Mo., 03.12.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
Südafrika: Kohle für Deutschland
Morgen beginnt in Katowice die UN-Klimakonferenz. Während wir in Deutschland über den Ausstieg aus der Kohle diskutieren, werden in Südafrika neue Minen erschlossen und neue Kraftwerke gebaut. 90% seines Stroms erzeugt Südafrika mit Kohle; und Deutschland ist gleich zweifach beteiligt am Geschäft.
Deutsche Firmen bauen an neuen Kraftwerken mit
Während hier die letzten Steinkohlezechen schließen, wird Kohle aus Südafrika importiert. Und deutsche Firmen bauen an neuen Kraftwerken mit. Die meisten sind wahre Drecksschleudern, verpesten die Luft mit Feinstaub, Schwefel- und Stickoxiden. Den Preis dafür zahlen die Ärmsten. Es ist kein guter Platz für Kinder. Zehn Menschen leben in diesen zwei Hütten in der Siedlung Masakháne. Sie liegt im Nordosten Südafrikas, in der Kohleprovinz Mpumalanga. Direkt neben Masakháne erhebt sich das Kohlekraftwerk Duhva, ein dreckiger Gigant. Seine Abgase vergiften Wasser und Luft, die Menschen in Masakháne bekommen es zu spüren.
"Das Kind meiner verstorbenen Tochter hustet seit jeher. Meine Enkelin musste immer wieder ins Krankenhaus, aber es wird und wird nicht besser. Wir wissen nicht, was dahintersteckt", so Anna Mnisi.
Vor 20 Jahren wurden die Menschen hierher umgesiedelt, sie mussten einer Kohlemine weichen, verloren ihr Land. Entschädigt wurden sie nicht. Sie finden keine Arbeit im Kraftwerk. Nicht einmal Strom haben sie im Schatten der Hochspannungsmasten.
"Strom ist ein großes Problem, wir wollen wissen, warum Eskom, der staatliche Kraftwerksbetreiber, die Leute nicht mit Strom versorgt. Denn sie leiden unter den Schadstoffen. Auch aus den Kohleminen, aber die Siedlungen bekommen nichts", erzählt Pinkie Langa, Mitarbeiterin einer lokalen NGO.
Stickoxid-Belastung weltweit nirgends so hoch wie in Mpumalanga
Die Kraftwerke und die Minen liegen oft nebeneinander. Aus den Schornsteinen dringen Schwefel- und Stickoxide, die Minen produzieren giftige Abwässer und Staub. Nach einer Greenpeace-Untersuchung ist die Stickoxid-Belastung weltweit nirgends so hoch wie in Mpumalanga. Auch der Wasserbedarf ist enorm. Flüsse werden gestaut, um die Kraftwerke zu versorgen. In einem Land, in dem Wassermangel herrscht.
Victor Munnik, Geologe an der Universität Johannesburg beschäftigt sich seit Jahren mit den Folgen der Umweltverschmutzung für die Bevölkerung. Atemwegserkrankungen, Hautausschläge, aber auch Spätfolgen wie Lungenkrankheiten und Krebs. "Nach unseren Berechnungen gibt es in Mpumalanga deshalb jährlich 2.200 Todesfälle. Menschen die vorzeitig sterben, weil sie der von der Kohleindustrie verursachten Verschmutzung ausgesetzt waren", berichtet Victor Munnik.
Die ganze Provinz gleicht einem Flickenteppich voll schwarzer Löcher. Zwölf riesige Kohlekraftwerke stehen hier. Noch immer erzeugt Südafrika 90% seines Stroms mit Kohle. Aber das Image der Kohle ist schlecht. Die großen Unternehmen verkaufen deshalb die Minen. Die Probleme bleiben.
"Die kleinen Unternehmen haben nicht die Mittel, die Minen zu rekultivieren. Wir sehen häufig, dass Minen verlassen wurden, als die Kohle zur Neige ging. Und es ist ein großes Problem, dass die internationalen Multis sich ihrer Verantwortung entziehen, indem sie die Minen verkaufen", so Victor Munnik.
Umweltministerium setzt auf Ausstieg aus Kohleindustrie
Südafrika setzt aber weiter auf Kohle. Neue Kraftwerke werden gebaut, Kusile wird eines der größten. Mit deutscher Hilfe. Am Bau sind 19 deutsche Unternehmen beteiligt, an der Finanzierung eine deutsche Bank. Der Betreiber ist das staatliche Unternehmen Eskom. Umweltstandards? Wasserverbrauch? Filteranlagen? Wir hätten Eskom dazu gerne befragt, aber wir bekommen kein Interview. Im Umweltministerium setzt man inzwischen auf den Ausstieg aus der Kohleindustrie, den Übergang zu erneuerbaren Energien – langfristig. Und man erwartet, dass sich die deutschen Unternehmen und Banken nicht nur am Bau von Kraftwerken beteiligen, sondern auch an der Lösung der Umweltprobleme.
"Ich denke, da muss es eine Verbesserung geben. Wenn man in Kohle investiert, muss man überall mitwirken, und die Kohleindustrie sollte versuchen, ihre Probleme zu verringern", erzählt Thuli Khumálo, Ministeriumssprecherin.
"Südafrika wird als Dritte-Welt-Land angesehen, wo du das Geschäft, das im eigenen Land nicht akzeptiert wird, abladen kannst. Es ergibt finanziell für manchen Investor und manche Bank Sinn, aber das ist ein unethisches Verhalten einem anderen Land gegenüber", sagt Victor Munnik.
Menschen leiden weiter unter Kohleindustrie
Außerdem würde Deutschland eigene Kohleminen schließen und dafür Kohle importieren, Umweltverschmutzung damit verlagern. Tatsächlich bezieht Deutschland bis zu zehn Prozent seiner Kohle aus den Minen Südafrikas. Also werden die Minen weiter ausgebeutet. Immerhin, die Anwohner dürfen umsonst Kohle für den Eigenbedarf sammeln. Zum Beispiel Bongi Machangu mit ihrer Tochter Zinhle. Sie leben direkt neben der "T&DB Mine"; noch immer arbeiten hier kleinere Unternehmen, obwohl sie eigentlich schon lange geschlossen ist. Ein gefährlicher Ort, denn seit Jahrzehnten brennt die Mine unterirdisch.
Sie bestimmt das Leben der Menschen in Forsman, einer kleinen Siedlung unweit der Mine. Sie bekommen den Dreck ab, leiden vor allem unter den unkontrollierten Sprengungen in der Mine. Bongi Machangu hat es besonders schlimm erwischt. Vor drei Jahren wurde bei einer solchen Sprengung ihre Tochter Zinhle verletzt, sie leidet seither unter epileptischen Anfällen, vor kurzem traf es Bongi selbst.
"Es war am 5. Juni, ich hab gerade das Essen für die Kinder gemacht, es war so gegen halb zwei Mittags, als ich plötzlich eine Explosion gehört habe...Es machte zzzzz. Ich fiel auf den Boden, irgendjemand schleppte mich nach draußen, und dann stürzte das halbe Haus in sich zusammen. Ein Bekannter brachte mich ins Krankenhaus", erzählt Bongi Machangu.
Ihren Arm sagt sie, könne sie bis heute nicht richtig bewegen. Eine Entschädigung habe sie nicht bekommen. Ob in Forsman oder Masakháne, die Menschen werden weiter unter der Kohleindustrie leiden. Und sie sogar selbst befeuern, weil sie die Kohle brauchen, um zu kochen und im Winter damit zu heizen.
Autor: Stefan Maier / ARD Studio Johannesburg
Stand: 30.08.2019 03:43 Uhr
Kommentare