So., 17.11.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Frankreich: Der Niedergang Hollandes
Noch kein Präsident der Fünften Französischen Republik hatte schlechtere Umfragewerte als der Sozialist Francois Hollande. Wo er auftaucht, wird er ausgepfiffen, für manche Zeitungen taugt er noch nicht einmal mehr zur Karikatur. Das Land selbst scheint gelähmt. Tragisch für Frankreich, aber auch für Europa, dem zunehmend Staatsführer/innen von Gewicht und Durchsetzungskraft abhandenkommen. Über den Niedergang des einstigen linken Hoffnungsträgers berichtet Markus Preiß, ARD Paris.
Es ein Ort, der Macht ausstrahlt, Größe und Geschichte. Ich bin im Elysée-Palast - dem Sitz des französischen Präsidenten. Wer hier regiert, hat eine Machtfülle wie kaum ein anderer westlicher Staatschef. Nur: Der Hausherr, den ich hier sehe, wirkt angeschlagen. Fast 80 Prozent der Franzosen halten Francois Hollande für den falschen Mann an diesem Ort. „Die Euphorie war riesig, als Hollande vor gerade mal 18 Monaten gewählt wurde“, so ARD-Korrespondent Markus Preiß. “Nun hat er die schlechtesten Umfragewerte, die je ein französischer Präsident hatte. Die Frage ist: Warum?“
Pfiffe, Buhrufe - im Herzen von Paris wurde der Präsident diese Woche regelrecht gedemütigt. „Hollande hau ab, tritt zurück!“, rufen sie. Mich schockiert, welche Verachtung ihm entgegen schlägt - und das selbst hier, wo das Land eigentlich der Toten des 1. Weltkriegs gedenkt. Bei allem Streit, ruft dieser Franzose: Wer noch ein bisschen Nationalstolz hat, der hält hier die Klappe!
Doch warum schweigen die Franzosen nicht mehr? Ich bin beim Figaro, einer konservativen Zeitung, die Hollande mit am schärfsten kritisiert. Der Ressortleiter für Innenpolitik erzählt mir: Er glaube, dass selbst linke Franzosen insgeheim Kürzungen, eine Art französische Agenda 2010 erwarten. Hollande aber sei dazu nicht in der Lage. „Ein Staatschef muss entscheiden“, erklärt Francois-Xavier Beaumont von Le Figaro. „Aber Francois Hollande verhält sich als Staatschef so, als wäre er immer noch der Parteisekretär, der alle Strömungen bedienen muss. Er ist ein Mann, der den Konflikt scheut, für den es ein Horror ist, Entscheidungen zu treffen. Bestes Beispiel - die berühmte Affäre Leonarda.“
Leonarda: Dieses Roma-Mädchen markiert den Tiefpunkt in Hollandes Amtszeit: Sie und ihre Familie wurde ins Kosovo abgeschoben - juristisch alles rechtens. Doch dann gab es Proteste - und Hollande erklärte in einer Fernsehansprache, das Mädchen dürfe zurückkommen. Vor - zurück - und wieder nach vorn - auch auf mich wirkt Hollande wie ein Getriebener, nicht wie ein mächtiger Staatsmann, der die Richtung vorgibt. Das gleiche Muster bei der längst beschlossenen LKW-Maut. Nach heftigen Protesten in der Bretagne - setzte Hollande sie einfach wieder aus.
Ein Frankreich ohne Führung - am Rande der Revolte: Ich spüre, diese Vorstellung tut auch dem konservativen Figaro-Journalisten weh. „Das Schlimme ist: dass Hollande in diesem Zustand auch in Europa nichts mehr zu sagen hat“, so Francois-Xavier Beaumont von Le Figaro. „Er hat dort kein Gewicht mehr, kann die Dinge nicht mehr für so richtig beeinflussen.“ Sie glauben also, frage ich, dass die Führungskrise hier noch für ganz Europa zum Problem wird. „Ja, vor allem, wenn man sieht, wie dadurch in Frankreich die Zustimmung für die Rechtsextremen wächst. Das kann eine Katastrophe in Europa auslösen.“
Der Absturz des Francois Hollande: Das Fiasko titeln die Zeitungen. Oder: Wo ist der Chef? Ich kann jeden Tag in Paris lesen, wie schwer das Ansehen des Präsidenten beschädigt ist. Wie kann man ihn absetzen, wird hier spekuliert. Und dort werden selbst Psychologen ernsthaft befragt, ob Hollande noch zu helfen ist. Der Präsident als Therapiefall. Wie kann man so eine Stimmung wieder drehen? Ich treffe einen Experten fürs Unbeliebt-Sein. Jerome Fourquet ist Meinungsforscher - doch einen Absturz wie den von Hollande hat auch er selten gesehen. Er zeigt mir: Kein französischer Präsident stand je so schnell so schlecht da. Und erklärt mir, dass das für Hollande zum strategischen Problem wird. Denn nur populäre Politiker könnten unpopuläre Entscheidungen treffen. 23% Zustimmung - viel zu wenig für große Reformen. „Um aus dieser Lage wieder rauszukommen, wäre es jetzt absolut notwendig, dass die Regierung sich sofort auf ein, zwei Dinge konzentriert: Jugendarbeitslosigkeit - oder Wachstum“, sagt Jerôme Fourquet vom Meinungsforschungsinstitut IFOP. „Und dass sie dann nur noch davon spricht. Nur so wird überhaupt wieder eine Linie in der Politik sichtbar.“
Doch ist er dazu in der Lage? Macht und Prunk seines Amtes nicht nur als Druck zu sehen - sondern als Chance? Francois Hollande hat gezeigt, dass er handeln kann - beim Mali-Krieg etwa. Doch mir selbst erscheint der Präsident derzeit beleidigt, vielleicht gar tief verletzt. Ein trotziges "Jetzt-erst-recht" auf der Baustelle Frankreich kann ich derzeit nicht erkennen. Ein Jetzt erst Recht - auf das aber ganz Europa wartet.
Stand: 15.04.2014 10:55 Uhr
Kommentare