Mo., 06.08.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
Surinam: Chinas Kahlschlag im Regenwald
Surinam, tropischer Kleinstaat nördlich von Brasilien, ist wirtschaftlich schwach, aber reich an Rohstoffen. Eigenschaften, die ihn zum idealen Ziel machen für Investoren aus China. Tropenholz etwa wird hier in großem Stil gefällt und auch verarbeitet, der echte Gewinn allerdings fällt im 15.000 km weiter östlich ab: in China. Der kommunistische Staat hat im letzten Fünfjahresplan offiziell festgelegt, dass 250 Milliarden Dollar im Norden Lateinamerikas angelegt werden sollen, eine Investition, die sich rechnet.
In Surinam stammt inzwischen jeder zehnte Bewohner aus China. Denn für die Chinesen boomt das Geschäft; die einheimische Bevölkerung dagegen verliert Rohstoffe, profitiert aber wenig. Eine Reportage von Xenia Böttcher (ARD-Studio Mexiko).
Die grünen Wipfel scheinen unendlich in Suriname. Fast das ganze Land besteht aus Regenwald. Doch das Idyll ist nicht mehr unberührt. Paulus hat eine Familie zu ernähren und da freut er sich, dass er heute ein paar Bäume fällen kann und sagt: “Der Baum ist mehr als 600 Jahre alt, denke ich. Kann schon sein, dass der gleich ein paar andere Bäume mitreißt, ja, aber da kann ich nichts machen. Wir brauchen den eben.“ 600 Jahre für 60 US-Dollar, das Geld teilen sich die Arbeiter. Wer das kauft? “Chinesen“, antworten sie. In ihren Händen wird das Tropenholz zu Dielen, die demnächst in Deutschland, Holland oder Belgien die Terrassen verschönern. Xu Dong Chen von der Firma Mobichen Woodworks erklärt: “Wir haben Bäume, die sind rot, gelb, wir haben hier sogar lila Holz. Das sind sehr seltene Baumsorten und die Leute sagen: Wow, das will ich haben.“
Chinesen leben schon seit Jahrzehnten in Surinam
Die Geschäftsführung ist skeptisch gegenüber unserem Besuch, gewährt uns aber dennoch Einblick. Der Familienbetrieb sitzt seit 20 Jahren in Suriname. Für Jimmy Chen ist Zeit Geld. 10 Tonnen Holz kann er im Monat allein nach Europa verschiffen. Eine Goldmine. Dennoch ist Chen ruhelos. “Wenn mein Betrieb ein Problem hat, dann ich nicht schlafen. Dann rattert mein Gehirn. Die chinesische Mentalität ist hart zu arbeiten. Ich habe drei Jahre Doppelschichten gemacht“, sagt Jimmy Chen, der Geschäftsführer von Mobichen Woodworks. Chens Sohn soll das gute Geschäft einmal übernehmen. Der Rohstoff Holz ist schier unendlich, die Arbeitskräfte aus Surinam sehr billig, die Regierung großzügig: “Nein wir bekommen keine Auflagen für den Export, nein wirklich nicht“, betont Xu Dong Chen.
Und es ist leicht, chinesische Arbeiter ins Land zu holen, die gemeinsame Mentalität macht vieles einfacher. Der wertvolle Rohstoff Holz ist fest in chinesischer Hand. Surinamesen wie Paulus arbeiten allenfalls zu. Die ehemalige Kolonie der Holländer ist ein Zwerg in Südamerika. Nur 550.000 Einwohner. Die Mischung ist bunt und friedlich. Die Synagoge Nachbar der Moschee. Inzwischen ist jeder 10. Einwohner aus China. Für die Regierung ist China der Entwicklungsmotor, den man kontrollieren kann: „Sie nehmen es mit den Arbeitnehmerrechten etwas lockerer. Also ist es unsere Aufgabe sie zu erziehen“, sagt Ferdinand Welzijn, der Handelsminister von Suriname.
Chinesen erziehen? Ein schlechter Witz –vielmehr sei die Regierung käuflich, sagt uns Winston Ramautarsing, der Wirtschaftsexperte im Land, Wirtschaftswissenschaftler an der Anton de Kom Universität. “Der Minister scheint nicht gut informiert. Die Chinesen diktieren die Regeln und brechen sie. Es gibt viel Korruption auf allen Ebenen. Und auf allen Ebenen sind Chinesen und bezahlen Schmiergeld.“
Chinas politischer Einfluss wächst weltweit
Die chinesischen Unternehmen zeigen sich großzügig. Bauen Spielplätze für Kinder, Häuser für sozial Schwache. Für das neueste Projekt sind die Bauherren eigens aus China angereist. Die Bauministerin ist überglücklich: Spatenstich für 500 Sozialwohnungen – mit besten Grüßen aus Peking. Yun Wang von der China Dalian International Cooperation sagt: “Die Regierungen sind sich sehr nah. Die chinesische Regierung sieht, dass es sehr viele Möglichkeiten in Suriname gibt und darum sind wir hier.“
China habe viel Erfahrung, gute Technologien und – noch ein Vorteil – bringe das Geld mit. Das heißt, China leiht Surinam das Geld? “Ja“, antwortet Yun Wang. Die Regierung ist abhängig vom Geld aus China. Und wie soll jemand Bedingungen stellen, der abhängig ist? Fernab der großen Weltbühne wachsen Chinas finanzielle Kraft und politischer Einfluss in Richtung Weltmacht. Daran zweifelt auch Jimmy Chen nicht: “Wir sind auf der ganzen Welt, überall. Unsere Regierung hat uns die Türen geöffnet. China ist jetzt mächtig. “
Auch Paulus arbeitet hart – und ist wütend: “Unsere Regierung verkauft unser Land, unser Eigentum an ein fremdes Land. Wir bekommen nichts, nichts.“
Stand: 13.09.2019 02:43 Uhr
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