So., 03.02.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Südafrika: Der Traum von der Regenbogennation
Schwarzer Papa, weiße Mama, noch immer ist das alles andere als selbstverständlich im einem Land, das vor fast zehn Jahren die Apartheid abgeschafft hat. Doch von Mandelas Utopie des friedlichen Miteinanders der Rassen ist nicht mehr viel übrig. Die herrschende Regierung von Jacob Zuma dreht das Rad wieder zurück. Ulli Neuhoff porträtiert die Tshabalalas, die, obwohl wirtschaftlich gut gestellt, noch immer gegen viele Widerstände kämpfen müssen. ARD Johannesburg
Um Videospiele geht es in Pippas Sendung. Jung und cool, die Sendung wie die Moderatorin, einmal die Woche im Privatradio in Johannesburg. Ihr Publikum, selten älter als 25. Alles Menschen, die nach dem Ende der Apartheid aufwuchsen. Die Generation des neuen Südafrika. „Gerne stelle ich mir vor, dass ich für eine Regenbogen-Nation sende“, sagt die Radiomoderatorin Pippa Tshabalala. „Sicher kann ich mir aber natürlich nicht sein. Aber die Menschen, mit denen ich über Twitter und Facebook Kontakt habe, sind eindeutig gemischt.“ Das ist Pippas Mann Sekwa, seit der Schulzeit ein Paar, Hautfarbe schwarz und das der gemeinsame Sohn. Eine junge Familie. Die so kaum jemandem auffallen würde, wären wir nicht in Südafrika.
Auch das ist eine südafrikanische Seltenheit. Weiße, die nach Soweto fahren. Für Pippa ist das Verwandtschaftsbesuch, denn hier wohnen die Schwiegereltern Die Beziehung ist über fast zehn Jahre gewachsen. Mittlerweile sind die Besuche am Wochenende eine Selbstverständlichkeit. Alles wäre so unheimlich normal, fast langweilig für Außenstehende, wäre da nicht die südafrikanische Vergangenheit, die diese Beziehung der zwei Familien zueinander so außergewöhnlich macht. „Sie gingen in dieselbe Schule“, erzählt Wesley Tshabalala, Vater von Sekwa, „da mussten wir mit solchen Dingen rechnen. Aber wir dachten, dass es anderen Familien passiert. Niemals uns. Dann glaubten wir, es sei eine kindliche Schwärmerei. Die Dinge würden sich später wieder ändern, das taten sie aber nicht“.
Wir haben uns auf die Suche nach weiteren Beispielen für die Regenbogen-Nation gemacht. Wieder junge Leute. Wieder das neue Südafrika. Und wir haben nachgezählt. Gerade mal 10 Menschen mit weißer Hautfarbe. Ein Prinzip der Apartheid war es, dass Schwarze und Weiße getrennt lebten mussten. Hier in der Provinz, vier Autostunden von Johannesburg und Soweto entfernt, wohnten fast nur Schwarze. Die Männer arbeiteten in der Stadt, Frauen und Kinder blieben zurück. Viel hat sich daran nicht geändert. Hier hat Wesley seine Wurzeln. Das ist seine Heimat, hier kommt er so oft er kann her. Kulturell fühlt er sich nicht mit der Stadt, sondern mit den Traditionen hier und mit dieser Landschaft verbunden. „Wir rannten von da ganz hinten, da bei den Bäumen bis hier hin. Und zurück. Da sind Orangenbäume und Apfelbäume. Das war eine schöne Gegend.“ „Eine glückliche Zeit?“ „Eine sehr glückliche Zeit.“
So sieht die Regenbogen-Nation hier aus. Mehr als zwanzig Jahre nach der Apartheid hat sich ihr Leben nur geringfügig geändert. Menschen mit anderer Hautfarbe begegnen sie so gut wie nicht. Die Männer essen getrennt von den Frauen. Traditionen bestimmen das Leben hier auf dem Land. „Mit zunehmendem Alter fühle ich meine Wurzeln wieder“, meint Wesley. „Jetzt möchte ich mehr mit den Menschen hier zu tun haben.“ „Mein Vater ist sehr afrikanisch“, sagt Sekwa Tshabalala. „Wir wurden aber nicht streng ethnisch kulturell erzogen. Wir durften uns frei entwickeln vielleicht spielt die afrikanische Kultur in meinem Leben deshalb keine riesige Rolle.“ Sekwa wohnt mit Pippa bei der Schwiegermutter in einem weißen Vorort. Weil dort Platz für die junge Familie war. Eine Selbstverständlichkeit für sie. Hautfarbe, für sie ist das kein Thema, wären da nicht immer wieder die Fragen der anderen. „Da gibt es immer diese Wahrnehmung, Du musst etwas anders gemacht haben, weil sie weiß ist, du musst etwas besser gemacht haben. Ich sage immer, in dem Moment, in dem du die Hautfarbe siehst, hast du es falsch gemacht, schon wieder falsch.“
„Ich hatte befürchtet, dass es Probleme geben könnte“, meint Pippas Mutter Linda Stalker. Die beiden schienen aber entspannt. Mir dagegen wurden viele Vorwürfe gemacht, weil ich ihnen erlaubt hatte zusammen zu sein.“ Dabei geht es in den meisten Fällen nicht einmal um Ablehnung. Viel wichtiger ist, dass die verschiedenen Gruppen der Regenbogen-Nation gar nicht zusammen kommen. Das gilt für die Weiße Mittelschicht in ihren Vororten. Genauso wie für die schwarze Mehrheit in Soweto. Auch wenn man sich bei der Arbeit trifft, privat bleiben die Welten getrennt. Wie schon damals während der Apartheid. „Es gab keinen Austausch zwischen uns. Die einzigen weißen Menschen, die wir hier sahen, das waren Polizisten“, sagt Wesley. So hat sich unter Zwang das entwickelt, was heute ihr stolzes Soweto ist. Ihre Stadt neben dem von Weißen dominierten Johannesburg. Hier führt Wesley sein eigenes Unternehmen. Mit Särgen und Bestattungen verdient er das Geld, dass seinem Sohn die Privatschule im weißen Vorort ermöglichte. „Die mögen das hier nicht, den Staub und alles. Wir verstehen das, weil wir von Schlimmerem kommen. Dieser Staub ist besser als vorher.“ Besser geht es uns heute, meint Wesley, weil wir den Übergang von der Apartheid friedlich geschafft haben. Der Begriff Regenbogen-Nation half dabei als Utopie. Die Idee: Die verschiedenen Rassen gehen aufeinander zu, um das neue Südafrika aufzubauen - gemeinsam. „Die Regenbogen-Nation war eine gute Idee. Aber die neuen Machthaber fühlen sich dem nicht mehr verpflichtet.“ „Da ist so viel Geschichte, die man nicht so einfach vergessen kann“ meint Pippa. „Wenn du dich öffnen kannst und es trotzdem hinbekommst, dann ist das phantastisch. Aber ich glaube nicht, dass unsere Generation, die Regenbogen-Nation ist, auf die so viele Menschen hoffen.“ Immerhin ist es heute möglich, dass sich Schwarze und Weiße auf Augenhöhe begegnen. Noch ist es selten, aber – und das wird oft vergessen – es sind noch nicht einmal 25 Jahre vergangen, seit die Rassentrennung abgeschafft wurde.
Stand: 22.04.2014 14:10 Uhr
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