So., 23.03.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Mosambik: Die Besetzer des Grand Hotels
Die prachtvollen Jahre liegen lange zurück. Einst gehörte das "Grande Hotel“ in Beira zu den luxuriösesten Hotelanlagen in Afrika. Den Indischen Ozean vor der Tür, tropische Landschaft im Rücken. Dann kam der Bürgerkrieg, die Gäste blieben aus, das Hotel wurde geplündert, bis auf den letzten Nagel alles geklaut. Heute steht nur noch eine Ruine, ein Gerippe aus Stahlbeton. Aber das Hotel beherbergt immer noch Gäste. Über 3000 Menschen wohnen zum Teil seit Jahrzehnten an diesem unwirtlichen Ort, ohne Strom und Wasser, in Räumen ohne Türen und Fenster. Arm sind die Menschen, aber einfallsreich. Das Hotel funktioniert wie eine kleine Stadt, mit Läden, kleinen Werkstätten, einer Hotelverwaltung und sogar mit einem Wunderheiler. Ulli Neuhoff, ARD-Studio Johannesburg, hat sich für ein paar Tage einquartiert und staunend dem Leben in Ruinen zugeschaut.
Der Name von einst hat sich gehalten: Grande Hotel. Und noch immer sind die Menschen, die hier leben – daran hat sich nichts geändert – Gäste, Fremde. Der Bürgerkrieg hat sie einst vertrieben, vor über 20 Jahren. Das Luxus-Hotel stand damals leer, aufgegeben. Jetzt wohnen sie hier. Sie haben die Ruine besetzt. Nur wenige erinnern sich an die Pracht von damals – als das Hotel noch in Betrieb war. "Damals waren nur Weiße hier, Engländer", erzählt Joao, er arbeitet hier als Hausmeister. "Schwarze Gäste kamen wohl erst nach der Unabhängigkeit ins Hotel, oder?" fragt Carlos Carlos, Vorsitzender des Hotel-Komitees. "Genau, erst nach der Unabhängigkeit."
Der Meerblick ist geblieben, sonst steht nur noch die Betonhülle von dem, was nach heutigem Standard damals mindestens fünf Sterne verdient hätte. Die Freitreppe lässt ahnen, wie prachtvoll hier alles war. Eines der exklusivsten Hotels in Afrika. "Das hier war die Halle mit Cafe", kramt Joao in seiner Erinnerung, "da unten tanzten die Gäste." Eine Glaskuppel wölbte sich über der Tanzfläche, Stühle, Gläser, alles nur vom Feinsten.
Es war der Stolz von ganz Mosambik, als das Hotel 1954 mit viel TamTam eröffnete. Acht Jahre danach war es schon wieder vorbei mit Smoking, Champagner und Wein: die gutzahlenden Gäste blieben aus. Ein paar Jahre diente das Hotel als Militärlager. Das Interieur wurde verscherbelt, Fenster und Türen verkauft. Plünderer klauten noch den letzten Nagel. 1971 zog Joao als einer der ersten ein. Carlos kam später, ist heute Sprecher des Bewohner-Komitees. Flüchtlinge sind sie beide. Nach Beira kamen sie weil es hier sicher war, während Rebellen im Landesinnern schossen und brandschatzen. Der Bürgerkrieg ist seit über 20 Jahren vorbei. Aber noch immer wohnt Joao mit seiner Familie in Zimmer 211. "Das Land hat sich verändert und viel Geld wird investiert. Aber für die normalen Bürger, wie uns, ändert sich nichts. Für mich ist es sogar schwerer jetzt. Ich hab überhaupt keine Unterstützung, von niemandem."
Kein Strom, kein Licht, kein fließendes Wasser. Fast 3000 Menschen leben im Grand Hotel, schlagen sich durch so gut es geht. Der Swimmingpool, früher das einzige 50-Meter-Schwimmbecken in Mosambik. Jetzt wird dort Wäsche gewaschen, wo einst das Olympiateam trainierte. Der Bürgerkrieg machte Mosambik zu einem der ärmsten Länder der Welt. Langsam nur kommt das Land wieder auf die Beine. Für die Flüchtlinge im Grande Hotel geht das noch langsamer als für den Rest des Landes. Immerhin eine Hilfsorganisation will jetzt den Kindern Hefte und Stifte bezahlen. Darum geht es in diesem Treffen des Bewohner-Komitees. In Mosambik herrscht offiziell Schulpflicht, aber viele der Kinder hier gehen nicht in die Schule. Geld für Schulmaterialien haben sie nicht. Viele sind froh, wenn’s überhaupt für eine warme Mahlzeit am Tag reicht. "Wir danken Gott und haben gebetet, dass unsere Kinder die versprochene Unterstützung für die Schule und Arztbesuche bekommen", sagt Carlos Carlos, Vorsitzender des Hotel-Komitees. "Gott sei Dank, und Dank der Initiative von 'Casa Amiga'. In meinem Namen und dem aller sage ich danke."
Sie bleiben die Fremden, auch wenn sie schon seit Jahrzehnten in Beira leben. Auch auf dem Markt. Zweimal in der Woche kauft Luisa hier ein. In großem Stil, für ihren Laden im Grande Hotel. Sie ist so etwas wie eine Kleinunternehmerin. Aber heute ist kein guter Tag fürs Geschäft. "Ich kaufe heute nur wenige Zwiebeln", meint die Ladenbesitzerin Luisa Lino, "sie sind einfach zu teuer. Normalerweise verlange ich einen 10 Kilo-Sack, heute kann ich mir einen ganzen Sack nicht leisten. Wie bei den Tomaten, der Preis ist so teuer, ich kaufe keine einzige." Irgendwo im Hinterland ist eine Brücke zusammengebrochen. Beira ist abgeschnitten, deshalb kommen keine neuen Lieferungen. Luisa fährt ohne frisches Gemüse zurück. Ihr Laden ist der größte in der Anlage. Geld machen sie und ihr Mann damit, dass sie große Mengen einkaufen und sie umfüllen, wie das Öl, in kleine Portionen, die sich die Hotel-Bewohner leisten können. "Diesen Laden habe ich mit einem Kredit von der Bank aufgebaut. Die Raten habe ich abgestottert, jetzt bin ich ohne Schulden, er gehört mir." Relativer Reichtum in der Welt des Grande Hotels.
Das Hotel funktioniert wie eine kleine Stadt. Läden, Werkstätten und auch einen Wunderheiler haben sie hier. Wenn es dunkel wird, beginnt das Leben vor dem Grande Hotel noch einmal. Tropische Nächte, langsam sinken die Temperaturen auf ein erträgliches Maß. Die meisten Kunden kommen jetzt. Nebenher Abendessen und träumen - von einem besseren Leben. "Mein Traum ist ein eigenes Haus", sagt Luisa. "Ein Stück Land und da baue ich mein eigenes Haus. Davon träume ich. Auch wenn es nur ein ganz kleines wäre, es wäre mein eigenes Haus, mit Möbeln. Das wäre es." Eigentlich sollte es ja nur eine Durchgangsstation sein. Das alte Grande Hotel. Allabendlich das Bett im Laden, seit 26 Jahren. Aber auch wenn viele weg wollen, das Grande Hotel wird sie noch lange beherbergen.
Stand: 15.04.2014 10:43 Uhr
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