So., 27.04.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Dominikanische Republik: Haitianer not Welcome
Die Dominikanische Republik ist ein karibisches Paradies. Zumindest für die Millionen Touristen, die jährlich die Traumstrände bevölkern. Nicht aber für die Millionen Haitianer, die die dort arbeiten. Hispaniola nennt sich die Insel, auf der sich Haiti und die Dominikanische Republik befinden. Die Grenze zwischen beiden Ländern ist auch eine zwischen arm und reich. Den Reichtum wollen aber immer weniger Dominikaner mit ihrem Nachbarn teilen. Die dominikanische Regierung will hunderttausenden Dominikanern mit haitianischen Wurzeln das Bürgerrecht und den Pass entziehen und illegal im Land lebende Haitianer massenweise in ihr Heimatland deportieren. Über einen Konflikt, der zunehmend rassistische Züge annimmt, berichtet Peter Sonnenberg, ARD-Studio Mexiko.
Immer noch ungläubig läuft Paul Unick durch die Ruinen. In diesen Häuschen in der dominikanischen Stadt Santiago lebten bis vor ein paar Wochen ein Dutzend Haitianer und Dominikaner mit haitianischen Vorfahren. Bis die Migrationspolizei kam sagt er und alles klein schlug. "Es ist sehr wichtig, dass ich Euch das erzähle, aber wenn die dominikanische Polizei es erfährt ist mein Leben in Gefahr. Ich habe Frau und Kinder in Haiti, und keine Lust hier umgebracht zu werden." Solche Polizeieinsätze sind keine Seltenheit. Die Polizei sucht illegale Einwanderer und schiebt sie ab. Aber auch wer Papiere hat, sagen uns die Leute, werde diskriminiert. "Ich glaube von allen Völkern sind die Dominikaner die größten Rassisten die es gibt", sagt Keline Vincent, Dominkanerin mit haitianischen Vorfahren. "Dabei haben wir alle das gleiche Blut."
Aber sie leben in zwei Welten. Ganz früh morgens fahren wir an den Grenzfluss zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik, zwei Länder auf einer Insel – Hispañola! Zehntausende Haitianer, die sich keine nassen Füße holen wollen, warten auf der Grenzbrücke bis die Grenzer das Tor aufmachen. Die meisten wollen auf den dominikanischen Markt – einkaufen – oder ihre eigenen Waren verkaufen. Manche aber wollen hierbleiben und die sind den Dominikanern ein Dorn im Auge.
"Das Verhältnis zwischen Haitianern und Dominikanern leidet unter den Vorurteilen des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit", erklärt Padre Regino Martinez Bretonis, Jesuit in Grenzstadt Dajabon und Kontaktmann für Haitianer in DomRep. "Das liegt daran, dass wir Dominikaner denken, wir seien Europäer, Spanier und die da drüben Afrikaner, Sklaven. Wir sehen nicht, dass wir von ihnen profitieren, von den Arbeitern auf Baustellen und Feldern, und von den Kunden auf unseren Märkten."
Die Dominikanische Republik ist nicht reich, aber im Vergleich zu Haiti erscheint sie den Grenzgängern als gelobtes Land in dem sich gut Geld verdienen lässt. Jahrzehntelang holte die Regierung die Haitianer sogar selbst ins Land, damit sie auf Baustellen und in der Landwirtschaft Arbeiten übernehmen, die kein Dominikaner machen will. Tochter solcher Gastarbeiter ist auch Juliana Dequis Pierre. Sie ist Analphabetin und will lesen lernen, damit sie irgendwann Lehrerin werden kann. Geboren wurde sie hier, in der Dominikanischen Republik. Laut Verfassung war sie deshalb Dominikanerin, genau wie ihre Tochter Nairobi. Doch als sie ihren Pass verlängern lassen wollte, nahm man ihr alle Papiere ab, auch die Geburtsurkunde. Jetzt ist sie staatenlos, kann nicht arbeiten oder reisen, sie kann nicht einmal beweisen, dass sie Nairobis Mutter ist. "Sie haben mir gesagt, ich sei keine Dominikanerin mehr, weil meine Eltern Ausländer sind. Aber deshalb bin ich doch keine Ausländerin. Ich kenne nichts anderes und ich fühle mich als Dominikanerin. Ich hatte eine Geburtsurkunde der Dominikanischen Republik. Es hieß, wer hier geboren wird, ist Dominikaner, ich war also nie Haitianerin, weil ich hier geboren bin."
Die Politiker in der Hauptstadt Santo Domingo, sehen das anders. Über die 4 Millionen Ausländer, die jedes Jahr als Touristen kommen, freuen sie sich sehr. Doch um Menschen wie Juliana zu entrechten, haben sie 2010 sogar ihre Verfassung geändert. Kritische Fragen dazu mögen sie gar nicht. "Ich würde mir wünschen, dass sie endlich verstehen, dass wir nur die Probleme die sich über Jahre angesammelt haben, lösen wollen", sagt der Regierungssprecher Roberto Rodríguez Marchena. "Wir schaffen Ordnung in der Migrantenfrage. Und Probleme zwischen den Nationalitäten gibt es nicht, alle leben in perfekter Harmonie zusammen." Diese harmonische Runde, die uns aus blankem Misstrauen beim Filmen filmt, stößt sich aber schon am Zusammenleben mit den "Schwarzen", wie sie sagen. "Die werden uns alle massakrieren, ausrotten wollen die uns", sagt ein Mitglied des rassistischen Vereins "Organizacion Cumunitarias de la Zona Sur" (OCZS). "Wir könnten gut mit denen leben, die in ihrem Land, wir in unserem."
Ciudad limpia fordern sie, eine gesäuberte Stadt. Immer wieder gründen sich solche rassistischen Vereine, und wollen die Politik ihrer Regierung bis ins letzte Dorf tragen. "Viel zu viele Haitianer hier", sagt eine Frau und stürmt fingerzeigend drauf los. "Wir müssen doch von unseren Steuern alles für die bezahlen, und die gehen in unsere Schulen und Krankenhäuser" beschwert sich Pedro Paulino, Präsident des OCZS. Wir haben Euch hierhergebracht damit ihr seht, wie die leben, damit ihr versteht warum es die Konflikte zwischen uns und den Haitianern gibt."
Dass viele hier dominikanische Geburtsurkunden haben und nur deshalb so leben, weil sie wegen ihrer haitianischen Herkunft nirgendwo anders eine Wohnung bekommen, vergessen die haitifeindlichen Stadtsäuberer. Sie stört nicht, dass diese Menschen im Dreck leben, sie stört, dass dieser Slum so nah an ihren Häusern liegt. Den Beweis, wie wichtig ihre Arbeit ist, wollen sie auf dem Markt liefern. Schaut Euch um sagt Luz Brito, überall Haitianer. Die Betroffen selbst können bei so viel Unverfrorenheit nur ungläubig hinterher schauen.
Juliana macht diese unverhohlene Abneigung der Dominikaner wütend. Wie ihr droht fast einer Viertelmillion Landsleuten die Staatenlosigkeit. "Ich weiß dass meine Eltern Ausländer sind, aber ich doch nicht, ich fühle mich als Dominikanerin, so wie alle hier, und ich werde für unser Recht kämpfen, Dominikanerin zu bleiben."
Stand: 28.04.2014 16:08 Uhr
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