne – da ging der Gletscher. Da konnten wir von der Belalp-Seite auf den Gletscher laufen, rüber laufen und hier hoch. Mittlerweile hat er sich mehr als zwei Kilometer zurückgezogen und im Moment ist die Zunge dort unten", erzählt Peter Schwitter. Wegen des rasanten Rückzugs des Aletsch fehlt dem Berg eine Stütze – so rutscht er seitdem hinterher. Kontinuierlich. Bäume knicken um wie Streichhölzer. Felsblöcke liegen da wie Würfel. "Also ganz egal, wie massiv das aussieht – hier merkt man, spürt man, dass der Berg im Grunde bröselig ist. Und er wird, die Frage ist nur wann, irgendwo wieder abbrechen, weil sich der Gletscher einfach immer mehr zurückzieht", beschreibt ARD-Korrespondent Matthias Ebert.

Erfindergeist macht die Anpassung möglich

Schweiz: Ist der Wintersport in den Alpen in 20 Jahren noch möglich?
Schweiz: Ist der Wintersport in den Alpen in 20 Jahren noch möglich? | Bild: WDR

Und das Skigebiet? Hier haben die Verantwortlichen das Unheil zum Glück kommen sehen. Und diese weltweit einmalige Seilbahn gebaut. Cheftechniker Anton Franzen kann diese Station den Bewegungen des Berges anpassen: "Sie kann die Verschiebungen vom Gelände mitnehmen. Die schwimmt quasi mit, wie ein Schiff auf dem Wasser. Es ist so gemacht, dass man die hydraulisch ausgleichen kann, verschieben kann."

Immer dann, wenn der Berg unten wieder mal wegrutscht, kann die Seilbahn-Station dem entgegensteuern – um bis zu elf Meter. Dafür wurde diese riesige Beton-Wanne gegossen, auf der die Seilbahn wie auf Schienen aufliegt. Drinnen werden über Transformatoren 15 Zylinder angesteuert, die die riesige Metallkonstruktion samt Seil, Gondeln und Sesseln mühelos nach oben drücken und verschieben können. "Wow. Das ist eine krasse Anlage: Über uns fahren die ganze Zeit die Gondeln hin und her und surren. Und: Diese ganze Station wird durch diese Hydraulik hochgepresst. 1.000 Tonnen können die stemmen. Und so wird die ganze Station verschoben, damit die Seile gespannt bleiben", erklärt Matthias Ebert.

Billig war das Ganze nicht – zehn Millionen Euro hat allein die Spezialtechnik gekostet, die die Seilbahn in acht Jahren bereits um knapp drei Meter verschieben musste. Damit Touristen hier gefahrlos ihr Skierlebnis genießen können. Steigende Temperaturen, Gletscherschwund und ein Berg, der rutscht. Ist Skifahren hier überhaupt noch angemessen? "Die Frage stellen wir uns auch immer wieder. Es ist schon irgendwie ein Dilemma. Und trotzdem macht es Spaß und deshalb sind wir auch wieder."

Anton Franzen plant bereits die nächste Innovation. Auch auf diesem Gipfel soll bald schon eine gigantische Seilbahn gebaut werden, die ebenfalls verschiebbar ist. Weil sich auch hier der Berg wegen der Klima-Schmelze bewegt. Die Veränderungen machen Peter Schwitter nachdenklich. Vor allem, wenn er an die zukünftigen Generationen denkt: "Die werden ein ganz anderes Bild sehen. Das Bild, das wir jahrzehnte- und jahrhundertelang gekannt haben, das werden die nicht mehr haben."

Denn der Rückgang des Aletsch-Gletschers ist wohl nicht mehr aufzuhalten.

Autor: Matthias Ebert / ARD Genf

Stand: 18.02.2024 18:29 Uhr

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