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Malawi: Die Mouse Boys

Malawi: Die Mouse-Boys | Bild: Das Erste

So fing alles an: Die Jungs verkaufen an der meistbefahrenen Straße von Malawi Mäuse zum Knappern. Und weil das Warten auf Kunden ziemlich langweilig ist, fangen die Freunde an, gemeinsam Musik zu machen. "Dann fuhr der Amerikaner von Lilongwe nach Blantyre an uns vorbei, stoppte und wendete. Und wollte uns kennen lernen. Seit dem ist unsere Musik bekannt", erinnert sich Alfred Gavanala.

Die "Mouse Boys" leben vom Verkauf von Mäuse-Kebabs an der Straße.
Die "Mouse Boys" leben vom Verkauf von Mäuse-Kebabs an der Straße. | Bild: SWR

Seitdem haben sie mit dem Musikproduzenten zwei CDs aufgenommen. Megastars sind sie aber noch keine. Ihr Dorf haben sie nicht verlassen, an ihrem Lebensstil änderte sich noch nichts Wesentliches. Die "Mouse Boys" – wie sie sich seit ihrer Entdeckung nennen – heben immer noch Mausbauten aus. Jeder tut das hier in Malawi, es gehört zur Aufgabe der Jungen, Mäuse zu fangen. Mit der bloßen Hand! Und das ist gewöhnungsbedürftig, zumindest für uns: Ein kurzer Zug an Kopf und Schwanz, die Maus ist tot. Darüber macht sich hier keiner Gedanken.

Joseph Nekwankwa erzählt: "Manchmal fangen wir 10, 15 Mäuse in einem Nest, manchmal auch 50. Aber jetzt sind wir am Ende der Jagdsaison." In solchen Momenten tritt die Musik in den Hintergrund. Vor der Kunst kommt das Essen. Das gilt in einem der ärmsten Länder der Welt erst recht. Also graben die "Mouse Boys" weiter. Alfred Gavanala erklärt: "Hier können wir nicht weitergraben, da ist eine Schlange drin. Die halbgefressene Maus ist kein gutes Zeichen."

Vom Jagdglück verlassen geben die "Mouse Boys" gegen Mittag auf. Jetzt im Malawischen Frühling ist es schwer. Ein Nachbar hatte dagegen mehr Glück. Ihm ging ein Riesennager in die Falle. Der Stolz ist ihm anzusehen. Außerdem wird es eine gute Mahlzeit.

Die Mäuse werden für die Snacks über dem Feuer getrocknet.
Die Mäuse werden für die Snacks über dem Feuer getrocknet - nicht gegrillt. Das Fell wird mitgegessen. | Bild: SWR

Joseph Nekwankwa meint: "Das werden wir bis ans Ende unserer Tage machen, Mäuse fangen, das ist Teil unserer Kultur. Unser Überleben, das der Menschen in den Dörfern, hängt von dieser Jagd ab." Europäische Augen und Nasen geraten hier an ihre Grenzen. Der Gestank ist bestialisch, wenn sie die Mäuse ausnehmen. Der Gedanke, dass es manchmal bis zu 50 sind, macht es nicht leichter. Die Sanftheit des selbstkomponierten Chorals wirkt da fast wie ein Widerspruch.

Zondiwe Kachingwe sagt: "Natürlich sind wir nicht glücklich, vom Mäusefangen zu leben. Wir machen das, weil wir keinen anderen Job haben. Davon zu leben, ist nicht einfach."

Bleiben wir noch einen Moment beim Mäusefangen und –zubereiten. Die Mäuse werden im Ganzen gekocht und dann am Feuer getrocknet, nicht gegrillt, da würde das Fell verbrennen. Das wird mitgegessen. Für viele im Dorf sind die Mäuse der wichtigste Proteinlieferant. Anderes Fleisch gibt es selten. Und der Geschmack? Salzig – vor allem.

Die Malawi "Mouse Boys" machen Musik.
Die Malawi "Mouse Boys" haben mittlerweile zwei Musik-CDs aufgenommen. | Bild: SWR

Das Dorf der "Mouse Boys" hat bisher keine berühmten Menschen hervorgebracht. Jeder versucht, sich so gut durchzuschlagen, wie er kann. Dass sich für sie einmal Menschen aus anderen Ländern interessieren könnten, konnte sich niemand vorstellen. Aber die Stimme von Zondiwe und die Musikalität der vier Freunde, macht dieses Dorf zu etwas Außergewöhnlichem. Ein neues Lied. Bei der Feldarbeit fiel Zondiwe die Melodie ein. Jetzt arbeiten sie am Text. Joseph Nekwankwa, erklärt: "Es geht um einen Menschen, der viel weiß über die Welt und so, aber niemals wird er wissen, wann er sterben muss. Das ist die Sache von Gott." Gottesfürchtig und bescheiden, das sind die "Mouse Boys". Und noch etwas vereint sie neben ihrer Musik: Sie setzten alles daran, ihr Leben aus eigener Kraft zu verbessern. Nelsons Kinder lernen von ihm das bisschen Englisch, das er aufgeschnappt hat. Der einzige Weg zu einem besseren Leben. Denn nur dann können die Kinder einmal eine andere Schule als die Dorfschule besuchen. Und die Musik? Sie ist eine Leidenschaft, aber auch das, was Nelson in die Waagschale werfen kann, wenn es um die Zukunft der Familie geht.

Pivivani Muligo sagt: "Mein Mann hat ein ganz besonderes Talent. Und wenn er die richtigen Instrumente hätte, dann glaube ich, hätte er das Zeug zum berühmt werden. Dann könnte er CDs aufnehmen und er könnte Geld für die Familie verdienen, ein bisschen wenigstens." Es ist ein zweischneidiges Schwert. Mit E-Gitarren und Verstärker würden sie nicht mehr so unverwechselbar klingen. Zondiwe Kachingwe schildert: "Die Musik hat unser Leben verändert. Wegen der und dem Talent, das Gott mir gegeben hat, konnten wir reisen, ins Ausland reisen. Und jetzt will ich darauf aufbauen. Eine bessere Zukunft mit Hilfe der Musik, darauf hoffe ich."

Viel haben die "Mouse Boys" noch nicht verdient mit ihrer Musik. Ganz bescheiden nur hat sich ihr Lebensstandard verbessert. Ein Geheimtipp für Weltmusik-Fans sind sie in jedem Fall.

Ulli Neuhoff, ARD Johannesburg.

Stand: 05.01.2015 09:22 Uhr

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