Mo., 06.02.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
Südafrika: Bleichmacher für die Karriere
Noma ist 23, lebt im Township Diepsloot bei Johannesburg und bleicht seit drei Jahren ihre Haut. Sie stammt ursprünglich aus Zimbabwe und ist nun außergewöhnlich hellhäutig für eine Frau aus dem südlichen Afrika. Noma hat einen besonderen Grund, "weißer" aussehen zu wollen: Angst vor Fremdenfeindlichkeit. Immer wieder gab es Gewalt schwarzer Südafrikaner gegen Neuankömmlinge aus Nachbarländern. Und es gibt ein zweites Motiv: Viele Frauen, die sich bleichen, glauben, sie hätten größere Karrierechancen.
Die Kehrseite: Seit Noma die Creme anwendet, ist ihre Haut sehr empfindlich geworden, bei Sonnenschein schmerzt sie stark. Viele der Bleichmittel stehen im Verdacht, Krebs zu erregen und sind deshalb in Südafrika verboten: Doch gehandelt werden sie weiter – illegal. Eine Reportage von Thomas Denzel (ARD Johannesburg).
Wie die Stars und Sternchen in den Magazinen wollte sie sein. Doch das Ergebnis sieht ganz anders aus. Zinhle Msomi eiferte ihren Idolen nach: afrikanischen Frauen mit erstaunlich heller und reiner Haut. Sie benutzte eine hautaufhellende Creme – monatelang. Nun bedeckt eine Pilzinfektion ihre dünne und entzündete Haut. "Diese Cremes zerstören deine Haut, bringen Deinen ganzen Körper durcheinander", sagt Zinhle. "Aber die Leute kaufen sie, um schöner auszusehen – was zuerst auch tatsächlich funktioniert – aber nur die ersten 3 bis 6 Monate." Zinhle lebt in einem Armenviertel in der Nähe der südafrikanischen Hafenstadt Durban. Sie vermeidet es bei Sonnenschein rauszugehen, denn ihre Haut hat ihre natürliche Schutzschicht verloren. Heute aber muss sie die Wäsche machen. Sie trägt einen großen Hut, denn jeder Sonnenstrahl schmerzt auf ihrem Körper.
Hellere Haut aus Angst vor Fremdenfeindlichkeit
Bilder anderer Fälle: selbst Hautkrebs kann die Folge sein. Und – fast eine Ironie des Schicksals: manche Hautaufheller lösen eine Pigmentstörung aus, die die Haut noch dunkler werden lässt. Die Hautaufheller werden illegal meist an Straßenständen verkauft. Dieser Händler will deshalb nicht erkannt werden. Die Cremes und Tabletten enthalten Quecksilber, Hydrochinon oder Corticosteroide. Auch Noma Taela ist hier Kundin. Sie weiß, dass die Produkte verboten sind oder eigentlich nur auf Rezept erhältlich – aber sie schwört auf die Wirkung. "Schaut her", sagt sie. "So dunkel wie hier an den Knöcheln war ich einmal überall. Deshalb benutze ich diese Creme."
Noma hat sich ihre eigene Creme zusammengemixt – aus mehreren verschiedenen Präparaten. Sie benutzt sie täglich und hat dafür einen besonderen Grund: sie hat Angst vor fremdenfeindlicher Gewalt. Noma lebt in Johannesburg, kommt aber aus Simbabwe, wo die Menschen meist eine dunklere Hautfarbe haben als schwarze Südafrikaner. "Ich möchte nicht, dass die Leute wissen woher ich komme. Es gab Fälle, da haben sie hier Leute umgebracht, weil sie aus Simbabwe kamen. Deshalb benutzen ich und viele andere diese Cremes – damit wir aussehen wie die Schwarzen aus Südafrika."
Hellhäutig bedeutet erfolgreich?
Nur mit einem Schirm geht Noma an die Sonne – ihre Haut habe begonnen zu jucken, sagt sie. Erstes Anzeichen dafür, dass auch sie bald größere Hautprobleme bekommen könnte. Die Nachbarn hier dürften nicht wissen, dass sie ihre Haut bleicht, sagt Noma – selbst ihr Freund nicht. Auf der Strasse allerdings sorgt ihre helle Haut für Aufsehen. "Eine Frau mit hellbrauner Haut ist schöner als der Rest", ist sie überzeugt. "Männer lieben hellbraune Frauen", sagt er. "Vor allem, wenn sie dann noch einen grossen Hintern haben."
Kein Wunder – denn auf den Laufstegen Südafrikas und international wird dieser Trend gesetzt. Unter den schwarzen Models scheinen die hellhäutigen besonders erfolgreich zu sein. Manche benutzen Make-Up, andere Bleichcremes – einige geheim, andere ganz offen. Auch hier in dieser Agentur für Models und Schauspieler in Johannesburg berichtet man uns: es gebe bei den Kunden Vorlieben für bestimmte Hautfarben. Wer in den vergangenen Jahren Erfolg haben wollte, durfte nicht tiefschwarz sein. "Die Mainstream-Medien bevorzugen ganz klar hellbraune Menschen", erklärt die Schauspielerin Toni Ngoma, "ständig sieht man sie auf dem Bildschirm. Ist doch klar, dass alle dann so aussehen wollen – erst recht, wenn sie selbst in der Branche erfolgreich sein wollen. Leider haben einige Stars ihren Status sogar dazu missbraucht, um ihre eigenen Hautaufheller zu vermarkten – damit senden sie die ganz klare Botschaft, dass helle Haut attraktiver ist."
Späte Einsicht
Zinhle geht mit ihrem Hautproblem inzwischen zum Arzt. Eigentlich kann sie sich das gar nicht leisten. Aber ihre Ärztin will von ihr kein Geld – sie erforscht an der Universität Durban die schädlichen Wirkungen der Hautaufheller. Ihre Forderung: die Polizei müsse Frauen wie Zinhle schützen, indem sie strenger gegen den illegalen Handel mit den Cremes vorgehe. Und: die Ärztin sammelt Geld für eine Aufklärungskampagne. "Wir müssen schon Kindern beibringen, dass sie stolz auf ihre natürliche Hautfarbe sein können", sagt die Hautärztin Ncoza Dlova. "Dann werden sie verstehen, dass es egal ist welche Hautfarbe sie haben, dass es also keinen Grund gibt sich zu ändern."
Das sagt inzwischen auch Zinhle – zum Beispiel ihrer Nachbarin, wenn die zu Besuch kommt. Für Zinhle war es nicht leicht, mit ihrem Problem vor eine Kamera zu treten. Sie hat es getan, weil sie es für ihre Pflicht hält. "Ich will alle warnen, dieses Zeug ist extrem gefährlich. Ich weiss, die meisten werden mir nicht glauben. Heute nicht, aber hoffentlich eines Tages." Für Zinhle selbst kommt diese Einsicht zu spät. Mit einer Creme kann sie ihre Schmerzen lindern. Doch die Schutzschicht ihrer Haut ist für immer verloren.
Stand: 13.07.2019 20:58 Uhr
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