So., 18.06.23 | 18:30 Uhr
Das Erste
Spanien: Landwirtschaft leidet unter Wassermangel
70 bis 80 Prozent des in Spanien verbrauchten Wassers wird in diesem Sektor genutzt. Deutlich zu viel für die vorhandene Wassermenge, damit wir in Deutschland Gemüse und Obst das ganze Jahr über kaufen können. Zum Beispiel in Murcia: Wasser-Diebstahl, illegale Brunnen und Über-Nutzung trotz Klimawandels und eine untätige Regierung.
Wasser muss hunderte Kilometer weit geleitet werden
Es zerschneidet die Landschaft, das riesige Aquädukt der Wasserleitung Tajo Segura. Ein pharaonisches Werk sagt Umweltschützer Pedro Luengo – fast winzig fühlen wir uns in seinem Auto neben den Pfeilern. Noch in der Franco-Diktatur wurde diese Leitung geplant. Mehr als 300 Kilometer weit transportiert sie Wasser vom Fluss Tajo in Zentralspanien bis hierher in den Süden. "Das Wasser wird hierhergebracht, damit in den Trockengebieten Bewässerungslandwirtschaft betrieben werden kann, um Zitrusfrüchte, Obst und Gemüse anzubauen, das dann nach ganz Europa exportiert wird. Das Problem ist, dass das Wasser aus einem Fluss kommt, der durch den Klimawandel immer weniger Wasser führt. Je weniger Niederschläge wir haben, desto schwieriger wird es, von dort noch Wasser abzuleiten."
Was für ein monströses Unterfangen, denke ich beim Anblick dieser Rohre, Wasser hunderte Kilometer weit in eine trockene Landschaft umzuleiten. Aber nur so können hier Pfirsiche wachsen. Bauer Juan Luis Kabra und seine Mitarbeiter ernten heute Weinbergpfirsiche in seinem kleinen Familienbetrieb. Über eine Genossenschaft werden sie später vermarktet und exportiert, auch nach Deutschland. Ohne Bewässerung könnten diese Bäume hier nicht überleben. Das meiste Wasser bekommt Juan Luis Kabra aus der Wasserleitung Tajo-Segura – doch die Menge ist begrenzt. "Wir bekommen jetzt schon nur 60% der Wassermenge, die wir eigentlich bräuchten, es fehlen uns also 40%. Für dieses Jahr kommen wir gerade noch so klar, aber ob wir nächstes Jahr noch genügend Wasser bekommen, wissen wir nicht. Und ohne Bewässerung kannst Du hier nur noch Trockenbau betreiben." Und so funktionierts: Das Wasser aus der Leitung wird mit Nährstoffen, also Dünger versetzt. Zweimal am Tag setzt Juan Luis sein Bewässerungssystem in Gang, jeweils für zwei Stunden. Und dann gelangt es tröpfchenweise an den Baum. Während der Erntezeit bekommt so jeder Pfirsichbaum etwa 20 Liter Wasser pro Tag – plus Düngung.
Illegale Pumpen fürs Grundwasser
Immer mehr bewässerte Plantagen sind in der Region Murcia entstanden. Doch weil ihnen das Wasser aus der Leitung nicht reicht, zeigt mir Umweltschützer Pedro Luengo, haben manche Bauern zusätzlich illegal Grundwasser hochgepumpt. Diese Bilder der Guardia Civil zeigen solche illegalen Pumpen. Und weil das Grundwasser um Murcia zu salzig und nitratverseucht ist, haben die Bauern sogar heimlich private Entsalzungsanlagen gebaut – und die Salzreste einfach in der Natur entsorgt. Auch das ist natürlich verboten. "Das sind Vorgänge, die an Strukturen der Mafia oder der Drogenkriminalität erinnern. Dass Landwirte hier Anlagen unterirdisch oder in irgendwelchen Löchern vor der Polizei verstecken."
Die Salzlake aus den illegalen Anlagen und das überschüssige Wasser von den Feldern landen dann in Abwasserkanälen wie diesem. Eine Brühe voll mit Düngemitteln. Und die fließt ins Mar Menor, eine große Lagune, direkt an der Mittelmeerküste. Jetzt zu Beginn des Sommers wachsen schon wieder die ersten Algenteppiche, vor zwei Jahren gab es ein riesiges Fischsterben. Warum ist die Landwirtschaft so eine Bedrohung für das Mar Menor? "Das Problem ist, dass hier zu viele Düngemittel eingeschwemmt werden. Der Dünger, der zum Beispiel Salat wachsen lässt, der lässt natürlich auch die Algen im Mar Menor wachsen. Und wenn die Algen zu stark wachsen, weil sie so viel Nährstoffe bekommen, dann kippt das Ökosystem der Lagune und die Fische und andere Lebewesen sterben."
Regenerative Landwirtschaft
Gibt es eine Alternative zu dieser intensiven Bewässerungslandwirtschaft? Hier in La Junquera, einem fast verlassenen Dorf im Westen von Murcia sagen sie: Ja. Alfonso Chico de Guzman betreibt das Projekt: regenerative Landwirtschaft. Das heißt: die Böden so bewirtschaften, dass sie wieder gesund werden. Und zurück zu Pflanzen, die an das trockene Klima angepasst sind. Im großen Stil baut Alfonso hier aromatische Kräuter an: Salbei, Oregano, Lavendel. Daraus werden ätherische Öle hergestellt, die er ziemlich gut vermarkten kann. "Dieses Jahr hatten wir im Winter eine langanhaltende Dürre, bis in den Mai hinein. Unser ganzes Getreide ist kaputtgegangen. Aber den Kräutern geht es sehr gut, das wird eine top Ernte."
Hecken und Blühstreifen auf den Feldern – auch Mandelbäume haben sie hier angepflanzt, die ohne künstliche Bewässerung auskommen. Was Alfonso anders macht als die herkömmlichen Bauern: den Boden zwischen den Bäumen anstatt achtmal nur noch zwei- bis dreimal im Jahr umgraben, Unkraut bleibt lange stehen. "Die Gräser, die hier wachsen verhindern die Bodenerosion und bringen Nährstoffe ins Erdreich, so düngen wir, zusammen mit dem Kompost. Die Bäume werden gesünder und resistenter gegenüber Schädlingen und dem trockenen Klima." Ein Versuch, der die Massenproduktion von Obst und Gemüse noch nicht ersetzen wird. Aber irgendwo muss die Anpassung an das veränderte Klima ja mal anfangen.
Autorin: Ute Brucker
Stand: 18.06.2023 19:42 Uhr
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