Mo., 27.11.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
Simbabwe: Aufbruch nach Mugabes Rücktritt?
Für eine neue Ära in Simbabwe haben sie schon vor Jahren demonstriert. In Harare treffe ich Linda Masarira und Patson Dzamara. Gemeinsam mit Patsons Bruder Itai gingen sie auf die Straße und forderten Robert Mugabes Rücktritt. Itai wurde vor zwei Jahren von der Polizei festgenommen – seitdem ist er spurlos verschwunden. Und auch Linda geriet in die Fänge der Staatsgewalt: "Ich wurde gefoltert, ich wurde ohne Grund festgehalten, ich war in Einzellhaft", erzählt mir Linda. "Und ich glaube, unser Kampf ist nicht beendet. Denn der neue Präsident war seit 1980 die rechte Hand Mugabes – und damit verantwortlich für all die Probleme, die wir heute haben."
"Grace Mugabe hat alles zerstört"
Auch sie haben unter dem Regime von Robert Mugabe gelitten. Ihr Land gefiel dessen Ehefrau Grace, die hier einen Safari-Park errichten wollte. Auch die kleine Farm von Hellen Mashambanhaka war im Weg. Wie Hellen mir sagt, schickte Grace Mugabe Polizisten, um sie von hier zu vertreiben: "Es waren viele", erzählt sie mir. "Auf der anderen Seite des Flusses hatten sie schon ein anderes Dorf zerstört und die Leute in ihre Lkw gesperrt. Wir sind weggerannt und haben uns hinter Bäumen versteckt." Hellen hat ihr Haus wieder notdürftig aufgebaut. Die Polizisten hatten es abgerissen. Nur ist es jetzt viel zu niedrig. Ihr seien die Ziegelsteine ausgegangen, sagt sie. Hellen zeigt mir, wie die Polizisten eine Eisenstange benutzten, um die Hauswand zu brechen. Noch heute sieht man, wie wenig vom Haus noch übrig war. "Für Grace Mugabes Grausamkeit fehlen mir die Worte", sagt Hellen. "Die Polizisten kamen über die Jahre immer wieder. Wir könnten hier ein schönes Leben haben – aber Grace Mugabe hat alles zerstört."
Präsident aller Simbabwer?
Fast alle im Dorf haben Ähnliches erlebt – und das Vertrauen in die Staatsmacht verloren. Trotzdem hoffen sie nun. "Der neue Präsident Mnangagwa soll diese Polizisten von hier abziehen", erklärt mir der Dorfvorsteher Enock Mashuwa. "Dann können wir wieder in Sicherheit leben und das Land bewirtschaften – so wie in der Zeit bevor Grace Mugabe auftauchte." Große Hoffnungen in ihn – doch der Mann, der nun seinen Amtseid als Präsident ablegte, war einst Mugabes Mann fürs Grobe. Emmerson Mnangagwa soll für die Ermordung von Zehntausenden verantwortlich sein. Heute aber sagt er zu, dass sich künftig alle Bürger sicher fühlen können, denn er werde der Präsident aller Simbabwer sein.
Zweifel bleiben
Im Fernsehen verfolgt Linda die Vereidigung. Der versöhnliche Ton von Mnangagwas Rede gefällt ihr gut – doch ihre Zweifel am neuen Präsidenten bleiben. Mehr will sie hier in dieser Bar nicht sagen. Zu viele Ohren hören mit, sagt sie und bittet mich, für das Interview einen anderen Platz zu finden. Wie ein freies Simbabwe fühlt sich das nicht an. "Ich brauche die Antwort auf eine Frage – nämlich: Wo ist Itai Dzamara?", sagt Linda. "Seine Familie braucht die Antwort auch. Wenn Mnangagwa wirklich Versöhnung will – dann müssen solche Fragen dringend beantwortet werden."
"Die Opposition muss sich jetzt organisieren"
Bürgerrechtler treffen sich in Harare – am Tag von Mnangagwas Vereidigung. Auch Linda ist mit dabei. Die Polizei sei hier aufgetaucht, um die Konferenz aufzulösen, erzählt sie. Man habe Anwälte einschalten müssen, um weitermachen zu können. Das, so sagt sie mir, zeige, dass sich nicht viel verändert habe: "Nun muss die Opposition Reformen fordern, die faire Wahlen ermöglichen. Sonst hat sie auch künftig keine Chance. Die Opposition muss sich jetzt organisieren und am Ball bleiben."
Nächstes Jahr stehen Wahlen in Simbabwe an. Linda will kandidieren – aber von Parteipolitik hält sie nichts. Sie sagt, sie sei stark genug, es auch als unabhängige Kandidatin zu schaffen.
Autor: Thomas Denzel, ARD-Studio Johannesburg
Stand: 31.07.2019 13:52 Uhr
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