Mo., 10.07.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
Simbabwe: Die enterbten Witwen
In der Bibel sucht sie Trost, sagt Idah Muchenyu. Viel ist ihr nicht geblieben: ein paar Kleider, ein Schrank, ein Bett und diese kleine Hütte. Alles andere hat sie verloren als ihr Mann starb – dessen Familie hat es ihr weggenommen. Mein Mann und ich haben uns geliebt, sagt Idah – er würde von den Toten auferstehen, wenn er von allem wüsste.
Witwen gelten als Besitz des verstorbenen Mannes
"Ich habe versucht der Familie meines Mannes zu vergeben. Schließlich steht es so in der Bibel – dass man vergeben und vergessen soll. Ich habe es versucht, aber es ist schwer, denn sie haben mir fast alles genommen", erzählt Idah Muchenyu. Idahs Mann besaß zwei Häuser in der Hauptstadt Harare, hunderte Kilometer entfernt. Auch die hat sie verloren. Jetzt hofft sie, dass die kleinen Felder rund ums Haus ihr Überleben sichern.
In vielen Ländern des südlichen Afrikas beginnt mit dem Tod des Ehemannes oft ein langer Leidensweg der Witwe. Die Tradition sagt vielerorts, dass das komplette Erbe auf die Familie des Toten übergeht. Auch die Witwe selbst gilt als Besitz des verstorbenen Mannes – oft wird sie gezwungen einen der Brüder des Toten zu heiraten.
Früher war Tradition sinnvoll
Bis heute denken viele so. Aber es gibt auch Häuptlinge wie Phineas Chokururama – er lehnt die alte Tradition ab. Denn, so sagt er, sie mache viele Frauen und Kinder arm und unglücklich. Früher hatten auch hier in seinem Dorf Witwen keinen Anspruch auf ein Erbe. Aber, so sagt der Häuptling – früher habe diese Tradition auch ihren Sinn gehabt.
"Damals hat man es nämlich so gemacht wie es richtig ist. Wenn ich die Witwe meines Bruders geheiratet habe, dann habe ich auch das Erbe bekommen – aber nur deshalb, weil ich damit bis an mein Lebensende für sie sorgen musste. Heute geht es nur noch um das Vermögen – wenn es aufgebraucht ist, dann machen sie sich aus dem Staub. Solche Leute sind einfach nur Diebe."
Neues Umdenken durch Musik
Kein Schwager hat Idah geheiratet – doch geblieben ist ihr fast nichts."Die Geschwister meines Mannes sagten: all unser Besitz gehöre jetzt ihnen – weil es ihr Bruder gewesen sei, der dafür gearbeitet habe", erzählt Idah. Gegen die Enteignung von Witwen kämpft auch Oliver Mtukudzi, einer der bekanntesten Musiker Zimbabwes. Er nutzt seine Popularität um für ein neues Denken zu werben. Einer seiner größten Hits ist ein Song gegen den Missbrauch von Witwen – vor allem will er darin Trost spenden. "Schlimm genug, dass Du Deinen Mann verloren hast. Sei stark – Gott ist mit Dir".
Mtukudzi hat den Song schon vor 25 Jahren geschrieben – leider, so sagt er, hat sich in der Zwischenzeit nicht genug verändert.
"Erst wenn es keine Gier mehr gibt in dieser Welt, werden auch Ungerechtigkeiten gegen Witwen nicht mehr passieren. Deshalb müssen wir weiter daran erinnern, dass wenn man heiratet und einen gemeinsamen Haushalt gründet, dann alles Mann und Frau gemeinsam gehört."
Kinofilm über Enteignung von Witwen
Ein zimbabwischer Kinofilm über den Missbrauch von Witwen zeigt wie gespalten die Menschen im Land dem Thema gegenüberstehen: Mtukudzis Song war die Titelmusik und der Film in den 90er-Jahren zwar ein Kassenschlager – doch viel scheint auch er nicht bewirkt zu haben.
Noch heute – so schätzen Hilfsorganisationen – ergeht es pro Jahr tausenden Witwen so wie der Filmfigur Neria.
Sie und ihr Mann führen eine sehr glückliche Ehe. Doch dann stirbt ihr Mann bei einem Verkehrsunfall. Neria findet ihr eigenes Zuhause verschlossen vor – der Bruder ihres verstorbenen Mannes nimmt ihr das Haus und die Kinder. Doch der Film macht auch Hoffnung. Neria geht vor Gericht. Nach einem langen Kampf bekommt sie am Ende Besitz und Kinder zurück.
Das Gesetz steht auf Idahs Seite
Idah stand vor einer ähnlich schwierigen Situation. Erst als Rechtsanwälte in ihr Dorf kamen und Frauen wie ihr kostenlose Hilfe anboten, schöpfte sie wieder Hoffnung. Denn ein Gerichtsverfahren konnte sich Idah schlicht nicht leisten.
"Wir kommen in die Dörfer, um über die Rechte der Frauen aufzuklären. Unsere Hilfsorganisation will kulturelle Missverständnisse bekämpfen. Und wir hoffen, dass sich das Verhalten der Dorfbewohner allmählich verändert", sagt Wonderful Nyakabau von der Legal Resource Foundation.
"Wenn ich einmal den Jordan überqueren muss, dann will ich es mit frohem Herzen tun", sagt Idah.
Und inzwischen kann sie das auch. Denn die Anwälte sahen das Gesetz auf Idahs Seite – schließlich haben auch in Zimbabwe Witwen ein Erbrecht. Vor Gericht hat man Idah jetzt eines der Stadt-Häuser ihres Mannes zugesprochen. Sie kann nun von der Miete leben, die sie einnimmt. Das sind im Monat immerhin umgerechnet 100 Euro.
Autor: Thomas Denzel/ARD Studio Johannesburg
Stand: 16.07.2019 05:47 Uhr
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