So., 03.02.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
China: Smog – der giftige Nebel wird dichter
Inzwischen sind 13 Prozent des Landes betroffen, eine Fläche viermal größer als Deutschland. Schuld ist neben dem immer dichter werdenden Verkehr vor allem Chinas enormer Kohleverbrauch, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt verbraucht fast so viel Kohle wie der Rest der Welt zusammen. Die Folgen: Atemwegsprobleme und Herz-Kreislauferkrankungen. Und die sonst so duldsame Bevölkerung begehrt auf, fordert radikale Maßnahmen zur Schadstoffreduzierung. Christine Adelhardt berichtet. ARD Peking
Wir sind nicht irgendwo in der Provinz, sondern tatsächlich in Peking. An den Rändern der Megametropole leben hunderttausende Wanderarbeiter mit ihren Familien. Herr Zhang ist einer von ihnen. Seine winzige Kammer beheizt er mit einem kleinen Kohleofen. 15 Cent kostet ein Brikett. Günstig und bequem ist das für Herrn Zhang. Der Ofen ist Heizung und gleichzeitig Herd, um Essen zu kochen. Es ist warm im Zimmer und Kohlequalm liegt in der Luft. „Ohne Kohle geht es nicht. Der Winter in Peking ist kalt, ohne Heizung hält man es nicht aus. Mit Strom zu heizen, kann ich mir nicht leisten. Strom ist viel zu teuer. Ich muss mit Kohle heizen, das ist billiger und praktisch.“ Aber eben auch extrem umweltschädlich. Denn so wie Herr Zhang heizen in Peking Hunderttausende und im Großraum sind es Millionen von Menschen, die auf ihre Kohleöfen angewiesen sind.
Ein Faktor von vielen, der regelmäßig dazu führt: Smogalarm. Apokalyptische Bilder. Horrende Feinstaubwerte. Die Sonne ist oft tagelang nicht zu sehen. Hochhäuser verschwinden im Dunst. Die Luft stinkt nach Verbranntem, die Augen tränen. Alltag für die Menschen in Peking. „Hauptursache für den Smog ist der enorme Kohleverbrauch“, sagt Li Yan von Greenpeace China. „Da sind die Privathaushalte, die mit Kohle heizen, Kohlekraftwerke für die Stromgewinnung und all die anderen Industriebetriebe: Eisen- und Stahl-, Zement- und Chemiefabriken. Alles Energiefresser die ihren Energiebedarf decken, indem sie Kohle verbrennen.“ China verbraucht heute fast soviel Kohle wie der Rest der Welt zusammen. Das ist der Preis für das stetige Wirtschaftswachstum der letzten 30 Jahre: enormer Energieverbrauch. Mit verheerenden Folgen für die Umwelt. Selbstverständlich gibt es auch hochmoderne Vorzeigeanlagen wie diese. Die eingebauten Filter erfüllen strengste Umweltauflagen. Die Regel aber ist das nicht. „Wenn Fabriken mit ihrem Schadstoff-Ausstoß über dem Grenzwerten liegen, dann müssen sie mehrere 10 000 Euro Strafe zahlen, aber der Einbau von Filtern würde ein Vielfaches davon kosten. Daher zahlen die Firmen lieber die Strafe.“
Mit dem Wirtschaftswachstum kam der Reichtum und damit ein Millionenheer von Privatfahrzeugen. Ein eigenes Auto ist für die neue Mittelschicht Statussymbol. Allein in Peking sind 5,2 Millionen PKW zugelassen. Die Folge: Dauerstau und extreme Abgaswerte. Dazu kommt: Benzin in China enthält zu viele Schadstoffe. Angeblich fünfmal mehr Schwefel Dioxid als in den USA. Der Grund: veraltete Produktionsmethoden der großen Ölkonzerne. Die freilich weisen alle Schuld von sich. Doch zu lange haben sich staatseigene Betriebe und die Regierung geweigert Schadstoffe überhaupt zu messen. Damit ist nun Schluss. „Seit 1. Januar werden die Werte für Feinstaubpartikel in ganz China erstmals veröffentlicht“, sagt Zhu Tong vom Institut für Umwelttechnik der Universität Peking. „Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache und belegen das ganze Ausmaß der Verschmutzung. Das hat dazu beigetragen, dass Smog jetzt als wichtiges Problem wahrgenommen wird.“
Nach tagelangem Smogalarm ist der Unmut in der Bevölkerung groß. In den Krankenhäusern der Stadt: lange Warteschlangen. Atemwegserkrankungen haben sprunghaft zugenommen. Kinder und alte Menschen leiden besonders. „Natürlich bin ich besorgt“ sagt eine Mutter. „Mein Kind hat eine Hautallergie. Bislang hatten wir das gut im Griff aber der Arzt hat gesagt, wegen der schlechten Luft wird das schlimmer werden und mehr Menschen werden leiden.“
Jetzt berichtet sogar das Staatsfernsehen über Umweltgefahren. Bis vor kurzem hatten die staatlich zensierten Medien immer nur von „Nebel, nie von „Smog“ gesprochen. Angeblich gibt es nun Kontrollen in Betrieben, werden manche Fabriken sogar vorübergehend stillgelegt. Viele halten das für reine Propaganda. In China werden gerne Zahlen geschönt, Kontrolleure bestochen. Aber Umweltschutz ist jetzt mehr denn je Thema. Aufwind für Umweltaktivisten wie Greenpeace. Jahrelang mussten sie vorsichtig sein, jetzt können sie deutlichere Kritik üben. „Die Lokalregierungen haben bislang immer alle Augen zugedrückt“, meint Li Yan von Greenpeace China. Viele Betriebe sind die größten Steuerzahler in ihrer Region und wesentlicher Bestandteil für das Wirtschaftswachstum. An die traut man sich nicht ran. Wir haben zwar viele Gesetze und Umweltauflagen aber sie werden nicht umgesetzt. Es gibt kein funktionierendes Kontrollsystem.“
Protest gegen Regierungsentscheidungen: das gibt es in China immer häufiger. Wie hier in Qidong. Die Regierung hatte den Bau einer umweltgefährdenden Pipeline genehmigt. Gegen den Willen der Bevölkerung. Immer öfter gehen Menschen gegen Behördenwillkür auf die Straße und für mehr Umweltschutz. Chinas Bürger begehren auf. „Je mehr sich die Menschen über Gesundheitsrisiken durch Umweltverschmutzung bewusst werden, desto höhere Ansprüche haben sie an die Regierung“, sagt Zhu Tong vom Institut für Umwelttechnik der Universität Peking. „Sie wollen mehr Sicherheit und eine sauberere Umwelt. Wenn es der Regierung nicht gelingt diese Forderungen zu erfüllen, dann kann das die Stabilität der Gesellschaft gefährden.“ Smog: in China ist das nicht nur ein Umweltproblem. Chinas Wachstum stößt an seine Grenzen gleichzeitig erwacht das Umweltbewusstsein der Bürger. Ein Dilemma auf das der Ein-Parteien-Staat Antworten finden muss.
Stand: 22.04.2014 14:10 Uhr
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