So., 16.06.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Südafrika: Mandela darf nicht sterben
Er ist der Vater der Nation, er ist eine Ikone des Freiheitskampfes und er ist der Inbegriff der Versöhnung. Er ist unsterblich: Nelson Mandela. Einst hat er den langen Weg zur Freiheit angetreten und nur schwer kann sich eine Nation daran gewöhnen, dass ihr Nationalheld vielleicht seinen letzten langen Weg antreten wird. Nelson Mandela ist schwer krank und Südafrika muss sich auf den Tag vorbereiten, an dem es heißen wird: „Hamba Kahle“ – Lebe wohl. Ein Bericht von Ulli Neuhoff, ARD Johannesburg
Geschichtsunterricht ist es schon jetzt, wenn Shadrack Motau durch das Mandelahaus in Soweto führt. Ein Museum, das bereits zu Lebezeiten die Lebensleistung Mandelas würdigt. Von 1945 an – da wurde das Haus gebaut, erzählt der Fremdenführer, wohnte Mandela mit seiner Familie hier. Einen Hund hatten sie damals, weil Mandela selten zu Hause gewesen sei, erfahren die Besucher. Schon damals war er ein Aktivist gegen das Apartheid-Regime und ständig unterwegs. Soweto verließ Mandela, als Präsident im neuen Südafrika wohnte er später luxuriöser. Ist er noch einer von Euch, ein Soweto-Junge? „Ganz eindeutig, er ist einer von uns“, sagt Shadrack. „Besonders nach seiner Freilassung. Er besuchte jedes einzelne Haus in der Umgebung. Und er war immer so bescheiden, wenn er die Menschen traf. Ich fragte ihn damals, warum und er sagte: Du musst auf Augenhöhe mit den Menschen sprechen.“
Das Krankenhaus in Pretoria, in dem Mandela behandelt wird im Belagerungszustand. Jedes Detail, jede Nuance ist jetzt eine Nachricht, Familienmitglieder betreten das Krankenhaus. Sein Zustand sei kritisch aber stabil, erfährt die Weltöffentlichkeit vom Sprecher des Präsidenten. Genesungswünsche vor dem Privathaus von Nelson Mandela. Madiba - wie sie ihn ehrfurchtsvoll nennen - ist fast 95 Jahre alt. Zu jung zum Sterben. „Er muss sich erholen, er soll nicht mehr ins Krankenhaus gehen. Gute Besserung Papa Madiba“, sagt ein Schüler. Und Jacob Zuma, der Präsident Südafrikas, konnte am 12. Juni 2013 verkünden: „Ich bin glücklich berichten zu können, dass Madiba seit diesem Morgen besser auf die Behandlung anspricht.“ Applaus im Parlament. Noch nie war ein Krankenbericht zuvor Gegenstand einer Regierungserklärung des Präsidenten.
Vielleicht zeigt das am besten, welche Bedeutung Nelson Mandela für Südafrika hat. Ikone, der Vater der Nation. Einiger und auch ein bisschen der Schutzengel für ein ganzes Land. Und einer, der ausgebeutet wird. Denn er ist immer noch wichtig für das eigene Image. Die ANC-Führung zu Besuch, im April, Mandela scheint abwesend, die Kamera dreht trotzdem. Image und Ruhm, beides ist mit dem Namen Mandela zu machen. Und Geld, das zumindest versuchen zwei, der Enkelinnen. Mit einer Reality-Show. Der Kampf ums Erbe hat längst begonnen. Viele wollen ihn – auch aus ehrenwerten Gründen – nicht gehen lassen. Kaum jemand traut sich über seinen Tod nachzudenken. Zumal das zutiefst unafrikanisch wäre, erklärt Shadrack, der Fremdenführer. Wer über das Sterben eines Lebenden spricht, wünscht seinen Tod herbei, ein Tabu in Südafrika. „Wenn wir wünschen dass eine Seele heilen möge, dann meinen wir, dass wir ihn gehen lassen müssen, wir sagen es indirekt, nicht offen. Aber ich habe sicher keine Angst zu sagen, dass Vater Madiba so viele Jahre gelitten hat, besonders im letzten Jahr, als er ständig im Krankenhaus war. Warum öffnet der Allmächtige nicht seine Tore und lässt ihn eintreten?“
Nun gut, auch hier in Soweto leben sie vom Ruf ihrer Helden, hier aber haben sie den gleichen Kampf geführt wie Mandela. Und hier ist es, wo Touristen aus der ganzen Welt die Aura von Nelson Mandela suchen. „Das ist berührend, sehr berührend“, sagt der Tourist Matthias Schlei. „Ich habe es natürlich in Deutschland gehört und als ich in Südafrika ankam hat mir eine Freundin geschrieben, dass sich selbst sein Familie schon um ihn versammelt. Ja, ich hab das so hingenommen, aber jetzt wo ich hier so stehe: Es geht sehr nahe. Und man merkt an jeder Ecke, was für eine Bedeutung dieser Mann für das ganze Land hat.“ Kein Wunder also, daß sie beten. Für seine Genesung, vielleicht aber auch dafür, dass er weiter seine Hand über das Land hält. Wie ein Schutzengel, den sie einfach noch brauchen.
Stand: 15.04.2014 11:18 Uhr
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