Mo., 06.08.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
Spanien: Kampf gegen den Drogenschmuggel
14 Kilometer trennen an der Straße von Gibraltar Europa von Afrika – und damit Spaniens Südküste von Marokko, dem größten Haschischproduzenten der Welt. Tonnenweise Drogen kommen in Schnellbooten nach Spanien, von dort werden sie weiterverteilt nach ganz Europa.
Die spanische Polizei ist überfordert, wird oft von den Schmugglern einfach abgehängt. Und der arbeitslosen Jugend in den verarmten Küstenorten versprechen die Drogen schnelles Geld. Nur wenige wagen es, der Drogenmafia entgegenzutreten. Eine Reportage von Stefan Schaaf (ARD-Studio Madrid).
Es ist ein Einsatz an vielen Fronten – unten liegt die Stadt La Línea, in Spanien berühmt berüchtigt für den Drogenhandel. Und in der Meeresenge von Gibraltar patrouilliert die Guardia Civil – denn hier wird die heiße Ware in Schnellbooten von Marokko nach Spanien gebracht. Bei den turbulenten Verfolgungsjagden werden die Grenzschützer von den hochgerüsteten Schmuggelbooten oft locker abgehängt. Auch an Land können die Beamten nicht überall gleichzeitig sein – die lange Küste ist das ideale Einfallstor für Tonnen von Haschisch aus Marokko. Eine Nachtsicht-Kamera zeigt, wie die Schnellboote anlegen und die Ware in Jeeps umgeladen wird – in den letzten Monaten ist der Schmuggel deutlich mehr und aggressiver geworden. "Wir bemerken einen Sittenverfall, der Respekt vor den Behörden schwindet", erzählt Hauptkommissar Francisco López Gordo. "Die Drogenhändler glauben anscheinend, dass sie ungestraft davonkommen. " Im Keller zeigt uns der Kommissar das konfiszierte Haschisch einer einzigen Nacht. 30 Kilo haben in Spanien den Wert von gut 40.000 Euro. Im Norden Europas verdreifachen sich nochmal die Preise – ein lukratives Geschäft. Manchmal können Schnellboote beschlagnahmt werden. Ausgerüstet mit vier Motoren erreichen sie bis zu 120 Kilometer – für Polizeiboote auf hoher See meist uneinholbar.
"Szenen wie in Lateinamerika"
Im Schatten von Gibraltar liegt La Línea, trist wirkt der Ort und heruntergekommen. Mit 30 Prozent Arbeitslosigkeit traurige Spitze in Spanien. Einer der wenigen Bürger, die dem Treiben der Drogenbanden nicht mehr zu sehen wollen, ist Paco Mena. Vor dem Krankenhaus erzählt er, wie hier ein verletzter Drogendealer behandelt wurde, bewacht von zwei Polizisten. Doch zwanzig Kumpane mit Baseball-Schlägern befreiten ihn kurzerhand – Szenen wie in Lateinamerika. "Der Staat hat in einigen Teilen der Stadt die Kontrolle verloren", meint Paco Mena von der Vereinigung gegen die Drogen, "vor allem dort, wo schon immer geschmuggelt wurde. Die Behörden müssen mit aller Entschiedenheit vorgehen, sonst könnten wir in eine Lage geraten, die nicht mehr umkehrbar ist."
Die Maßnahmen der Behörden wirken manchmal hilflos – weil Drogenkuriere einen Fluss so häufig als Transportroute benutzten, wurde das Gewässer mit einer Barriere verschlossen. Hier geht nichts mehr. Doch die wirkliche Gefahr droht wo ganz anders: es ist die Armut in La Línea. Deswegen betreiben die Bürgervereinigungen auch Suppenküchen in der Stadt. Lebensmittel gegen die größte Not. Die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen hat in La Línea sagenhafte 80 Prozent erreicht. Und deshalb etabliert sich in einigen Vierteln der Drogenhandel als Lebensform. "Der Mangel an Perspektiven ist ein gefährlicher Nährboden", sagt Paco Mena von der Vereinigung gegen die Drogen. "Und deswegen sehen nicht wenige im Schmuggel von Drogen oder Zigaretten eine Möglichkeit, der Misere zu entkommen."
Schmuggel für ganz Europa
Mit Razzien geht die Polizei immer wieder gegen die Banden vor. Fast 800 Personen wurden im vergangenen Jahr allein in La Línea verhaftet, 150 Tonnen Haschisch und zwölf Tonnen Kokain beschlagnahmt. Wir treffen in einem Hotel einen Jugendlichen, der, wie so viele andere, als Drogenkurier tausende Euros im Monat verdient. "Ich warte im Auto am Strand, lade die Ware ein und bringe sie an einen sicheren Ort. Mit dem Verdienst kann ich meine Familie gut ernähren." Hauptkommissar Francisco López Gordo meint: "Ein 18jähriger, der ganz unten in solchen Organisationen arbeitet, verdient 3.000 Euro im Monat. Da kann kein normaler Betrieb mithalten. Und deswegen brauchen wir ein Bündel an Maßnahmen, Investitionen in Arbeit und Ausbildung."
In La Línea verläuft die erste Drogenfront Europas. Alles, was hier anlandet, gelangt später in den Norden des Kontinents. Auch deswegen sollte sich Europa mehr darum kümmern, was hier geschieht – das sagen uns viele. Die Bürgervereinigung von Paco Mena fordert zum Beispiel, dass keine Schnellboote mehr zugelassen werden dürfen. Bei weitergehenden Lösungen, etwa der Legalisierung von Drogen, ist man skeptisch. "Wenn man etwa Haschisch legalisieren würde, dann müsste man das in ganz Europa tun. Geschähe das nur in Spanien, würde das den Drogenhandel nicht beenden. Das Haschisch, das hier geschmuggelt wird, ist für ganz Europa."
Es ist ein ungleicher Kampf, der Polizei fehlt es vor allem an Personal. Den Drogenbanden dagegen geht der Nachwuchs nie aus. In manchen Vierteln werden die Beamten mit Steinen beworfen - der Schmuggel mit der Hanfpflanze ist nicht so harmlos, wie vielleicht manche meinen. Marokko ist der größte Haschisch-Produzent weltweit, und das kriminelle Netzwerk reicht von Nordafrika weit über Spanien hinaus. Auch deswegen sollte sich Europa mehr um dieses Problem kümmern. Es ist ein Einsatz an vielen Fronten.
Stand: 27.08.2019 04:41 Uhr
Kommentare