So., 21.06.20 | 19:20 Uhr
Spanien: Europas größter Flugplatz in einer Einöde
Verlassene Dörfer, entvölkerte Landstriche – so sieht das Gebiet um Teruel aus. "Spanisch Lappland" nennen es die Einheimischen.
Flugzeug-Parkplatz mitten im Kornfeld
Doch seit einigen Monaten geht es hier hektisch zu. Fast täglich landen auf dem kleinen Flughafen von Teruel Flugzeuge der großen Airlines. Sie werden hier wegen Corona abgestellt. Ideale Bedingungen, Hochlandklima und viel Sonne, haben Teruel zu Europas größtem Flugzeug-Parkplatz gemacht. Die täglichen Parkgebühren sollen zwischen 300 und 2.000 Euro liegen, sehr viel weniger als an großen Flughäfen. 2013 wurde der Airport als Abstellplatz konzipiert, nun hebt das Geschäftsmodell so richtig ab.
"Derzeit ist hier eine Menge los. Von April an hat sich die Zahl der Flugzeuge um 50 Prozent erhöht. Seit im März der weltweite Flugverkehr zum Erliegen kam, können wir mit unserem Service Europas Fluglinien unterstützen", erzählt Alejandro Ibrahim Perera, Flughafen-Direktor Teruel.
Und dazu gehören auch ständige Wartungsarbeiten. An der Elektronik, der Flugsteuerung und dem Fahrwerk. Für die insgesamt 150 Mitarbeiter sah es am Anfang der Corona-Krise noch nach Kündigung aus. Jetzt arbeiten sie alle wieder in Vollzeit.
"Das hier ist ein echter Wirtschaftsfaktor, der direkte Beschäftigung schafft, aber auch indirekt bei den Zulieferbetrieben. Wir sind ein richtiger Motor für die Region", erzählt Pedro Sáez, Tarmac Teruel.
Ökonomische Impulse für die Region
Und der Nachschub schwebt fast täglich ein, mit dabei auch viele Exemplare von der Fluglinie mit dem Kranich – ihre vorerst letzte Dienstreise geht nach Teruel. In den umliegenden Dörfern, etwa in Cella, freut man sich über den Erfolg des Flughafens. Als vor Jahren der Großparkplatz geplant wurde, gab es bei den Bauern noch Widerstände. Nun zieht der Flughafen Fachkräfte an – eine ganz neue Erfahrung in einer Region, in der so wenige Menschen wie am Polarkreis leben.
"Der Flughafen ist ein wichtiger Arbeitgeber, und wir hoffen, dass unser Dorf mit ihm weiter wachsen, und nicht schrumpfen wird", so Juan Sánchez, Bürgermeister Cella.
Im Industriegebiet des Dorfes sind diese ökonomischen Impulse direkt spürbar, etwa in der Schreinerei von Ernesto Izquierdo. Sein Betrieb stellt Verpackungsmaterial und Kisten für den Flughafen her. Die werden benötigt, wenn ein Flugzeug verschrottet und seine Einzelteile verschickt werden müssen. Ohne die Bestellungen vom Airport hätte die Schreinerei in der Corona-Krise erst einmal einpacken müssen.
"Wir vertrauen darauf, dass wir im bisherigen Rhythmus arbeiten können. Denn beim Flughafen geht es ja auf dem gleichen Niveau weiter, sie lassen nicht nach", sagt Ernesto Izquierdo, Schreiner.
Geschäftsmodell hebt ab
Der Parkplatz von Teruel – für manche Flugzeuge ist hier Endstation. Sie sind am Ende ihrer Lebenszeit angekommen oder gelten als unrentabel. Dann bleibt nur noch die Verschrottung. Doch der Großteil der Flieger soll irgendwann wieder einmal in die Luft – bis dahin müssen sie verpackt, gesichert und gewartet werden. Bald hat der Airport seine Kapazitätsgrenze von 130 abgestellten Maschinen erreicht, doch der Bedarf steigt weiter. Deshalb soll die Fläche noch einmal verdoppelt werden.
"Wir sind in Verhandlungen, um unsere Kapazitäten zu erhöhen und noch mehr Fluglinien unsere Dienste anzubieten", erzählt Pedro Sáez.
Ein Ende der Krise ist in der Luftfahrt nicht absehbar, viele Maschinen werden noch den Weg in die spanische Hochebene finden. Teruel, in das sich sonst kaum ein Tourist verirrt, ist plötzlich zu einem internationalen Knotenpunkt geworden – ein Flugzeug-Parkplatz, mitten im Kornfeld.
Autor: Stefan Schaaf/ARD Studio Madrid
Stand: 21.06.2020 20:22 Uhr
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